Impotenz Erektile Dysfunktion: Was kann helfen?
Sex und Erotik: Wer Probleme hat, in der Liebe seinen Mann zu stehen, ist oft allein. Impotenz oder erektile Dysfunktion kann viele Ursachen haben. Nur wenige trauen sich, sexuelle Probleme offen anzusprechen und zum Arzt zu gehen. Ein Fehler, denn Erektionsprobleme können auf gefährliche Risiken hinweisen und lassen sich oft erfolgreich behandeln.
Zwischen drei und fünf Millionen Männer leiden in Deutschland an Erektionsproblemen oder erektiler Dysfunktion, wie Mediziner sagen. Das sind rund ein Fünftel aller Männer zwischen 30 und 80 Jahren.
Erektion: physiologisch komplexer Vorgang mit Störanfälligkeit
Beim Sex problemlos funktionieren: Die scheinbar natürlichste Sache der Welt ist physiologisch alles andere als einfach. Das komplexe Zusammenspiel von Nervenreizen, unterschiedlichen Botenstoffen, Blutgefäßen und deren Muskulatur kann durch viele unterschiedliche, psychische und organische Ursachen beeinträchtigt sein. Und das hat Auswirkungen, wenn der Sex beginnt - und zwar im Kopf.
"Das wirklich große Sexualorgan ist der Kopf, er stimuliert. Der Penis ist dann das ausführende Organ. Doch wenn der Penis von seiner Struktur her ein organisches Problem hat, dann kann man natürlich noch so viele Stimuli haben, die Erektion wird nicht aufgebaut werden."
Prof. Dr. med. Georgios Hatzichristodoulou, Urologe, Krankenhaus Martha-Maria Nürnberg
Wie kommt es zu einer Erektion?
Der Penis besteht aus extrem variablen Blutgefäßen in den Schwellkörpern, die umgeben sind von sogenannter glatter Muskulatur. Also Muskeln, die willkürlich nicht gesteuert werden können. Die Muskeln sind im Ruhezustand normalerweise angespannt. Reize aus dem Gehirn führen dazu, dass in den Schwellkörpern eine komplexe Kaskade von Botenstoffen ausgelöst wird. Die Folge: Die glatte Muskulatur des Schwellkörpergewebes und der Arterien entspannt sich, es fließt zwanzig bis vierzig Mal mehr Blut durch die Gefäße. Die Schwellkörper füllen sich und verhindern damit gleichzeitig den Blutabfluss. Eine Erektion baut sich auf.
Erektionsprobleme: Wann zum Arzt?
Treten wiederholt über einen Zeitraum von einem halben Jahr in mehr als der Hälfte der Versuche Erektionsprobleme auf, sollten Männer unbedingt zum Arzt. Den Problemen auf den Grund zu gehen ist wichtig, denn hinter Erektionsproblemen können sich neben psychischen auch schwerwiegende organische Erkrankungen verbergen - wie beispielsweise Diabetes, oder Herzkreislauf-Erkrankungen.
Erektionsprobleme: Psychische Gründe
Psychische Gründe, die für Probleme verantwortlich sein können, sind:
Angst, Depressionen, Unerfahrenheit, sexuelle Mythen, Stress und Streit
Erektionsprobleme können oft Warnungen für ernste Gesundheitsrisiken sein. Die Gefäße des Penis haben einen Durchmesser von ein bis zwei Millimetern, die koronaren Herzgefäße dagegen einen Durchmesser von drei bis vier Millimetern. Gefäßerkrankungen und Störungen verursachen in den Arterien des Penis deutlich früher Probleme als zum Beispiel im Herzen. Schon längere Zeit vor einem Herzinfarkt oder Schlaganfall können deshalb bereits Erektionsprobleme auftreten. Sie sollten daher unbedingt ärztlich abgeklärt werden.
