Frauenfunk Teil 2
von Bettina Hasselbring, Historisches Archiv
Der Frauenfunk wurde 1945 bei Radio München gegründet und zunächst von Ilse Weitsch, ab 1958 von Lore Walb geleitet. In diesen Jahren bauten sie mit anderen Redakteurinnen und einigen freien Mitarbeiterinnen ein abwechslungsreiches Programm auf, dass bei den Aufsichtsgremien und in der Politik häufiger aneckte, aber bei den Hörerinnen und Hörern sehr beliebt war. Zehn Jahre später – 1968 – ging eine Ära in der Frauenfunkgeschichte zu Ende.
1958 starb Ilse Weitsch unerwartet im Alter von 54 Jahren, an den Folgen einer Gallenoperation. Der Bayerische Rundfunk schrieb die Stelle aus und suchte eine neue Leiterin für den Frauenfunk. Diese sollte folgende Qualifikation aufweisen: “Ihrem fachlichen Können sollte ein frauliches Wesen entsprechen“. Mit dem Personalwechsel versuchte der BR, die zunehmenden Emanzipationsbestrebungen, die der Frauenfunk ausübte, zu bremsen.
Eingestellt wurde schließlich Lore Walb, eine gebürtige Rheinländerin. Nach dem Abitur studierte sie Germanistik, Geschichte und Anglistik, arbeitete seit 1947 beim Südwestfunk in Baden-Baden, zunächst in der Literarischen Abteilung, ab 1948 als Redakteurin im Frauenfunk und zuletzt als stellvertretende Leiterin. Lore Walb übernahm im Oktober 1959 in München die Leitung des Frauenfunks – für immerhin 20 Jahre – bis ins Jahr 1979.
In dem Aufsatz "Lehrstück Frauenrolle. Aspekte einer Frauenfunkgeschichte zwischen 1945 und 1979" erinnerte sie sich später rückblickend an die Anfangszeit.
Niemand habe damals zum Beispiel an dieser wenig gleichberechtigten Stellenausschreibung etwas auszusetzen gehabt:
"Nicht nur die Frau, auch ihr Programm sollte anders ausschauen. 'Damenfunk' statt 'Frauenfunk'. Die soziale Thematik freilich müsse nicht entfallen, das weihnachtliche Hilfswerk insbesondere solle fortbestehen, aber der Frauenfunk sollte keine Sozialpolitik machen, dafür gebe es ein politisches Ressort. Das Programm als Ganzes sollte leichter und feuilletonistischer werden,"
so Lore Walb
Aber der Frauenfunk verwandelte sich nicht in einen "Damenfunk":
"Ihm stand mein starkes soziales Engagement entgegen, das wieder zum Mikrofon drängte, nach allen und neuen Möglichkeiten suchte, sich auch in Bayern zur Stimme der Stummen zu machen….
Und es gab ja schon dieses fortschrittliche Frauenfunkprogramm.. hier konnte ich selbst noch dazulernen und meine eigenen Fähigkeiten einbringen,"
schreibt Lore Walb
In der Sendung "Der Funk und seine Hörer – Aufgaben und Ziele des Frauenfunks" vom 18. Juni 1964 fasste sie die Grundsätze und das Anliegen des Frauenfunks so zusammen:
Unter der Leitung von Lore Walb blieben die Inhalte des FrauenfunKs gleich: Traditionelle Themen wie Mode, Schönheitspflege, Familie, Haushalt, Wohnen, Beruf und Kultur. Weiterhin auch politische Bildung, vor allem aber auch Emanzipation.
Thema Emanzipation an erster Stelle
Ein Thema, das immer wieder auftaucht, war die angestrebte Partnerschaftlichkeit in der Ehe oder die Berufstätigkeit der Frau. In einer Sendung aus dem Jahr 1960 wurden Männer gefragt: "Was sagen Sie zur Berufstätigkeit Ihrer Frau?". Die Antworten dokumentieren, wie sehr die Gesellschaft im Umbruch war. So antwortete ein Schriftsteller, dass seine Frau zuhause bleiben solle, "wie es sich gehört". Während ein Chemiker die Berufstätigkeit seiner Frau, einer Zahnärtzin, sehr unterstützte. Hier ist daran zu erinnern, dass Frauen bis 1977 die Erlaubnis ihres Ehemannes brauchten, wenn diese arbeiten gehen wollte!
Seit Mitte der 1960er Jahre gab es immer wieder Probleme und Ressentiments bei den männlichen Kollegen und Hierarchen. 1965 stellte der Frauenfunk in einer Sendung die Opferrolle der Mütter in Frage. Dieser Vorstoß gegen das konservative Rollenbild stieß im BR naturgemäß auf Protest. Noch ein anderes Beispiel: Als Lore Walb einmal in der Redaktionskonferenz das neue Gesellschaftsmodell der schwedischen Regierung vorstellte – 30 Stunden-Woche, Aufhebung der Arbeitsteilung, Frauen arbeiten mit, Männer erziehen mit – lachten ihre männlichen Kollegen im Funkhaus wohl schallend.
Gegen den Strom
Der Frauenfunk setzte sich in seinen Sendungen und durch Aktionen der Mitarbeiterinnen immer für die gesetzliche Gleichberechtigung ein und stellte sich klar gegen die politische Haltung, die in der Bundesrepublik und ganz besonders in Bayern damals vertreten wurde. Den Widerspruch zwischen Theorie und Praxis der Gleichberechtigung erfuhr Walb jahrelang auch am Beispiel ihres Etats und der Honorare. Im Prestige und Rang der Redaktionen lag der Frauenfunk an unterster Stelle, obwohl gerade diese Abteilung viele sehr beliebte Sendungen produzierte.
"Frauenfunk" wird zum "Familienfunk"
Franz Josef Bautz prägte lange Jahre das "Notizbuch", von 1980 bis 1990 leitete er die Redaktion Kulturkritik.
Im Jahr 1968 kam es zu einer gravierenden Veränderung in der Geschichte des Frauenfunks. Lore Walb holte Franz Bautz, einen männlichen freien Mitarbeiter aus dem Kulturbereich als Redakteur in ihre Abteilung – ganz im Zuge der Gleichberechtigung, für die sie in ihrem Programm immer wieder plädiert hatte:
Mit diesem Eintritt musste sie – gegen ihren Willen – den Frauenfunk in "Familienfunk" umbenennen. Lore Walb fand die Lösung sehr unglücklich, da dieser Redaktionsname ihre Arbeit und Aufgabe nicht umfassend beschreibe.
"Wir haben es in erster Linie in allen unseren Sendungen nach wie vor mit der Frau zu tun, und die Existenz der modernen Frau vollzieht sich auf drei Ebenen: im Beruf, in der Familie und in der Öffentlichkeit."
Lore Walb
Mit dem Wandel vom Frauenfunk zum Familienfunk änderte sich einiges, sowohl beim Programm als auch beim Personal. Die Abteilung wurde zum einen für Männer geöffnet, zum anderen schieden langjährige Redakteurinnen, wie Liselotte Adam, aus. Der Familienfunk bekam mehr Sendezeit als der Frauenfunk. Auch die Programmstruktur und die Inhalte der Sendereihe "Notizbuch", die 1960 startete, veränderten sich gravierend. Im Jahre 1968 ging also eine Ära in der Frauenfunkgeschichte des BR zu Ende.