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Geschlechtskrankheiten (STIs) Mehr sexuell übertragbare Infektionen

Liebe und Lust gehören zu unserem Leben. Doch manchmal hat Sex Folgen für die Gesundheit, die viele unterschätzen. STIs (sexual transmitted infections), sexuell übertragene Infektionen, sind immer noch ein Tabu. Dabei sind sie gut behandelbar.

Von: Bernd Thomas

Stand: 22.07.2024

Rotes Kondom mit Hose | Bild: picture alliance / Zoonar | Stockfotos-MG

Von wegen Safer Sex

Mit weltweit täglich mehr als einer Million Ansteckungen sind sexuell übertragbare Infektionen, kurz STIs, eines der großen globalen Gesundheitsprobleme und – auch bei uns auf dem Vormarsch. Infektiologe Christoph Spinner forscht dazu am Klinikum rechts der Isar der TU München.

"Tatsächlich steigen die Inzidenzen, also die Häufigkeiten sexuell übertragbarer Infektionen, in den letzten Jahren kontinuierlich. Und insbesondere in den Jahren nach der Pandemie zeigt sich nochmals ein deutlicher Sprung nach oben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es hat etwas mit geändertem Risikoverhalten zu tun. Aber es hat auch etwas damit zu tun, dass wir mehr testen und entsprechend mehr diagnostizieren."

Prof. Dr. med. Christoph Spinner, Infektiologe, Klinikum r. d. Isar, TU München

Einen Anstieg registriert auch das Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München. Erfasst und gezählt werden HIV und Syphilis, seit kurzem auch Chlamydien und Gonorrhoe (Tripper). 

"Wir haben keinen dramatischen Anstieg zu verzeichnen. Aber wir haben eine Zunahme bei Syphilis und Chlamydien. Die Ursache ist, dass man wegen der guten HIV-Prophylaxen eher ungeschützten Sexualverkehr hat. Das führt natürlich auch zu Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Und das ist sozusagen der Teufelskreis, in dem wir gerade stecken."

Beatrix Zurek, Gesundheitsreferat der Landeshauptstadt München

Ansteckung: So werden STIs übertragen

Sexuelle Infektionen werden durch direkte Kontakte unserer Schleimhäute übertragen. Die befinden sich im Mund, im Intimbereich – an Penis und Vagina – und dem Anus. Grund der Infektionen sind unterschiedliche Erreger. Das sind zum einen Viren wie das menschliche Immunschwäche Virus HIV oder das Humane Papillomavirus HPV, das Krebs auslösen kann.

Beim Sexualverkehr können aber auch Herpes- und Hepatitisviren übertragen werden.    
Viele Infektionen werden durch Bakterien verursacht, wie die gefährliche Syphilis, die Gonorrhoe, bekannt als Tripper, oder auch die Chlamydieninfektion, die häufigste sexuell übertragene Infektion. Außerdem gibt es noch Parasiten wie Filzläuse, Krätze oder die einzelligen Trichomonaden. Veränderungen der Schleimhäute können zudem zu Beschwerden aufgrund des übermäßigen Wachstums von Pilzen führen, die natürlicherweise in geringen Mengen auf unserer Haut leben.      

STIs betreffen alle

Zwar steigt das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen durch häufig wechselnde Partner. Aber: Egal ob Frau mit Mann, Frau mit Frau, Mann mit Mann oder divers, STIs betreffen alle, nicht nur spezielle Communities. Mediziner wie Christoph Spinner werben dafür, immer noch vorherrschende Tabus gegenüber STIs endlich zu überwinden. Denn sexuell übertragbare Infektionen lassen sich heute gut und oft problemlos behandeln. Alle sollten deshalb verantwortlich mit der eigenen und der Gesundheit der Partnerinnen und Partner umgehen. Denn spät erkannt und behandelt, können manche Infektionen gravierende Folgen haben.