Erektile Dysfunktion: Diagnose bezahlen die Krankenkassen
Die Kosten der Diagnose einer erektilen Dysfunktion wird von den Krankenkassen übernommen. Dabei handelt es sich auch nicht um eine sogenannte Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL). Patienten sollten sich auch nicht damit zufriedengeben, lediglich ein Rezept für Tabletten zu bekommen.
Impotenz und Erektionsprobleme nach Prostata-OP
Bei Manfred R. begannen die Probleme nach seiner Prostata-Operation. Er ist einer von bis zu 30.000 Männern, denen jedes Jahr die Prostata entfernt wird. Viele haben danach sexuelle Probleme.
"Die erste Frage nach der Operation war, geht ein Orgasmus noch? Das war für mich fast die wichtigste Frage. Ich habe das ausprobiert, nachdem ich zu Hause war und das hat tatsächlich funktioniert. Aber die Erektion klappte nicht, der Penis war einfach wie in seinem normalen Zustand. Also die positive Aussage: Orgasmus geht. Aber Penetration oder Erektion gehen nicht. Ich habe das ganz offen mit meiner Frau besprochen und dann war natürlich die Frage, was kann man machen."
Manfred R.
Erektile Dysfunktion und Tablettentherapie: Kein Wundermittel für alle Probleme
1998 kam der erste Wirkstoff Sildenafil unter dem Namen Viagra auf den Markt, damals eine Sensation: Endlich gab es ein wirksames Mittel im Kampf gegen erektile Dysfunktion. Einem Großteil der Patienten können Medikamente zumindest teilweise helfen.
Inzwischen gibt es mehrere unterschiedliche Wirkstoffe, die aber alle ähnlich aufgebaut sind. Sie unterscheiden sich vor allem darin, wie schnell der Wirkstoff zur Verfügung steht und wie lange er wirkt. Aber das funktioniert nur, wenn der Mann bereits sexuell stimuliert ist und die Nervenbahnen intakt sind. Das ist gerade bei Männer nach einer Prostata-Operation oft nur eingeschränkt oder gar nicht der Fall. Und:
"Wenn eine erektile Dysfunktion einmal begonnen hat, ist das ein Prozess, der in der Regel in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten schlechter wird. Das liegt daran, dass sich die Struktur des Gewebes im Penis verändert. Wenn die Patienten Tabletten einnehmen, brauchen sie diese dann in der Regel auch langfristig. Es kann auch sein, dass die Tabletten irgendwann nicht mehr dieselbe Wirkung zeigen wie zu Beginn. Und dann muss man die Tabletten höher dosieren, auf Alternativpräparate wechseln oder auch die Therapie ganz verändern."
Prof. Dr. med. Georgios Hatzichristodoulou, Urologe, Krankenhaus Martha-Maria Nürnberg
Tabletten gegen erektile Dysfunktion
Welche Tabletten gibt es?
PDE-5-Hemmer sind heute die bekanntesten und gängigsten Tabletten. Es gibt inzwischen mehrere Wirkstoffe und auch Generika: zum Beispiel Sildenafil, Vardenafil, Avanafil und Taladafil. Sie alle ähneln sich in Aufbau und Wirkung. Bevor es PDE-5-Hemmer gab, wurden Tabletten mit dem Wirkstoff Yohimbin eingesetzt, die heute noch bei leichten und psychisch bedingten Potenzproblemen verordnet werden.
PDE-5-Hemmer: So wirken sie
Die Wirkung setzt an bei dem Botenstoff cGMP, der durch Nervenreize aus dem Gehirn in den Schwellkörpern aus Stickstoffoxid gebildet wird und für die Entspannung der Gefäßmuskulatur sorgt.
Abgebaut wird cGMP durch das Enzym PDE-5. Wirkstoffe der Tabletten blockieren diesen Abbau. Die Folge: Der Botenstoff reichert sich an, die Erektion verstärkt sich.
PDE-5-Hemmer: Welche Voraussetzungen und Nebenwirkungen gibt es?
