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Aligner Was muss man beachten bei transparenten Zahnspangen?

Gerade Zähne und ein schönes Lächeln: Das wünschen sich inzwischen auch viele Erwachsene. Sie lassen sich die Zähne begradigen mit sogenannten Alignern. Das sind transparente, dünne Kunststoff-Schienen. Anders als feste Spangen kann man sie selbst heraus- und hereinsetzen. Vorteil: Sie sind fast unsichtbar und daher sehr diskret. Der Markt boomt seit einiger Zeit. Neben niedergelassenen Kieferorthopäden oder Zahnärzten mit Zusatzausbildung gibt es auch Anbieter im Internet, die mit attraktiven Angeboten locken. "Gesundheit!" zeigt, worauf man achten sollte und wie Aligner funktionieren.

Von: Julia Richter

Stand: 02.12.2024

Aligner: Was muss man beachten bei transparenten Zahnspangen?

Wie funktionieren Aligner-Schienen?

Auch Lisa King wollte gerade Zähne. Vor ein paar Monaten hat sich die junge Mutter entschlossen, das kosmetische Problem anzugehen. Gepflegte, schöne Zähne sind ihr sehr wichtig.

"Tatsächlich war es die Fehlstellung von einem Zahn seitlich, die mich gestört hat. Jedes Mal, wenn ich gelächelt habe, sah es aus wie eine Lücke, obwohl ein Zahn vorhanden ist. Und den wollte ich einfach wieder rausschieben. Ich habe mich unwohl gefühlt zu lächeln und hab auch gemerkt im Laufe der Jahre, dass es einfach schlimmer geworden ist."

Lisa King, Patientin

Sie geht zum Kieferorthopäden: Bei Lisa fehlt es an Platz im Mund – sie hat damals einen Engstand wie viele Patienten, die schiefe Zähne haben. Ein Zahn ist bei ihr komplett nach innen gedreht. Ein Problem sind ihre Weisheitszähne, die sie behalten möchte. Bevor es mit der Behandlung losgeht, wird sie umfassend untersucht – der Arzt macht mehrere Röntgenaufnahmen, Scans und Bilder und schaut sich Zähne und Zahnfleisch der Patientin genau an.

"Anhand der Röntgenbilder sehe ich die Beschaffenheit der Zähne. Gleichzeitig gibt es mir auch die Spielregeln vor: Was darf ich überhaupt mit dem Zahn machen. Wo darf ich ihn hinbewegen? Selbiges sehe ich natürlich dann teilweise auch auf dem Modell. Dort ist es auch wichtig zu sehen, wie sieht die Beschaffenheit des Zahnfleisches aus. Ist es zurückgegangen oder nicht, ist es gutes Zahnfleisch – dickes, dünnes? Und anhand der Fotos sehen wir die Symmetrien."

Dr. med. dent. Patrick Dipsche, Kieferorthopäde, München

Dann kommt der Intraoral-Scan. Er ersetzt den Silikonabdruck. Der digitale Scanner tastet die Zähne quasi ab und stellt die Zahnfehlstellungen bildlich dar. Die Ergebnisse sind dann im 3D-Modell am Monitor sichtbar. Er ist die Basis für den digitalen Behandlungsplan, den der Arzt mithilfe der KI erstellt.

Gerade bei den Alignern muss die Behandlung am Anfang ganz genau geplant werden. Anders als bei „festen“ Spangen wird eingangs berechnet und überlegt, wie das Ergebnis aussehen soll am Ende. Hier wird auf Details eingegangen wie die Gesichtsform, das Lippenprofil und die Zahn- und Kieferlage. Die Patientin kann in der Simulation sehen, wie die Zähne nach der Behandlung aussehen werden.

Bei Lisa King ist der Aufwand größer als gedacht. Von „außen“ ist kaum zu erkennen, wie lange die Behandlung dauern wird. Um Platz zu schaffen, werden die Zähne nicht nur nach „vorne“ gekippt, der Knochen wird quasi auch in der Breite verändert – das dauert länger, führt aber zu einem schönen Ergebnis und sorgt dafür, dass sie am Ende ein funktionierendes Kauwerkzeug hat. Dann werden die Zahnschienen maßgefertigt für sie hergestellt.

Was muss ich beachten?

