Chronik der Mittelwelle Ältester analoger Übertragungsweg
Für große Teile der Bevölkerung war sie die erste Möglichkeit Radiosignale zu empfangen. Mit der Mittelwelle begann das Rundfunkzeitalter in Deutschland. Rund 91 Jahre später wurden jetzt die letzten vier Mittelwellensender in Bayern vom BR abgeschaltet.
Am 29. Oktober 1923 fällt der Startschuss für die erste öffentliche Radiosendung in Berlin. Gesendet wird ab 20.00 Uhr aus dem Berliner Vox-Haus.
"Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tag der Unterhaltungsrundfunk mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt."
Hörfunk-Sprecher
In der Weimarer Republik ist die "Deutsche Stunde. Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH" mit Sitz in Berlin als Rundfunkveranstalter für die Übertragung verantwortlich. Die "Deutsche Stunde in Bayern" wird am 12. September 1922 ins Leben gerufen. Sie sorgt am 30. März 1924 für die erste Radio-Sendung im heutigen Freistaat. Als erste Mittelwellen-Sendeantenne fungiert lediglich ein Draht, der vom Ministerium zum gegenüberliegenden Bahn-Verwaltungsgebäude gespannt ist.
Weitere Sender folgen
Die Reichweite des Münchner Senders reicht für einen guten Empfang in ganz Bayern nicht aus. So nimmt bereits am 2. August 1924 in Nürnberg eine weitere Sendeanlage im Postgebäude am Bahnhof ihren Betrieb auf. Nach anfänglicher Übernahme der Münchner Sendungen entscheiden sich die Verantwortlichen im Folgejahr dafür, auch eigene Sendungen zu produzieren und auszustrahlen.
Am 1. September 1927 folgt der sogenannte Zwischensender Augsburg, der kein eigenständiges Programm ausstrahlt, sondern der Verbreitung des Münchner Programms dient. Gesendet wird aus der Dachkammer der Oberpostdirektion. Im Jahr darauf nimmt der Pfalzsender in Kaiserslautern seinen Betrieb auf und übernimmt ebenfalls sein Programm vom Münchner Sender. Kaiserslautern ist zwar bis 1930 von französischen Truppen besetzt, gehört jedoch weiterhin auch zu Bayern.
Ende der 20er-Jahre wird in München der Riemerschmidbau als erstes gesellschaftseigenes Funkhaus Deutschlands eingeweiht. Am 1. Januar 1931 wird "Die Deutsche Stunde in Bayern" in "Bayerischer Rundfunk GmbH" umbenannt.
Großsender bei Ismaning
Ebenfalls Anfang der 30er-Jahre wird ein Senderstandort am Stadtrand von München zur Einrichtung eines modernen Mittelwellen-Großsenders gesucht, um eine bessere Ausstrahlungsstärke und Versorgung zu erzielen. Dieser geht in Ismaning am 3. Dezember 1932 mit einer Leistung von 60 Kilowatt in Betrieb. Bereits ein Jahr später wird auf 100 Kilowatt aufgerüstet, so dass Ismaning zu den größten Mittelwellensendern Deutschlands zählt. Er ist bis zur heutigen Abschaltung Mittelwellensender-Standort geblieben.
Rundfunk wird zum politischen Machtinstrument
Im Juli 1932 erlässt die deutsch-nationale Regierung "Richtlinien zur Neuordnung des Rundfunks", die eine stärkere Politisierung zur Folge hatten. Bayern entzieht sich anfänglich dieser äußeren Einflüsse, doch der Widerstand währt nicht lange. Bereits ein Jahr später verkündet Joseph Goebbels den "neuen Kurs" der nationalsozialistischen Arbeit.
"Der Rundfunk ist das modernste und […] das erfolgreichste Massenbeeinflussungsmittel."
Joseph Goebbels, April 1933
Im Frühjahr 1934 folgt die Umbenennung von "Bayerischer Rundfunk GmbH" in "Reichssender München". Ab Juni 1940 ändert sich das Programm des bayerischen Senders maßgeblich, da nun das Einheitsprogramm des "Großdeutschen Rundfunks" ausgestrahlt wird.
Hörfunk in der Nachkriegszeit
Nach dem Zweiten Weltkrieg übernehmen die Amerikaner den bayerischen Reichssender und geben dem Rundfunkprogramm aus München den Namen "Radio Munich – Radio München". Rundfunk wird zur Hauptnachrichtenquelle in Zeiten der Papierrationierung.
Auf der Europäischen Wellenkonferenz in Kopenhagen von 1948 werden den Deutschen nur "schlechte" Frequenzen auf Mittel- und Langwelle zugestanden, so dass die Rundfunkversorgung der deutschen Bevölkerung unbefriedigend bleibt. Die Lösung dieser Situation liegt in einer neuen Technik in einem neuen Frequenzbereich: Am 28. Februar 1949 schaltet der Bayerische Rundfunk den ersten UKW-Sender Europas in Freimann auf. Erst drei Tage vorher war der Bayerische Rundfunk als Anstalt des öffentlichen Rechts am 25. Januar gegründet worden und hatte seine Lizenz erhalten.