"Während HIV und Syphilis unbehandelt nach wie vor tödlich verlaufen können, führen Chlamydien-Infektionen nicht selten bei Frauen zu Unfruchtbarkeit. Und auch Gonokokken-Infektionen können in Einzelfällen zu schweren, komplizierten Infektionen und Organerkrankungen bis hin zu sogenanntem Abszessverhalten, also Eiterverhalten führen. Deshalb sind in allen Fällen eine frühe Diagnose und Therapie entscheidend, um Komplikationen zu verhindern."

Prof. Dr. med. Christoph Spinner, Infektiologe, Klinikum r. d. Isar, TU München

Risiko STIs: teilweise lange Inkubationszeit

Menschen mit häufig wechselnden Sexpartnern haben die Möglichkeit einer sogenannten PREP-Prophylaxe, die zuverlässig vor HIV schützt. Regelmäßig werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Studie des Klinikums rechts der Isar in München dazu auch auf andere sexuell übertragbare Infektionen getestet. Das ist sinnvoll, denn manche Erreger bereiten anfangs kaum Probleme.

"Abhängig vom Erreger vergehen nur wenige Tage zwischen Kontakt und Infektionssymptomen, wie beispielsweise beim Tripper, der Gonokokken-Infektion, von etwa einer Woche. Bei Chlamydien und Syphilis-Infektionen liegt die sogenannte Inkubation, die Latenzzeit, also die Zeit zwischen Kontakt mit dem Erreger und dem Auftreten von Symptomen bei bis zu drei Monaten. Das heißt, es ist häufig gar nicht so offensichtlich, dass es sich möglicherweise um eine sexuell übertragbare Infektion handeln kann."

Prof. Dr. med. Christoph Spinner, Infektiologe, Klinikum r. d. Isar, TU München

STIs: Typische Symptome

Möglichst bald zum Arzt sollten alle gehen, wenn typische Symptome auftreten. Das sind vor allem:

  • ungewöhnlicher Ausfluss oder Zwischenblutungen
  • Juckreiz, Ausschläge und Hautveränderungen
  • Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen und beim Sex

"Ich würde empfehlen, Ärztinnen und Ärzte aufzusuchen, die in der Behandlung sexuell übertragbarer Infektionen Erfahrungen haben. Das gelingt in größeren Städten leichter als auf dem Land. Im Allgemeinen ist es wichtig, den Verdacht einer sexuell übertragbaren Infektion zu äußern, denn nur mit einer gezielten Suche kann die richtige Diagnose gestellt und dann auch die geeignete Therapie begonnen werden. Wir erleben es hier bei uns im Klinikum rechts der Isar häufig, dass einzelne Menschen eine sehr lange Zeit zugebracht haben, bis die Diagnose korrekt gestellt wird. Und diese Zeit würde ich gerne den Patientinnen und Patienten ersparen."

Prof. Dr. med. Christoph Spinner, Infektiologe, Klinikum r. d. Isar, TU München

STIs: Tests und Selbsttests

Erster Schritt sind Tests, die den Verdacht auf eine STI bestätigen. Da sexuell übertragbare Infektionen auf Ungeborene übergehen können, sind Tests für Frauen unter 25 Jahren kostenfrei. Neben Praxen und Gesundheitsämtern gibt es Tests auf STIs zum Beispiel auch in Beratungsstellen der Aidshilfe, wie dem Checkpoint der Aidshilfe München. Grundsätzlich gibt es Schnell- und Labortests.

"Bei den Schnelltests ist es so, dass man die Testergebnisse sofort bekommt. Es gibt bei uns einen HIV- und Syphilis-Schnelltest, der allerdings erst zwölf Wochen nach einer Risikosituation als sicher gilt. Für die Labortests auf HIV, Chlamydien, Gonokokken und Syphilis ist es so, dass es drei, vier Werktage braucht, bis das Ergebnis vorliegt."