Rund alle zwei Wochen gibt es neue Schienen – 22 Stunden am Tag müssen sie drinbleiben. Nur zum Essen und bei heißen Getränken wie Cafe oder Tee müssen sie herausgenommen werden. Die Reinigung geht recht einfach: Meistens reicht es, die Schienen abzuspülen und mit Zahnpasta zu putzen.

Dass man Alignern herausnehmen kann, ist einer ihrer großen Vorteile. Allerdings sollte man sich konsequent an die empfohlene Tragezeit halten, da die geplanten Bewegungen sonst nicht möglich sind.

"Die Bewegungen funktionieren so, dass jede einzelne Schiene den Zahn um – je nach Protokoll – ungefähr 0,2 Millimeter bewegt. Ich als Kieferorthopäde entscheide dann nach links nach rechts, vor oder zurück. Man muss immer daran denken: Das ist der Zahn; um den Zahn herum ist Knochen, wenn ich ihn irgendwo hinbewege – wird auf der einen Seite Knochen abgebaut, auf der anderen Seite angebaut."

Dr. med. dent. Patrick Dipsche, Kieferorthopäde, München

Um die Bewegungen zu unterstützen, werden Kunststoffelemente, sogenannte Attachements, am Zahn angebracht, sie ermöglichen Zug und Druck. Das Ganze kann über Gummis verstärkt werden. So sind auch kompliziertere Bewegungen möglich. Lisa ist mitten in der Behandlung. Inzwischen hat sich schon einiges getan bei ihr im Vergleich zu vorher: "Ich bin sehr, sehr glücklich mit dem Ergebnis. Am Anfang war es wirklich etwas ungewohnt. Gerade auch mit dem Sprechen. Und das Druckgefühl. Aber das reguliert sich gang schnell. Mittlerweile ist das nur noch Routine für mich.“

Kosten der Therapie

Die Kosten für eine Behandlung muss der gesetzlich Versicherte selbst tragen. Je nach Aufwand, Ort der Behandlung und dem Arzt selbst können die Kosten sehr variieren. "Behandlungen, die innerhalb von vier bis neun Monaten gelöst werden können, sind meistens irgendwo zwischen 4.000 und 7.000 Euro. Behandlungen, die drüber laufen – ein Jahr, zwei Jahre, dann sollte es auch gut sein in den meisten Fällen – gehen so bei 6000 Euro los und hören irgendwo bei 15.000 auf", sagt Kieferorthopäde Dipsche.

Aligner-Therapie durch Online-Anbieter

Alexandra Volodarski wollte nicht so viel Geld ausgeben. Bei Instagram stößt die Studentin auf den Online-Anbieter "DR SMILE".

"Ich fand das preislich einfach sehr, sehr stark. Ich dachte mir bei den Bildern im Netz, auf der Seite, das geht so schnell, nach 6 bis 8 Monaten ist man fertig und dann dachte ich mir, das ist total attraktiv – das mache ich sofort. Hätte ich gewusst, was das mit meinen Zähnen gemacht hätte, hätte ich das natürlich niemals getan"

Alexandra, Patientin

Die Angebote von Online-Anbietern richten sich in der Aufmachung vor allem an ein junges, internetaffines Publikum. Alexandra bucht einen Infotermin und geht in München in eine Partnerpraxis von "DR SMILE". „Von mir wurde dann ein Scan gemacht – auch ein Röntgenbild und somit waren die Schienen dann bei mir zu Hause, innerhalb von sechs Wochen", erinnert sie sich. Was die Preise angeht, kann man wählen zwischen Monatsraten oder einem Gesamtpreis. Oft gibt es Rabattcodes oder Angebote – z.B. für Studenten. Alexandra zahlt damals 2.800 Euro.

"Die Schneidezähne haben sich nach 2 bis 4 Monaten ungefähr verschoben – da habe ich die ersten Verbesserungen gesehen – und da hab ich dann bemerkt, die haben sich gut verschoben. Aber das, was gar nicht ging, war das Kauen. Und mein Biss war so, dass ich noch nicht mal eine Nudel zerkauen konnte."

Alexandra, Patientin

Sie bekommt mehrmals nochmal neue Schienen für eine kostenlose Nachbehandlung, ist aber nicht mit dem Ergebnis zufrieden. Deswegen kündigt sie bei "DR SMILE" und bekommt die Hälfte des Geldes erstattet. Sie sucht sich einen niedergelassenen Kieferorthopäden und beginnt dort eine neue Behandlung.

Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie kennt ihren Fall gut und schätzt ihn für uns ein:

"Man sieht am Behandlungsergebnis, dass die Optik im Fokus stand. Das heißt also, die Oberkieferfront wurde sehr schön geradegestellt, aber die Funktionalität entsprechend nicht beachtet. Der Biss ist beidseits hinten offen – das heißt, die Zähne greifen beim Zubeißen nicht mehr ineinander. Die Kaufunktion ist entsprechend eingeschränkt."

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Peter Proff, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie, Berlin

Alexandras neue Behandlung kostet ca. 6.500 Euro. Ihr Fall ist nicht der einzige. "Wir sehen bei den gewerblichen Anbietern Schädigungen der Zahnwurzeln, Schädigungen des Zahnhalteapparats, Zähne, die frühzeitig verloren gehen, Zähne, die unsachgemäß beschliffen wurden. Letzten Endes Beschwerdebilder der Muskulatur und der Kiefergelenke", bestätigt Professor Proff.

Er fordert, dass allgemein immer Röntgenbilder gemacht und qualifiziert ausgewertet werden. Einige Anbieter arbeiten mit einem Do-it-Yourself-Abdruck. Ein Röntgenbild, wie Alexandra es bekommen hat, ist nicht immer die Regel.

Zurück zu Alexandra: Wir fragen "DR SMILE", wie es zu dem offenen Biss bei ihr kommen konnte. Die Pressestelle von "DR SMILE" schreibt in einer E-Mail vom 28.11.2024: „Es ist nicht ungewöhnlich, dass es nach der Zahnschienen-Behandlung zu einer Nachbehandlung kommt. [...] Frau Volodarski hat sich leider dafür entschieden, die Behandlung abzubrechen, sodass der Behandlungsplan nicht abgeschlossen wurde und die Zähne nicht in die gewünschte Position gebracht werden konnten.“

Auch Verbraucherschützer haben verschiedene Online-Anbieter in einem ausführlichen Marktcheck unter die Lupe genommen.

"Es beschweren sich immer wieder Verbraucher bei uns: Unter anderem über den fehlenden persönlichen Kontakt. Und daran angeknüpft ist auch die ungeklärte Haftungsfrage: Weil die einen Vertrag schließen mit einem Anbieter – sie gehen dann in eine Partnerpraxis aber ein anderes Unternehmen macht sozusagen dann den Abdruck macht und die Verbraucher fühlen sich dann oft nicht gut betreut, in der Verlaufskontrolle. Das ist das eine: die Haftungsfrage. Dann haben wir resultierend aus dem Marktscheck Erfolgsversprechen abgemahnt – Werbeversprechen abgemahnt von einigen Anbietern. Wo wir sagen: Claims wie 'Das perfekte Lächeln' – das verspricht den Leuten was, was am Ende nicht unbedingt gehalten werden kann."

Gesa Schölgens, Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., Düsseldorf

Kritik am Online-System kommt auch von der bayerischen Landezahnärztekammer:

"Wir sehen es mit Sorge aus Gründen des Patientenschutzes. Das ist eindeutig eine zahnärztliche Tätigkeit. Und die gehört in die Hand von Ärzten, von Kieferorthopäden oder entsprechend fortgebildeten Zahnätzten. Das im Wege des Versandhandels zu machen – man bekommt ein Paket und setzt sich das Behandlungs-Gerät ein – das ist ein Unding."

Dr. med. dent. Dr. phil. Frank Wohl, Präsident der Bayerischen Landeszahnärztekammer, München

Lisa ist mit ihrer Behandlung beim niedergelassenen Kieferorthopäden sehr zufrieden und findet Aligner im Alltag praktisch. „Zum einen ist da natürlich der Komfort: Ich muss den Patienten deutlich weniger sehen, wir haben keine SOS-Termine – es gibt nichts was pieksen oder abgehen kann. Ich sehe auch bei der Karies-Prophylaxe Vorteile bei den Alignern“, sagt Kieferorthopäde Dipsche.

Fazit: Richtig angewendet, sind Aligner eine echte Alternative.


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