Lebenstraum Klettern mit 70 Jahren Silver Climbing im siebten Grad
Ihr ganzes Leben lang hat Michaela Mrazkova vom Klettern geträumt. Mit 67 Jahren erfüllt sich die Nürnbergerin ihren Lebenstraum. Und zeigt: Es ist nie zu spät.
Mit fließenden Bewegungen klettert Michaela Mrazkova im Vorstieg nach oben, mit kraftvollen Armzügen und mühelosen Drehungen in der Hüfte.
Das blonde Haar hat die 73-Jährige zu einem Zopf gebunden und ihre blauen Augen strahlen, wenn sie von ihrem Herzenssport erzählt. Ihr ganzes Leben lang hatte sie vom Klettern geträumt. Doch früher war dafür weder Zeit noch Geld da. Nachdem Michaela Mrazkova in den 90er Jahren von Tschechien nach Nürnberg gezogen war, standen die vier Kinder, Arbeit und Haushalt im Vordergrund. Erst als Rentnerin trifft sie beim Wandern zufällig jemanden, der sie erstmals zum Klettern ins Elbsandsteingebirge mitnimmt: „Das war ein ganz tolles Erlebnis und danach habe ich mich für einen Kletterkurs beim DAV Nürnberg angemeldet“, erzählt sie rückblickend. Das war vor vier Jahren. Seitdem hält ihre Kletter-Begeisterung ungebrochen an. Jede Woche trifft sich Michaela Mrazkova mit der Klettergruppe des DAV Nürnberg, verbringt ihre Urlaube am Fels und klettert im Schwierigkeitsgrad 7. Sie mag die Herausforderung und so probiert sie immer wieder gerne neue Routen aus.
Klettern fördert Beweglichkeit im Kopf und in den Gliedern
Es ist ungewöhnlich, dass jemand erst als Rentnerin oder Rentner mit dem Sportklettern beginnt. Auch Michaela Mrazkova hatte anfangs großen Muskelkater und nachts schmerzten die Arme. Doch mittlerweile hat sich ihr Körper angepasst und ist gut durchtrainiert. Klettern ist aber nicht nur ein körperlicher Sport, sondern auch ein Denk-Sport, fördert die Beweglichkeit im Kopf und in den Gliedern. Konzentriert steht Michaela Mrazkova vor einer neu geschraubten Route in der Nürnberger Kletterhalle BAMBULE. Mit den Augen sucht sie die Griffe und Tritte ab, überlegt mit welchen kraftsparenden Techniken sie am besten vorwärts kommen wird. „Man muss sich sehr konzentrieren, so dass alle anderen Sorgen aus dem Kopf verschwinden. Ich kann es jedem nur empfehlen“, sagt die ambitionierte „Silver-Climberin“. Außerdem gefällt ihr am Sportklettern, dass sie viele nette Menschen kennengelernt und gute Freunde gewonnen hat. Manchmal nimmt die mehrfache Oma auch ihre Enkel mit zum Klettern. Denn es ist eine schöne gemeinsame Unternehmung, die allen Freude macht und darüber hinaus das Selbstbewusstsein stärkt. „Die Kinder strahlen sehr, wenn sie eine Herausforderung gemeistert haben. Ich freue mich für jeden, der etwas schafft“, sagt die 71-Jährige.
BAMBULE: Die größte Kletterhalle in Nürnberg
Etwas geschafft haben auch Kay Martin und Leon Schmitt. Vor kurzem haben sie die BAMBULE eröffnet, die größte Kletterhalle in Nürnberg, die auch Michaela Mrazkova regelmäßig besucht. Die beiden Wahl-Franken haben damit eine Millionen-Investition in wirtschaftlich unsicheren Zeiten gewagt. Sie haben sich ihren Traum erfüllt, ein abwechslungsreiches Angebot zu schaffen für Anfänger ebenso wie für leistungsorientierte Kletterer, für Kinder genauso wie für ältere Menschen.
Klimafreundliche Kletterhalle mit regenerativer Energie
Michaela Mrazkova im Kletterurlaub in Kroatien
Mit der Kletterhalle BAMBULE wollen sie außerdem für Klimaschutz und Familienfreundlichkeit ein Zeichen setzen. Das Gebäude wird weitestgehend autark mit regenerativer Energie versorgt und es gibt Kletterkurse schon ab vier Jahren sowie einen großen Spielbereich. Ihr Respekt gilt auch den ambitionierten „Silver-Climbern“, die die Kletterleidenschaft in der zweiten Lebenshälfte ganz und gar ausleben: „Es ist absolut bewundernswert, dass Michaela mit 73 Jahren noch so agil ist“, sagt Leon Schmidt, und Kay Martin hofft, dass sie in dem Alter auch noch so viel Spaß am Klettern haben werden: „Klettern ist nun mal was, das uns alle hier verbindet und nicht nur die Kletterleistung von Michaela ist beeindruckend, sondern auch wie sie ihr ganzes Leben gemeistert hat.“
Kraft und Improvisation - beim Klettern wie im Leben
Nicht nur in schwierigen Kletterpassagen findet Michaela Mrazkova eine Lösung, um weiterzukommen. Auch das Leben hat ihr immer wieder viel Kraft und Improvisation abverlangt, beispielsweise als Mitte der 1990er Jahre ihr Hochschulabschluss als Chemie- und Physiklehrerin in Bayern nicht anerkannt wurde und sie sich und ihre vier Kinder mit anderen Arbeiten durchbringen musste. Bleibt zum Schluss noch die Frage, warum sie schon ein Leben lang vom Klettern träumte und es im Alter dann endlich verwirklich hat? „Ich liebe die Berge, ich gehe gerne nach oben und es tut mir einfach gut. Ich bewundere die Natur, die Bäume und die Felsen und als ich dort Kletterer gesehen habe, dachte ich bewundernd: Toll, was die da schaffen! Das möchte ich auch.“