Judit Müller, Sozialarbeiterin (B.A.), Münchner Aids-Hilfe

Online gibt es inzwischen auch viele Angebote für Selbsttests, die diskret zu Hause gemacht werden können. Am verlässlichsten sind die Tests, bei denen Proben in ein Labor geschickt und ausgewertet werden. Die Deutschen Aidshilfe bietet mit ihren SAM-Testkit außerdem noch einen persönlichen Austausch an.

"Wir haben uns für die Heimtests mit einer Laboranalyse entschieden, aufgrund der Zuverlässigkeit der Laborergebnisse, aber auch aufgrund der kürzeren Zeitfenster von einem Risikokontakt bis zu einem sicheren Ergebnis. Fester Bestandteil ist auch immer eine initiale Erstberatung, wo auf Wunsch auch auf das persönliche Sexualverhalten eingegangen wird und die Möglichkeit besteht, mit sexpositiven Beratern zu sprechen, die über eine gute Ausbildung und die entsprechende Erfahrung verfügen. Denn viele fragen sich in Bezug auf ein mögliches Risiko: Brauche ich den Test wirklich oder brauche ich ihn nicht. Und ebenfalls wichtig ist die Möglichkeit des Nachfragens, wenn es um das Ergebnis geht: Wie wird mir das mitgeteilt, was bedeutet das, kann ich nachfragen, wohin kann ich mich wenden? Das sind wichtige Aspekte, an die jeder denken sollte, der einen Test zu Hause macht."

Sebastian Kimmel, Deutsche Aidshilfe

STIs: wirksame Therapien für Heilung, Leben mit der Infektion und Sex ohne Risiken

Die gute Nachricht: Therapien und Medikamente helfen, STIs zu heilen oder nehmen ihnen zumindest das tödliche Risiko. So kann eine HIV-Infektion bis heute nicht geheilt werden, aber unter Therapie ist damit ein nahezu normales Leben möglich.

"Es gibt drei entscheidende Säulen im Kampf gegen sexuell übertragbare Erkrankungen und Infektionen. Das erste ist die sogenannte präventive Impfung, beispielsweise gegen die humanen Papillomaviren HPV oder Virushepatitis, die zuverlässig und wirksam schützen. Die HPV-Impfung wird für Jugendliche bis spätestens zum 17. Lebensjahr empfohlen.
Für andere Erkrankungen, wie beispielsweise eine HIV-Infektion, besteht die spezifische Möglichkeit der vorbeugenden Einnahme von Arzneimitteln. Diese sogenannte HIV-Präexpositionsprophylaxe ist aber nur für Risikogruppen geeignet und empfohlen. Für alle anderen bakteriell übertragenen Erkrankungen wie Chlamydien, Gonokokken und Syphilis gilt: Nach Infektionen und Auftreten von Symptomen bedarf es wirksamer Therapien mit Antibiotika, um diese Infektionen zu bekämpfen. Und jeder sollte sich bewusst sein, dass es möglich ist, sich wiederholt anzustecken."

Prof. Dr. med. Christoph Spinner, Infektiologe, Klinikum r. d. Isar, TU München

Sexuell übertragbare Infektionen: Vorbeugen schützt

Vorbeugen schützt: Mit Kondomen, Femidomen oder Lecktüchern lassen sich Infektionen zwar nicht immer vermeiden, aber das Infektionsrisiko erheblich reduzieren. Ebenfalls wichtig in diesem Zusammenhang: Sexspielzeuge sollten nicht gemeinsam genutzt und vor jedem Gebrauch gereinigt werden. Ein offener Umgang mit Partnerinnen und Partnern ist ebenfalls entscheidend für die Gesundheit aller. Miteinander sprechen, informieren und gegebenenfalls testen, falls ein Verdacht auf eine STI vorliegt – nur so kann die Weitergabe der Infektion wirksam verhindert werden. Dann braucht niemand auf Sex verzichten, auch nicht Menschen, die Wert auf wechselnde Partnerinnen und Partner legen. Denn STIs sind ein medizinisches Problem. Und so sollten sie auch behandelt werden.   


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