Frauenfunk Teil 1
Von Bettina Hasselbring, Historisches Archiv
In den Jahren 1945 bis 1948 hatten sich bei Radio München viele Sendereihen und Redaktionen neu etabliert, die teilweise bis heute bestehen: der Schulfunk, durch den zum Beispiel das Orff’sche Schulwerk weltberühmt wurde, die Bergsteigerredaktion, das Nachtstudio, der Kinderfunk, Kirchenfunk, der Wirtschaftsfunk oder der Frauenfunk.
Der Frauenfunk wurde 1945 gegründet und von Ilse Weitsch bis 1958 geleitet. Ilse Weitsch war Krankenschwester und Fürsorgerin und nach einem Studium der Pädagogik, Psychologie und Soziologie Lehrerin in Volksschulheimen. Sie und ihr Mann Eduard Weitsch, ein bekannter Pädagoge, waren 1933 von den Nationalsozialisten aus der Erziehungsarbeit ausgeschaltet worden. Weitsch arbeitete dann freiberuflich für Zeitungen und Werbeagenturen, um ihre sechsköpfige Familie zu ernähren.
Zum Rundfunk kam sie durch einen Zufall. Im Sommer 1945 schrieb sie an Radio München und machte Verbesserungsvorschläge für das Programm. Daraufhin luden sie die amerikanischen Führungskräfte ins Funkhaus ein. Sie wurde gefragt, ob sie nicht selbst am Programm mitwirken und den Frauenfunk aufbauen wollte. Weitschs Vergangenheit passte gut in das politische Konzept der amerikanischen Militärregierung.
Weitsch wollte mit ihren Sendungen den Frauen in ihrer schwierigen Situation im Chaos der Nachkriegsjahre helfen. So initiierte sie zum Beispiel Spendenaufrufe und als Erste die Vermisstensuche über den Rundfunk.
Hilfe, Tipps und Unterhaltung
Sie rief verschiedene Hilfsaktionen ins Leben, wie z.B. die bekannte "Weihnachtshilfe - Menschen in Not", die erste Hilfsaktion dieser Art nach dem Krieg. Andere Sender und Zeitungen starteten ähnliche Aktionen erst viel später. Die "Weihnachtshilfe" lief dann noch 20 Jahre lang im Radio, bis 1968.
Ilse Weitsch baute mit zwei anderen Redakteurinnen und einigen freien Mitarbeiterinnen ein abwechslungsreiches Radioprogramm auf. Die Bandbreite der Themen zeigt sich schon an den Titeln der Sendereihen:
"Für die Hausfrau", "Für die Landfrau", "Guten Morgen, liebe Hausfrau", "Für die Mütter", "Für die berufstätige Frau", "Für Eltern und Erzieher", "Soziale Fragen".
"Bei vielen Sendungen würde der Hörer staunen, wenn er wüsste, dass sich dahinter der Frauenfunk verbirgt."
Zeitungsartikel von 1957
Frauen zu einem aktiven Leben motivieren
Traditionelle Themen wie Mode, Schönheitspflege, Familie, Haushalt, Wohnen, Beruf und Kultur standen auf dem Programm, aber auch die politische Bildung der Frau, Fragen der Gleichberechtigung und Emanzipation. Gerade die politische Bildung der Frau war in dieser Zeit kein vorrangiges Ziel. Das Frauen- und Familienbild der Adenauer-Regierung sah eine Berufstätigkeit von Frauen nur bis zur Eheschließung vor. Die Frauen zu einem aktiven Leben zu motivieren, erschien Ilse Weitsch deshalb besonders wichtig. In einer Rundfunkansprache vom 25. Mai 1952 – von der leider nur das Manuskript erhalten ist - appellierte sie an die Frauen:
"Wir meinen, dass die Frauen heute, die ja genau wie die Männer das Wahlrecht haben und die gleiche Verantwortung für das große öffentliche Leben tragen, auch zur Mitarbeit im sozialen, im politischen Leben aufgerufen sind. Es ist für die Frauen nicht ganz einfach, diese ihnen durch das Wahlrecht und vor allem aber durch das Chaos der Nachkriegszeit zugeteilten Aufgaben zu erfüllen. Viele sind ein bisschen erschrocken und glauben noch, entschuldigen Sie den Ausdruck, kneifen zu können und sich in ihr häusliches und privates Leben zurückziehen zu dürfen... Wir wissen, dass sich gelegentlich noch Männer wehren und meinen, es könnte so weitergehen wie früher, dass sie alleine diese Welt gestalten können und die Frau in der Zurückgezogenheit und der Stille ihres häuslichen Herdes belassen können. Diese Vorstellung ist unserer Meinung nach eine Illusion, eine Illusion, die außerordentlich gefährlich und bedrohend ist."
