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Gesundheitsrisiko Viszeralfett Gefährliches Bauchfett – was hilft?

Frau Baumgardt ist schlank, vital und rüstig. Dass sie ein hohes Risiko hat, an Diabetes zu erkranken, sieht man ihr nicht an. Herr Fees ist sogar sehr schlank – trotzdem hat er eine beginnende Fettleber. Schuld ist bei beiden der Bauch bzw. das innere Bauchfett – das sogenannte Viszeralfett. Problem: Diese innere Verfettung sieht man nicht und sie steht im Zusammenhang mit einer Reihe von Erkrankungen.

Von: Julia Richter

Stand: 03.10.2022

Frau zeigt ihren Bauch | Bild: BR/Julia Müller

Gertraude Baumgardt ist eine schlanke, sportliche Frau, Mitte 70. Trotzdem lebt sie gefährlich. Schuld ist ihr Bauch.

"Ohne die acht Kilometer, die ich jeden Tag laufen sollte, müsste ich schon längst Tabletten nehmen und käme ohne sie überhaupt nicht mehr aus."

Gertraude Baumgardt

Auch bei Siegfried Gwinner gilt: Der Bauch muss weg. Er gehört zu den Menschen, die einen Bauch haben, also sichtbar übergewichtig sind.

"Der Ranzen ist einfach zu fett und drückt nach oben. Das führt zu einer gewissen Kurzatmigkeit und die möchte ich einfach beseitigen."

Siegfried Gwinner

Inneres Bauchfett kann jeden treffen

Beide haben dasselbe Problem: viszerales Bauchfett. Treffen kann es Schlanke und Dicke gleichermaßen. Der Diabetologe und Endokrinologe Prof. Norbert Stefan vom Uniklinikum in Tübingen gehört zu den bekanntesten Forschern auf dem Gebiet „Inneres Bauchfett“:

"Das Viszeralfett sitzt innerhalb des Bauches. Es umschließt viele wichtige Organe. Das Viszeralfett gibt Botenstoffe an das Blut ab und somit entstehen Erkrankungen, wie nicht-alkoholische Fettleber, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber auch bestimmte Krebserkrankungen."

Prof. Dr. med. Norbert Stefan, Diabetologe/Endokrinologe, Uniklinikum Tübingen

Der Bauch besteht aus verschiedenen Fetten - dem normalen Unterhautfettgewebe, also dem subkutanen Fett, das direkt unter der Haut liegt und dem viszeralen Fett tief im Inneren des Bauchraums. Dieses lagert zwischen und in den Organen und sendet Botenstoffe.

Wie erkenne ich gefährliches Bauchfett?

Ein erster wichtiger Hinweis ist Übergewicht. Trotzdem kann auch jemand mit einem niedrigen oder normalen BMI gefährdet sein. Deswegen ist Messen sinnvoller als wiegen, denn der Bauchumfang ist entscheidend. Bei Männern gilt ein Umfang ab 94 cm als riskant – ab 102 cm als gefährlich. Bei Frauen wird ein Bauchumfang ab 80 cm als kritisch bewertet.

Auch die Körperform ist entscheidend: Gefährdet sind vor allem „Apfeltypen“, also Menschen mit eher schlanken Beinen und einem prallen Bauch. Männer sind häufiger betroffen als Frauen – Frauen trifft es vor allem nach den Wechseljahren, wenn sich die Fettverteilung im Körper ändert. Weniger gefährdet sind sogenannte „Birnentypen“, das sind Menschen, die das Fett eher an Beinen, am Po und an der Hüfte anlagern.

Bei Herrn Gwinner ist der Wert mit 112 cm deutlich erhöht. Und die Blutwerte zeigen, dass das Fett im Körper schon zu Folgeerkrankungen geführt hat. Der Patient muss Blutdrucksenker nehmen. Bei Gertraude Baumgardt war es ein zufälliger Zuckertest, der den entscheidenden Hinweis auf das Bauchfett geliefert hat. So einen Test bekommt man ab 35 Jahren im Check-Up beim Hausarzt.

"Und da stellte sich heraus, dass der Test erhöht ist und ich eine Vorstufe von Diabetes Zwei habe und das hat mich ganz schön geschockt. Ich fühlte mich gesund, und alle um mich herum waren der Meinung ich sei gesund, und trotzdem war ich es nicht."

Gertraude Baumgardt, Patientin

Genau solche schlanken Patienten fallen oft durch das Raster.

"Das Problem bei diesen schlanken Kranken ist, dass sie in der ärztlichen Untersuchung als Normalgewichtig dargestellt werden. Allerdings leicht erhöhte Blutzucker- und Blutdruckwerte sind ein erstes Signal, dass diese Menschen ein hohes Risiko haben für bestimmte Erkrankungen und leider werden diese Warnsignale sehr spät wahrgenommen."

Prof. Dr. med. Norbert Stefan, Diabetologe/Endokrinologe, Uniklinikum Tübingen

Auch Rainer Fees ist so ein unauffälliger Patient – auf den ersten Blick. Aber ein Ultraschall beim Check-Up zeigt: Er hat bereits eine beginnende nichtalkoholische Fettleber. Schuld daran ist der Bauch.

Viszeralfett: Inneres Fett macht krank

Mit Hilfe der Kernspintomografie kann man die gefährlichen Fettzellen im Bauchraum sichtbar machen.

