Grenzwanderung über die Winklmoosalm Eine Menge Geschichten
Reit im Winkl - schon der Name lässt vermuten, dass sich eine Menge Geschichten verbergen hinter diesem etwas abgelegenen Ort in den bayerischen Voralpen. Mit einer Wanderung über die Winklmoos-Alm beginnt eine Spurensuche: Das weitläufige Almgebiet auf rund 1100 Metern Höhe ist zwar mit den Skiliften hinüber zur Steinplatte auf Tiroler Seite gut erschlossen und man kann sogar mit dem Auto hochfahren.
Aber das bei Touristen beliebte Ziel hat auch seine weniger bekannten Seiten. Mit dem 88-jährigen Sepp Haslberger gibt es einen Gebietskenner, der Bescheid weiß.
Wir sind erst ein paar Schritte gegangen, da deutet Sepp Haslberger schon in Richtung des 300 Meter entfernten Waldrands: Dort zieht sich in einer imaginären Linie die Landesgrenze entlang. Die 200 Jahre alten Grenzsteine sind unser erstes Ziel. Sepp Haslberger war Lehrer, dann hat er mit Schneeschuhtouren angefangen und jetzt engagiert er sich - immer noch fit mit seinen 88 Jahren - als Ganzjahres-Kulturwanderführer in Reit im Winkl. Es macht Spaß, mit ihm auf der Winklmoosalm unterwegs zu sein, auch wenn der volle Parkplatz, die Gaststätten, Hotels und Liftstationen erst einmal gewöhnungsbedürftig sind. Doch der Sepp lehrt auch gleich genauer hinzuschauen. Zum Beispiel auf die Pflanzen wie Knabenkraut und Wollgras und damit auf die kleinen und größeren Moorflächen, die zwischen den Viehweiden und Skipisten liegen.
Der Schellen-Unter sticht
Von der sattgrünen und mosaikartigen Landschaft ist der Sepp ganz hingerissen. So wie wohl auch der Bayernfürst anno dazumal, als es wieder einmal darum ging, den Grenzverlauf festzulegen. Im Unterwirt in Reit im Winkl zeigt eine historische Szene drei Herrscher beim Kartenspiel: Es sind die Regenten von Bayern, Tirol und Salzburg. Während der Salzburger Fürstbischof sein Pech im Spiel mit herrschaftlicher Gelassenheit trägt, flucht der Tiroler und der Bayer zeigt den Trumpf her - einen Schellen-Unter, der wegen dieser Legende auch zum geheimen Wappen der Reit im Winkler wurde. Es muss also ein Wenz gewesen sein, für alle Schafkopf-Kenner. Anno dazumal - das wäre 1815 nach den napoleonischen Kriegen gewesen; aber wie so oft entbehrt auch diese gute Geschichte wohl ihres wahren Gehalts.
Die Grenze ist gut markiert
Der Grenzverlauf allerdings ist mit historischen Steinen markiert bis hinauf auf den Scheibelberg, wo die drei Wappen von Bayern, Tirol und Salzburg auf dem Stein abgebildet sind. Hier führt ein Skilift hinüber zur Steinplatte. Jetzt weiden Pferde und Runder auf der Piste. Das andere nahe Ziel auf der Grenze ist das gegenüberliegende Dürrnbachhorn, landschaftlich reizvoller, weil weiter weg von all der Infrastruktur. Noch heute ist zu spüren, wie einst im Mittelalter die Menschen in diesen Bergurwald vorgedrungen sind.
Der sprechende Name Winklmoos
Vor 800 Jahren, so berichtet Sepp Haslberger, sind erstmals Menschen ins Tal gekommen und haben gerodet - „gereutet“, wie es damals hieß. Die davon abgeleiteten Namen mit Reit oder Reut sind weit verbreitet, weswegen dieses Reit den Zusatz im Winkl bekam, da es doch an drei Seiten von Bergen umgeben ist. Und das Moos, der bayerische Begriff für Moor, auf dem Hochplateau bei Reit, war dann eben das Winklmoos. Unsere Tour über das wellige Plateau des Winklmooses zeigt auch den erstaunlichen Wechsel der Landschaftselemente: Neben einer Sumpfwiese, wachsen krumme Latschen und Alpenrosen auf dem Moorboden, dann stehen Kühe auf der Weide. Magdalena Bahr ist als Gebietsbetreuerin im Achental für dieses Gebiet zuständig und stolz auf den hohen naturschutzfachlichen Wert. Intensive Pistennutzung, extensive Almwirtschaft, Sommerfrische und hochwertiges Moorgebiet - alles funktioniert hier gut miteinander. Durch den vielen Regen lebt die Winklmoosalm in diesem Sommer besonders auf: Ein sattes Grün breitet sich hier aus mit dem schroffen Bergkamm der Loferer Steinberge im Hintergrund - der Schellen-Unter hat sich für Bayern wahrlich ausgezahlt.