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UNESCO-Weltkulturerbe Wie ein Gefängnis Nürnberg zum Titel verhelfen soll

Im Nürnberger Justizpalast wurde bei den Kriegsverbrecherprozessen Rechtsgeschichte geschrieben. Nun soll er UNESCO-Weltkulturerbe werden. Doch ohne das alte Zellengefängnis, in dem die Angeklagten untergebracht waren, wird das nicht funktionieren.

Von: Michael Reiner

Stand: 20.11.2020 | Archiv

75 Jahre Nürnberger Prozesse: Gerichtssaal und Gefängnis als Weltkulturerbe

Das Nürnberger Zellengefängnis ist mehr als 150 Jahre alt und steht unter Denkmalschutz. Nur noch bei seltenen Führungen werden die Türen geöffnet. Denn der Backsteinbau liegt hinter dicken Mauern in der Nürnberger Justizvollzugsanstalt. Er wird zwar seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt, ist aber nicht frei zugänglich. Weltberühmt wurde das Zellengefängnis vor 75 Jahren.

Gefängnis war mit ein Grund für Nürnberg als Prozessort

Bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen waren in den Einzelzellen die Angeklagten untergebracht. Das Gefängnis war einer der Gründe, warum sich die Alliierten für Nürnberg als Ort für die Kriegsverbrecherprozesse entschieden hatten: Ein ausreichend großes Justizgebäude, das nicht zerstört war, und eine Haftanstalt direkt daneben.

"Das ist das Einzigartige an dem Ort, dass hier das Völkerrecht eine neue Kategorie eingeführt hat, nämlich das Strafrecht als auch mögliche völkerrechtliche Reaktion auf schlimmste Verbrechen. Und dieser neue Gedanke, hat sich in Nürnberg 1945 erstmal materialisiert und hat die Welt und insbesondere das Völkerrecht und die Diplomatie völlig neu erfunden."

Christoph Safferling, Professor für Internationales Straf- und Völkerrecht, Universität Erlangen-Nürnberg

Die Nürnberger Prozesse waren der Beginn des modernen Völkerstrafrechts. Deshalb soll der Justizpalast Weltkulterbe werden. Es ist ein jahrelanger Prozess, bis ein Gebäude in die Liste der UNESCO aufgenommen wird. Doch die Chancen für Nürnberg stünden ganz gut, sagt Christoph Safferling. Er lehrt Internationales Straf- und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg und ist einer der Gutachter, die den Bewerbungsprozess wissenschaftlich begleiten.

Keine rückwärtsgewandte Erinnerung

Blick in den historischen Zellentrakt am Nürnberger Justizpalast

Safferling verweist darauf, dass es insgesamt sehr wenige Weltkulturerbe-Stätten gibt, die sich mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs beschäftigen. "Zum Beispiel ist die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Auschwitz Weltkulturerbe. Und auch das Denkmal in Hiroshima zum ersten Atombombenabwurf." Aus seiner Sicht würde der Nürnberger Justizpalast gut in diese Reihe passen. "Nürnberg erinnert nicht so sehr rückwärtsgewandt an die Verbrechen, sondern an die Möglichkeit des Menschen, durch rechtliche Kriterien diese Verbrechen entsprechend ahnden zu können", sagt er.

Das Zellengefängnis spielt bei der Bewerbung eine wichtige Rolle. Um die Kriterien für eine Weltkulturerbe-Stätte erfüllen zu können, müssen nämlich authentische Orte gezeigt werden. Die Gedenkstätte Memorium Nürnberger Prozesse alleine würde nicht ausreichen, um bei der UNESCO punkten zu können. Und auch im Gerichtssaal 600, in dem die Prozesse stattfanden, finden sich heute kaum noch Zeugnisse aus dieser Zeit.

Der Zellenbau muss zugänglich werden

Deshalb müsse das Gefängnis integraler Bestandteil der Bewerbung sein. Derzeit ist sein Bestand zwar gesichert. Große Stahlstreben halten das Gemäuer. Um die Chancen Nürnbergs auf eine Weltkulturerbe-Auszeichnung zu verbessern, müsste es aber saniert werden. Offen ist noch, ob die Mauern der Justizvollzugsanstalt verlegt werden, damit der Zellenbau Teil der Gedenkstätte wird und besucht werden kann. Oder ob es ausreicht, das Gefängnis zu sanieren und virtuell zugänglich zu machen.

Schon jetzt besuchten vor der Corona-Krise rund 100.000 Menschen aus aller Welt das Memorium Nürnberger Prozesse im Justizpalast. Thomas Dickert, der Präsident des Oberlandesgerichts Nürnberg, rechnet damit, dass die Besucherströme mit dem Weltkulturerbe-Status weiter zunehmen werden. "Dann würde die Bekanntheit des Saals in der Welt noch größer werden", sagt er.

Entscheidung bis 2024

Der bayerische Ministerrat hat sich im Dezember 2019 für eine Bewerbung ausgesprochen. Der Freistaat und die Stadt Nürnberg bereiten derzeit die Bewerbungsunterlagen vor. Jedes Bundesland darf zwei Vorschläge machen. Im Oktober 2021 wählt dann die Kultusministerkonferenz die Kandidaten aus, die im Jahr 2024 bei der UNESCO zum Eintrag in die Liste des Weltkulturerbes vorgelegt werden.


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