Die Tabletten wirken nur, wenn die Nervenbahnen, die die Erektion beeinflussen, intakt sind und eine sexuelle Stimulation erfolgt ist. Das sexuelle Verlangen selbst wird nicht gesteigert. Deshalb sind die Tabletten auch kein potenzsteigerndes Mittel.
Die Tabletten sind gut verträglich und haben nur wenige Nebenwirkungen, wie zum Beispiel den sogenannten Flush, den roten Kopf oder rote Ohren, verstopfte Nase, Sodbrennen oder Rückenschmerzen. Studien belegen, dass die Wirkstoffe unbedenklich eingenommen werden können, wenn die Kontraindikationen beachtet werden. Die beziehen sich vor allem auf bestimmte andere Medikationen. Die Einnahme sollte auf jeden Fall nur mit ärztlicher Verordnung erfolgen.
PDE-5-Hemmer: Worin besteht der Unterschied der Wirkstoffe
Der Unterschied liegt im eigentlichen Wirkzeitfenster. Das heißt, die einen fluten schneller an, sind also schneller präsent, die Wirkung tritt schneller ein. Bei anderen dagegen hält die Wirkung sehr viel länger an. Es gibt Tabletten, die schon nach einer halben Stunde wirken, dann aber vielleicht nur sechs oder sieben Stunden anhalten. Und es gibt Tabletten, die erst nach zwei Stunden wirken, dafür aber 36 Stunden anhalten.
Was kosten sie?
Bezahlen müssen Patienten die Tabletten selbst. Am günstigsten sind Generika, sogenannte Nachahmerprodukte. Die gibt es, neben den deutlich teureren Originaltabletten, bereits für den Wirkstoff Sildenafil, da der Patentschutz für Viagra 2013 ausgelaufen ist. 50 Milligramm Wirkstoff, für viele eine ausreichende Menge für eine Anwendung, kosten wenige Euro. Allerdings sollten die rezeptpflichtigen Tabletten ausschließlich in der Apotheke gekauft werden. Ärzte warnen dringend davor, dubiose Quellen im Internet zu nutzen.
Erektile Dysfunktion: Welche Therapien gibt es?
Psychotherapie
Lassen sich organische Gründe ausschließen und sind die Probleme psychischen Ursprungs, können Sexualberatungsstellen und eventuelle auch eine Psychotherapie weiterhelfen. Auch mit Medikamenten kombinierte Therapien sind möglich.
Hormone
Auch ein Hormonmangel kann eine erektile Dysfunktion verursachen. Der Hormonmangel muss unbedingt von einem Arzt durch mehrere Messungen festgestellt werden. Die Hormone können anschließend auf unterschiedliche Weise verabreicht werden, zum Beispiel durch Gels, die auf die Haut aufgetragen werden oder durch Spritzen.
Vakuumpumpe
Medizinische Pumpen sind zwar etwas umständlich, haben aber kaum Nebenwirkungen. Nachdem durch den Unterdruck Blut in die Schwellkörper des Penis geflossen ist, wird mit einem Ring der Blutabfluss verhindert.
SKAT (Schwellkörper-Auto-Injektions-Therapie) und Gel
Spritze in einen Schwellkörper: Es genügt eine Injektion, da beide Schwellkörper wie kommunizierende Röhren miteinander verbunden sind. Zusätzlich gibt es einen Wirkstoff, der lokal über die Harnröhre direkt in den Penis in Form eines einzelnen Tropfens Gel eingeführt wird.
Stoßwellentherapie
Seit kurzer Zeit werden auch bei erektiler Dysfunktion Stoßwellen als Therapie eingesetzt. Ziel sind eine bessere Durchblutung und Gefäßsituation im Penis und die Regeneration von Nervenbahnen. Allerdings gibt es nur wenige Daten dazu, die Therapie muss selbst bezahlt werden und wird nur von wenigen Ärzten angeboten.
