Unter unserem Himmel Die Chroniken von Bayern
Liebevoll, akribisch und kritisch: Seit dem 18. November 1969 widmen sich Filmemacher des BR für "Unter unserem Himmel" ihrer Heimat und den Menschen vor Ort. Was macht die älteste Doku-Reihe der ARD auch heute noch so attraktiv? Wir haben mit den Machern gesprochen.
Ob "Alpen abseits des Trubels", "Neues Leben in alten Bunkern", "Energie aus der Erde – Geothermie in Bayern","Autobahngeschichten" oder "Metzgersleut' im Rottal", seit 1969 widmen sich Filmemacher, die ihre Heimat lieben und kennen, jede Woche in ihren Filmen einem bestimmten Thema. Damit ist "Unter unserem Himmel" im BR Fernsehen die älteste und noch bestehende Dokumentationsreihe innerhalb der ARD. Sie spiegelt den Alltag und den Wandel der Menschen und Regionen in Bayern wider. Die Themen sind vielfältig, aktuell und kritisch.
"1969: da war die erste Mondlandung, Woodstock – und die erste Sendung von 'Unter unserem Himmel'. Wir können stolz darauf sein, dass der BR die älteste Dokumentarfilmreihe der ARD beheimatet. Glückwunsch an alle 'Himmel'-Macher, die in den vergangenen fünf Jahrzehnten daran mitgearbeitet haben, dass der 'Himmel' sich weiterentwickeln konnte und nach wie vor eine der wichtigsten Marken des BR Fernsehens ist."
Annette Siebenbürger, ehemalige Programmbereichsleiterin Unterhaltung und Heimat
Bayern abseits der Klischees
Typisch für die Sendereihe ist das Erzählen in intensiven, ruhigen Bildern; der Zuschauer ist eingeladen, sich auf den Film einzulassen. "Die 'Himmel'-Redaktion ist geprägt durch die besondere Herangehensweise und durch ihre Tradition", sagt Corbinian Lippl, Redaktionsleiter der Sendung. Mit dieser Herangehensweise wollte schon der Erfinder von "Unter unserem Himmel", Heinz Böhmler, Bayern nicht als rein geografische Ortsbestimmung, sondern als Wesensbegriff definieren. "Seine Leistung hat bis heute Bestand. Dafür muss man Bayern kennen – abseits der Klischees. Darauf legen wir Wert," so Lippl.
"Genau hinschauen und zuhören. Verlust von Landschaft und Tradition erkennen, andere Möglichkeiten aufzeigen. Aber auch Gefühle sind wichtig für den Himmel. Wie es jemandem wirklich geht. Empathie haben für die Menschen und ihr Leben."
Filmautorin Sylvia von Miller
Damit das gelingt, müssen die Filmemacher in der Region viel unterwegs sein, sich gut auskennen und vor Ort mit den Leuten reden. "Wichtig ist, dass man ein Thema immer aus der Sicht der Menschen erzählt. Dadurch lernt man sie besser kennen: in ihrer Vielfalt, in ihrem Wandel bezüglich ihres Heimatgefühls sowie in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten", sagt Lippl. Wichtig sei das Vertrauen zwischen den Protagonisten und den Filmemachern – und mit diesem Vertrauen und dem gedrehten Material dann auch im Film verantwortungsvoll umzugehen. Das schätzen die Menschen. Lippl sagt: "Wie man mit Menschen umgeht, ist eine Frage der journalistischen Ethik. Schließlich sind das keine Prominenten oder Kameraprofis, die den Umgang mit Medien gewohnt sind. Bei uns wird niemand vorgeführt."
Wenn die Protagonisten Vertrauen zu den Autoren gefasst haben, dann erzählen sie auch vor der Kamera, was sie wirklich von einer bestimmten Sache halten, und zwar so, wie sie auch normalerweise sprechen. Dabei ist unerlässlich: Der Autor muss sich mit dem Thema sehr gut auskennen. "Denn je mehr Leute sprechen, desto mehr Quatsch kriegt man manchmal zu hören. Also muss man im Vorfeld viel recherchieren, dann kann man die Leute reden lassen. Das gibt eine andere Klangfarbe", findet "Unter unserem Himmel"-Filmautor Meinhard Prill.
Haltung zeigen
Die subjektive Herangehensweise des Autors an ein bestimmtes Thema – auch darin liegt der Erfolg der Reihe. Prill erläutert: "Zudem darf man Haltung zeigen, etwas aus der Perspektive der Betroffenen erzählen und kann einfach mal die Kamera laufen lassen. Damit haben wir den Stil der Reihe geprägt und können uns dieses übliche Pingpong von These und Gegenthese in Filmen ersparen." Denn eine unausgesprochene Regel unter den Autoren lautet für fast alle Themen: Menschen zu finden, die abseits der "offiziellen" Experten mit den Dingen vor Ort zu tun haben.
"Es gilt diejenigen zu meiden, die nominell oder politisch für das Thema verantwortlich sind. Wenn es um die Regulierung des letzten Donau-Abschnitts geht, dann rede ich mit jemandem, der auf dem Schiff fährt, oder einem Anlieger oder dem früheren Chef des Deggendorfer Hafens, der nun als Rentner unbefangen darüber reden kann."