Neues Hörfunkprogramm
Im Folgejahr geht der BR mit einem 2. Hörfunkprogramm aus der UKW-Zentrale in Nürnberg auf Sendung. Zu Beginn sind über die Mittelwelle und die UKW-Frequenzen jedoch weitgehend die gleichen Beiträge zu hören. Nach und nach produziert der BR eigene Sendungen für sein 2. Hörfunkprogramm und strahlt sie in den Abendstunden aus.
1958 wird das 2. Programm zu einem eigenständigen Vollprogramm. Die Übertragung über UKW ermöglicht eine bessere Hörqualität und eine größere Verbreitung der Sendungen. Die Mittelwelle überträgt weiterhin das 1. Programm.
Durch einen zügigen Ausbau des UKW-Netzes, zwei Hörfunkprogramme sowie der Verbreitung von UKW-Radios bei den Hörerinnen und Hörern erlangt der Rundfunk rasch wieder eine größere Reichweite. Mit Aufkommen des Fernsehens in den 50er-Jahren ist der Begriff Rundfunk jedoch nicht mehr ausschließlich als Synonym für Hörfunk zu verstehen.
Neuer Schwerpunkt im Programm
In den 60er-Jahren überträgt die Mittelwelle auch das Ausländerprogramm der ARD. Der BR liefert dafür Sendungen in italienischer, spanischer und griechischer Sprache zu. 2003 wird das Ausländerprogramm schließlich eingestellt. Für das neue Informations- und Nachrichtenprogramm B5 aktuell nutzt der BR von 1991 bis 1993 zwischenzeitlich die Mittelwelle, bis deren UKW-Kette entsprechend gut aufgebaut ist. Anschließend belegt Bayern 1 wieder durchgängig die BR-Mittelwelle. Zeitweise überträgt das Mittelwellenprogramm aber noch Sondersendungen, zum Beispiel Parlamentsdebatten aus dem Bundes- und Landtag.
Wachsender Konkurrenzdruck
Durch das technisch weit bessere UKW verliert die Mittelwelle mehr und mehr an Bedeutung, auch wenn sie außerhalb des eigentlichen Sendegebiets und auf Urlaubsreisen weiter Liebhaber findet, da sie physikalisch bedingt nachts eine hohe Reichweite bietet. Sie bleibt vorerst eine einfache Möglichkeit, um ein Programm des Bayerischen Rundfunks auch außerhalb Bayerns zu empfangen.
Ende der 90er-Jahre steigt jedoch die Konkurrenz durch neue digitale Sende- und Empfangstechniken weiter an. Digitalradio DAB startet in Bayern 1999 als Regeldienst und bietet parallel zu UKW neue Programmangebote und Zusatzdienste beim Radiohören. Seit 1. September 2005 werden die Radioprogramme der ARD auch per DVB-Radio über Satellit übertragen und können so in ganz Europa empfangen werden. Parallel zu den Rundfunktechnologien bietet mittlerweile das Internet weltweit individuellen Zugriff auf Radioprogramme, die als Livestream angeboten werden.
Mehrmaliger Senderwechsel
In den letzten Jahren ändert sich die Belegung der Mittelwelle des BR noch mehrmals. Jetzt nutzt die Sendeanstalt die Mittelwelle gezielt als Verbreitungsweg, um Hörern ohne Digitalempfang einen Zugang zu neuen Programmangeboten zu bieten: Ab 2007 ist das Modul zu hören, ein Programm, aus dem schrittweise die neue Jugendwelle des BR mit Sendungen wie Bavarian Open Radio und schließlich on3radio hervorgeht, das inzwischen PULS heißt. Ab 2011 sendet der BR Bayern plus mit Schlagern und Volksmusik auf seinen Mittelwellenfrequenzen.
Eine Ära geht zu Ende
Zum 30. September diesen Jahres schaltet der BR seine vier Mittelwellensender in München-Ismaning und am Dillberg sowie in Würzburg und Hof ab. Die dann noch verbleibenden aktiven Mittelwellensender der ARD werden bis Jahresende ebenfalls eingestellt. Die Übertragung von Radioprogrammen über Mittelwelle ist technisch längst überholt und aufgrund der hohen Strom- und Wartungskosten für die Sender- und Antennenanlagen auch verhältnismäßig teuer.
DAB+
Das dabei eingesparte Geld fließt in den Ausbau des Sendernetzes des modernen Digitalradio DAB+. Pünktlich zur Abschaltung der Mittelwelle werden die drei neuen Standorte Eichstätt, Pfronten und Treuchtlingen fertig und erweitern das Digitalradio-Sendernetz des BR (Kanal 11D), das dann schon 39 Standorte umfasst. Außerdem werden noch weitere Senderstandorte bis Jahresende in Betrieb gehen. DAB+ ermöglicht es, alle zehn Hörfunkprogramme des BR sowie Regionalsendungen in ausgezeichneter digitaler Empfangs- und Tonqualität zu hören. Auch Bayern plus, das letzte Mittelwellenprogramm des BR, ist über Digitalradio in weiten Teilen Bayerns zu empfangen. Alternative Empfangswellen für die Schlagerwelle des BR gibt es über Satellit, Digitalkabel und im Internet.
Kurz vor der Abschaltung