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Einbildung mit Folgen Hypochondrie – eine ernstzunehmende Erkrankung

Sie werden belächelt, ihre Ängste und Sorgen einfach abgetan. Dabei ist Hypochondrie eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Die Betroffenen leiden häufig unter Angststörungen und Depressionen. Doch es gibt Hoffnung.

Von: Florian Heinhold

Stand: 11.11.2024

Einbildung mit Folgen: Hypochondrie: eine ernstzunehmende Erkrankung

Bei einer hypochondrischen Störung empfinden Patientinnen und Patienten einen extremen Leidensdruck. Sie spüren oft schwere Symptome, für die aber keine körperliche Ursache gefunden werden kann. Viele durchlaufen eine Odyssee von Arzt zu Arzt. Dabei kann Betroffenen mit der richtigen Therapie meist gut geholfen werden.

Nicht selten wollen Betroffene anonym bleiben. So auch ein junger Münchner, der unter schwersten Krankheitssymptomen leidet. Sie beherrschen seinen Lebensalltag.

"Da hat es mir komplett die Schuhe ausgezogen, ich habe nicht mehr atmen können, ich konnte mich so gut wie gar nicht mehr bewegen. Ich habe das Zittern angefangen, über meine Augen hat sich eine Milchsicht geschoben, ich habe nichts mehr gesehen, ich war komplett blind. Meine rechte Seite war ausgefallen. Ich habe die gar nicht mehr gespürt. Mein ganzer Körper hat nicht funktioniert. Ich lag drei Monate im Bett, wo ich mir dachte: Du wirst hier in der Wohnung sterben. Todesangst war es! Absolute Todesangst!"

Ein junger Betroffener aus München

Junger Mann leidet unter Todesangst

Der junge Mann hat zahllose Arztbesuche, Untersuchungen und Kernspintomographien hinter sich. Das Ergebnis: nichts. Keine erkennbare Krankheit. Seine Ärzte vermuten: Thomas leidet unter einer hypochondrischen Störung.

"Das kann nicht sein. Ich bin der Meinung, da hat irgendeiner nicht richtig hingeschaut."

Ein junger Betroffener aus München

Obwohl er nach wie vor überzeugt ist, schwer krank zu sein, macht Thomas jetzt eine stationäre Therapie in der psychosomatischen Klinik am Klinikum rechts der Isar in München. Prof. Nadine Lehnen betreut Menschen, bei denen die Angst vor Krankheiten echte körperliche Beschwerden nach sich zieht.

"Es ist wichtig zu verstehen, dass die Beschwerden real sind und genauso die Ängste real sind, dass sie wirklich Todesangst haben. Und dass wir ihnen das glauben."

Prof. Dr. med. Nadine Lehnen, Neurologin, Klinikum rechts der Isar, München

Wichtig: Hypochondrische Störung erkennen und richtig behandeln

Die meisten ihrer Patientinnen und Patienten haben dutzende Facharzttermine und viele unnötige Behandlungen hinter sich.

"Das Invasivste sind sicher kleinere Operationen, Biopsien. Was häufig passiert, sind sehr, sehr viele Bildgebungen. Das ist für das Gesundheitssystem ein Problem, aber es ist vor allem ein Problem für diese Patientinnen und Patienten, weil es deshalb umso wichtiger ist, die Störung zu erkennen und sie richtig zu behandeln."

Prof. Dr. med. Nadine Lehnen, Neurologin, Klinikum rechts der Isar, München 

Hypochondrie durch Corona-Pandemie verstärkt

An der Universität zu Köln in der Spezialambulanz für Krankheitsängste forscht Timo Slotta am Thema. Er geht davon aus, dass rund ein Prozent der Deutschen unter hypochondrischen Störungen leiden. In den Wartezimmern der Arztpraxen sei der Anteil der Patientinnen und Patienten mit anhaltenden Krankheitsängsten aber bis zu fünf Mal höher.

In der Corona-Pandemie ist das Problem von psychischen Störungen und Ängsten grundsätzlich größer geworden. Das spüren auch die Kölner Therapeuten im Klinik-Alltag.

"Der Andrang, nicht nur bei uns, sondern auch bei allen anderen Kolleginnen und Kollegen, ist in den letzten zwei Jahren gestiegen. Das kann man ganz klar so sagen. Spezifisch bei Krankheitsängsten hat sich eher ein Muster gezeigt, dass wir zu einem frühen Stadium der Pandemie viel Beschäftigung mit Corona beobachten konnten. Einige der Patienten sind dann aber schnell wieder zurückgekehrt zu ihren üblichen Krankheitsängsten, also vielleicht Krebs oder zu neurologischen Erkrankungen."

Timo Slotta, Psychotherapeut, Spezialambulanz Krankheitsangst, Universität zu Köln

Krankheiten googlen: Das Phänomen der Cyberchondrie

Aber nicht nur Medienberichte über Krankheitsrisiken, sondern vor allem auch die Suche nach Krankheiten im Internet kann Angststörungen verstärken.

"Wir kennen aus dem Internetbereich das Phänomen Cyberchondrie, das heißt: eine wechselseitige Verstärkung aus einerseits Gesundheitssorgen und auf der anderen Seite Internet-Recherche nach diesen Gesundheitsthemen."

Timo Slotta, Psychotherapeut, Spezialambulanz Krankheitsangst, Universität zu Köln 

Psychotherapeutische Behandlung: Erfolgsquote erstaunlich hoch

Der junge Münchner Patient ist dazu übergegangen, Google-Suchen nach Krankheiten lieber sein zu lassen. Neben der Psychotherapie durchläuft er auch verschiedene körperliche Anwendungen. Die Angst führt auch zu Verspannungen und Muskelproblemen.

Das Gute bei allen Problemen: Wenn eine hypochondrische Störung erkannt und richtig psychotherapeutisch behandelt wird, ist die Erfolgsquote erstaunlich hoch.

"Dann ist der nächste Schritt, die Angst gemeinsam auszuhalten und dafür Strategien zu entwickeln. Diese ständige Beschäftigung damit, an einer schweren Krankheit erkrankt zu sein, lässt keinen Raum für andere Dinge, für schöne Dinge, Beziehungen. Und das ist sehr schön zu sehen, wie das dann wiederkommt."

Prof. Dr. med. Nadine Lehnen, Neurologin, Klinikum rechts der Isar, München


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