Meinhard Prill, Filmautor
Eine dokumentarisch-feuilletonistische Sendereihe
Die Themen der Reihe kommen teils von den Autoren, teils von der Redaktion: Landschaftsporträts, Kochgeschichten, traditionelle Volksmusik, Filme über Menschen und Regionen entlang bestimmter Routen in Bayern und den Nachbarregionen – sei es entlang von Straßen oder Flüssen – und auch Bergfilme über die bayerischen Alpen und die alpenländischen Nachbarn. Das sind nicht reine Bergsteigerfilme, es geht um Alpendörfer, Almwirte, Beschneiungsanlagen oder den Wandel im Tourismus oder im Ökosystem.
Volksmusik in "Unter unserem Himmel"
Filmautor Leonhard Schwarz liebt und macht Musik. Er reiht sich ein in die Fußstapfen großer Volksmusikanten und -dokumentaristen wie Wastl Fanderl, Sepp Eibl und Gerald Groß, die für "Unter unserem Himmel" die traditionellen Musikanten vorgestellt und mit ihnen auch musiziert haben. Schwarz, der bereits Filme wie "Junge Instrumentenbauer", "Musikanten in Gaißach" oder "Der Haushamer Bergwachtgsang" gedreht hat, versucht sich eher im Hintergrund seiner Filme zu halten, weil er den Protagonisten mehr Raum geben möchte. "Mein Ziel ist es, gute Musikertypen zu finden", sagt er und betont: "Bei uns steht der Mensch eben im Vordergrund, egal ob er Bauer, Handwerker oder Musiker ist." Oft wird seiner Ansicht nach behauptet, dass traditionelle Volksmusik im Gegensatz zur modernen Crossover-Volksmusik, verstaubt und nicht mehr zeitgemäß ist. Er ist da anderer Ansicht: "Ich bin eher ein Purist, mich interessiert vor allem das Natürliche an der Musik, keine Show."
Die Redaktion legt dabei Wert auch auf eine eigene Handschrift der Autoren in ihren Filmen: "Es ist ja keine Reportage, sondern eine dokumentarisch-feuilletonistische Sendereihe, die auch kritisch Bayerns Wandel zeigen soll", erklärt der Redaktionsleiter. Trotz des guten Zugangs zu den Menschen vor Ort ist es ihm wichtig, dass die Autoren ihre kritische Distanz nicht verlieren, damit verantwortungsvoll umgehen und nicht nur sagen, alles ist schön und gut. "Diese Gratwanderung zu meistern, macht auch die Qualität unserer Reihe aus", sagt Lippl.
Das Geheimnis der Sendung und ihre Aussichten
Inzwischen sprechen die filmischen Ergebnisse und deren Erfolg für sich. Der erste Film aus der "Unter unserem Himmel"-Reihe lief am 18. November 1969: "Die Eiger-Nordwand" von Lothar Brandler und seinem Kameramann Gerhard Baur, der im Laufe der Jahre zu einem der "weltweit besten Bergfilmer" avancierte.
Auch andere Autoren der Reihe erhielten zahlreiche Preise: Dieter Wieland, Sybille Krafft, Meinhard Prill, Annette Hopfenmüller, Josef Schwellensattl, Matti Bauer oder Lorenz Knauer – um nur einige von ihnen zu nennen. Sie zeichnen seit vielen Jahren ein Bild davon, was Menschen und Regionen ausmacht und wie sie sich verändern. Diese Dokumentationen sind so etwas wie die Chroniken von Bayern und bieten einen unerschöpflichen Fundus an Geschichten, Bräuchen und Bildern.
Profil schärfen
Mit sprachlichen Finessen und relevanten Themen
Auch an der Filmsprache gilt es zu feilen. Corbinian Lippls Credo: "Die Feinsinnigkeit des Textes zu nutzen. Ein Text kann weitaus mehr, als das zu beschreiben was der Zuschauer auf den Fernsehbildern eh schon sieht." Außerdem will Lippl den Fokus noch mehr auf aktuelle, gesellschaftlich und ökologisch relevante Aspekte der Themen legen. Unterstützung bekommt er auch von den Filmemachern der Reihe: "Wir müssen wieder stärker an die Strukturprobleme heran, aber mit unserer Art und Weise, dass man die Leute zu Wort kommen lässt. Das ist ja auch das Geheimnis der Sendung", sagt Prill.
Künftig will die 'Himmel'-Redaktion ihr Profil schärfen. "Es gilt, dass wir uns auf visueller, textlicher und thematischer Ebene ständig hinterfragen und mit den Bedürfnissen der Zuschauer vor allem unter dem Aspekt des weitreichenden Wandels in der Nutzung der Medien umzugehen wissen", sagt Lippl, der damit für eine stetige Weiterentwicklung der Sendereihe steht und so die Tradition seiner Vorgänger fortsetzt. So will Lippl zum Beispiel den visuellen filmischen Aspekt modernisieren und betont: "Es muss deswegen kein hektischer Film werden, der am Sonntagabend zur Nervosität führt, sondern der Entschleunigung aus dem Alltag bietet."