"Man sieht hier das Unterhautfettgewebe außen dargestellt - weiß – und innen sehen wir das innere Bauchfett. Das ist das gefährliche Fett. Wir sehen, wie es sich hier um die Organe um die Nieren lagert, aber auch um das Pankreas - die Bauchspeicheldrüse. Und das ist eben das gefährliche Fett."

Prof. Dr. med. Norbert Stefan, Diabetologe/Endokrinologe, Uniklinikum Tübingen

Leipziger Gewebebank: Forschung zu unterschiedlichen Körperfetten

An der Uniklinik Leipzig gibt es die weltweit größte Fettgewebebank. Prof. Dr. Matthias Blüher erforscht, was das Bauchfett so gefährlich macht. Lange dachte man, dass Fett sei eine Art passive, träge Masse im Körper. Heute weiß man: Das Fett ist äußert aktiv und sendet unablässig Hormone und Botenstoffe.

"Es wird zum Beispiel vermehrt das Hormon Leptin vom viszeralen Fettgewebe produziert und das signalisiert dem Hirn Sättigung. Wenn es zu viel produziert wird, schützt sich aber das Hirn davor und es kann nicht mehr gut wirken. Sättigung findet dann nicht mehr so gut statt oder wird nicht mehr gut reguliert. Menschen nehmen zu und das Bauchfett wird immer mehr."

Prof. Dr. med. Matthias Blüher, Leiter Adipositas Zentrum, Leipzig

Ein Teufelskreis beginnt. Daneben gibt es in den Fettzellen andere krankheitsfördernde Substanzen – sogenannte Zytokine:

"Zytokine sind entzündungsfördernde Botenstoffe, die auch vermehrt bei viel Bauchfett ausgeschüttet werden und damit auch indirekt zu entzündlichen Erkrankungen – wie entzündlichen Darmerkrankungen, Asthma und Schuppenflechte beitragen können."

Prof. Dr. med. Matthias Blüher, Leiter Adipositas Zentrum, Leipzig

Die Forschung geht davon aus, dass der Anteil an „innerem Bauchfett“ vor allem genetisch bedingt ist. Allerdings wird er auch von anderen Faktoren beeinflusst, von dem, was wir essen beispielsweise, oder wie viel wir uns bewegen. Aber auch Umwelteinflüsse wie Weichmacher haben vielleicht einen Einfluss auf die Entstehung des gefährlichen Fetts.

Was hilft gegen das Bauchfett?

Die gute Nachricht: Man kann dem Bauchfett an den Kragen – mit der richtigen Ernährung. Neueste Studien zeigen, dass vor allem Intervallfasten hilft:

"Beim Intervallfasten sollte tatsächlich 16 Stunden gefastet werden, also nichts gegessen werden und in den übrigen acht Stunden sollte man dann auf eine ausgewogene Ernährung achten. Sprich: Die Sahnetorte sollte auch da keinen Platz haben. Das führt dazu, dass im Körper die Insulinspiegel nach unten gehen können. Dann werden im Körper Mechanismen aktiv, die sogenannte Lipolyse. Das heißt, Fettsäuren können dann gelöst und abgebaut werden."

Dr. hum. sc. Corinna Dannecker, Ernährungswissenschaftlerin, Uniklinikum Tübingen

Seit kurzem weiß man: Eine Low-Carb-Ernährung ist besonders wirksam gegen Bauchfett. Heißt: Kohlenhydrate wie Pasta, Brot und Süßes werden vom Essensplan gestrichen. Ein gesunder Snack: Nüsse. Am besten in ungesalzener Form; Hasel,- Wal- oder Paranüsse sind besonders gut. Die darin enthaltenden entzündungshemmenden Omega-3-Fettsäuren unterstützen den Fettabbau – allerdings sollte es nicht mehr als eine kleine Hand voll am Tag sein.

Unverzichtbar: Bewegung. Eine ganz aktuelle Studie aus Leipzig hat untersucht, welcher Sport am besten wirkt. Die Probanden haben zwei Jahre lang jeweils nur Ausdauer oder nur Kraftsport betrieben.

"Sowohl Ausdauersport als auch Kraftsport sind sehr effektiv in der Verminderung des gefährlichen Bauchfetts. Aber es scheint so zu sein, dass es Menschen gibt, vielleicht aufgrund der Veranlagung, die eben mehr von Kraftsport profitieren als von Ausdauersport und das muss man eben ausprobieren für sich selbst."

Prof. Dr. med. Matthias Blüher, Leiter Adipositas Zentrum, Leipzig

Siegfried Gwinner kommt inzwischen auf vierzehntausend Schritte am Tag – und die Bewegung schlägt an.

"Leider kann man das viszerale Bauchfett nicht wegoperieren oder absaugen. Als einziges übrig bleibt eine Lebensstiländerung mit vermehrter sportlicher Aktivität und einer gesunden Ernährung."

Prof. Dr. med. Norbert Stefan, Diabetologe/Endokrinologe, Uniklinikum Tübingen

Bei Gertraude Baumgardt ist das Viszeral-Fett inzwischen deutlich geschmolzen seit dem ersten Besuch in der Klinik. Sieben Kilo hat sie verloren und sogar im MRT sieht man, dass das innere Bauchfett deutlich zurückgegangen ist. Und deswegen bleibt sie dabei: Sie hat ihre Ernährung grundlegend umgestellt, betreibt Intervallfasten, isst extrem viel Gemüse und andere Ballaststoffe und schafft jeden Tag mindestens 8000 Meter. So läuft Gertraude Baumgardt dem Diabetes im wahrsten Sinne des Wortes davon.


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