Manuskript aus der Sendereihe 'Der Funk und seine Hörer' 1952
Politisch gebildet und aktiv
Weitsch Engagement wurde auch im Ausland registriert und gelobt. Zum Beispiel stellte eine große schwedische Tageszeitung fest, dass der Frauenfunk des Bayerischen Rundfunks in seinen Sendungen eine führende Stellung hinsichtlich der politischen Bildung der Frau in Deutschland einnähme.
Auch die Mitarbeiterinnen des Frauenfunks selbst waren politisch aktiv. Sie initiierten verschiedene Arbeitskreise, wie den Süddeutschen Frauenarbeitskreis München oder den Verbraucherausschuss für Bayern beim Ernährungsministerium. Marianne Feuersenger gründete 1950 zusammen mit Hildegard Hamm-Brücher die Arbeitsgemeinschaft der Wählerinnen.
Marianne Feuersenger, Jahrgang 1919, arbeitete ab April 1948 für den Frauenfunk.
1953 wechselte sie in die Abteilung Politik und war vor allem für sozialpolitische Sendungen zuständig. Karriere machte Feuersenger dann ab 1962 beim ZDF als Redaktionsleiterin. Ihr berühmtestes Buch heißt: Die garantierte Gleichberechtigung. Ein umstrittener Sieg der Frauen.
Der Frauenfunk setzte sich stark für das Thema Gleichberechtigung ein und beteiligte sich an der juristischen Debatte um die notwendigen Änderungen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Zusammen mit dem Münchner Rechtsreformausschuss, dessen Vorsitz die erste weibliche Richterin in Bayern, Annemarie Endres, übernahm.
In der Sendereihe "Soziale Fragen" erläuterte man die Rechtsprobleme und bat die Hörerinnen und Hörer um Lösungsvorschläge. Diese wurden dann an den Rechtsausschuss weitergeleitet. Der Frauenfunk war also in der Gleichberechtigungsdebatte sehr aktiv. Und das war vor allem dem Engagement der emanzipierten und politisch interessierten Redakteurinnen zu verdanken und ihrer Leiterin Ilse Weitsch. 1957 bekam sie übrigens für ihr soziales Engagement das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verliehen.
Zu rebellisch für den konservativen Bayerischen Rundfunk?
In der Hierarchie des Bayerischen Rundfunks passte die sozialkritische Ausrichtung dieser Redaktion nicht allen. Dass sich dieser neben Haushaltsthemen auch für politische Aufklärung, soziales Engagement und Frauenrechte einsetzte anstatt für weibliche Tugenden und bayerisches Brauchtum, wurde nicht gerne gesehen. Der Frauenfunk war immer wieder Thema in den Rundfunkratssitzungen. Deutlich wird hier, dass die Redaktion eigentlich zu rebellisch für den konservativen Bayerischen Rundfunk war und immer wieder bei den Programmverantwortlichen aneckte.
Oder auch bei Politikern, vor allem bei Franz Josef Strauß. Dieser empörte sich mehrfach darüber, dass im "Hausfrauenfunk", wie er den Frauenfunk despektierlich nannte, immer so "kleine Tropfen roten Gifts" verspritzt werden würden und sieben bis acht Beamte der Staatskanzlei damit beauftragt seien, den Frauenfunk regelmäßig nach solchen Tropfen abzuhören.
Trotz der vielen Kritik in den Gremien ließ man dem Frauenfunk aber immer viel freie Hand, weil die Sendungen sehr beliebt waren, wie die Hörerpostwochenberichte belegen.