Penis- oder Schwellkörperimplantat: hilfreiche Operation
Für Männer, bei denen die konservativen Therapien nicht oder nicht mehr anschlagen, gibt es seit inzwischen 50 Jahren noch die Möglichkeit der Operation eines Penis- oder Schwellkörperimplantats. Die Operation wird von den Krankenkassen übernommen. Besonders wichtig ist, dass der Eingriff in einem spezialisierten Zentrum vorgenommen wird, das über die notwendige Erfahrung verfügt. Die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung liegen damit bei über 95 Prozent, berichtet Professor Hatzichristodoulou.
"Wenn das jemand macht mit Erfahrung, dann dauert die Operation maximal eine Stunde. Dann ist das Implantat eingebaut, der Eingriff beendet. Man muss keine Angst davor haben, es kann nichts Schlimmes passieren. Der Patient kann danach ganz normal weiterleben. Wichtig ist: Bei dieser Operation wird das Schwellkörpergewebe nicht entfernt, sondern nur an die Seite gedrängt, um Platz für das Implantat zu schaffen. Die Nerven, die für das Gefühl des Penis, auch für das Orgasmusgefühl zuständig sind, werden überhaupt nicht beeinträchtigt. Das heißt, das Gefühlsempfinden, auch das Orgasmusgefühl, das Gefühl an der Eichel am Penis bleibt auch mit Implantat erhalten."
Prof. Dr. med. Georgios Hatzichristodoulou, Urologe, Krankenhaus Martha-Maria Nürnberg
Und es gibt noch eine Nachricht, die vor allem für Männer nach einer Prostataentfernung wichtig ist.
"Die Nervenbahnen, die bei der radikalen Prostatektomie verletzt oder beeinträchtigt werden können, diese Nerven führen beim gesunden Mann zur Erektion. Aber die Nerven, die für das Gefühl zuständig sind, auch für das Orgasmusgefühl, die verlaufen ganz woanders. Das bedeutet, auch Patienten nach radikaler Prostatektomie können wir durch die Implantation des Schwellkörperimplantats helfen, wieder suffiziente Erektionen zu bekommen und so Lebensqualität zurückzugewinnen."
Prof. Dr. med. Georgios Hatzichristodoulou, Urologe, Krankenhaus Martha-Maria Nürnberg
Selbsthilfe und erektile Dysfunktion
Die Selbsthilfegruppe erektile Dysfunktion hat Manfred R. nach seiner Operation geholfen, mit seinen Problemen umgehen zu können. Inzwischen leitet er die Münchner Gruppe gemeinsam mit zwei anderen Männern. Sie geben online Informationen weiter, sind bereit für Gespräche und treffen sich monatlich persönlich. Mit Männern zu reden, die ähnliche Probleme haben, ist für viele eine enorme Hilfe, gerade wenn es um Anlaufstellen, mögliche Therapien und ihre praktische Anwendung im Alltag geht.
"Ich habe über die Selbsthilfe eigentlich zu mir selbst gefunden. Am Anfang war es wirklich schwierig, mit der Impotenz umzugehen. Es hat Mut bedurft, aber ich war auch unter entsprechend großem Leidensdruck. Und ich glaube, das sind viele Männer. Nehmen Sie solche Gelegenheiten wahr, egal, ob Sie telefonieren oder eine E-Mail schreiben. Sprechen Sie mit anderen darüber, wenn Sie wissen, die sind offen für das Thema. Diese Menschen muss man natürlich finden. Deswegen bin ich heute immer noch in der Selbsthilfegruppe, weil das für mich damals ein richtiger Augenöffner war: Die Möglichkeit zu haben, mit anderen Männern ungestört und auf Augenhöhe das Problem zu diskutieren. Das war für mich eine enorme Hilfe. Die anderen Männer gehen ganz offen mit dem Problem um, sagen, was funktioniert, was nicht funktioniert. Und diese Offenheit ist ansteckend."
Manfred R., Impotenz-Selbsthilfe.de