Krankenhäuser, Klinken Gibt es zu viele Krankenhäuser in Deutschland?
Es sind zwei Statements, die derzeit die Gesundheitsbranche aufhorchen lassen: der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen hält eine dreistellige Zahl deutscher Krankenhäuser für verzichtbar und die Bertelsmann Stiftung geht sogar davon aus, dass man Leben retten könne, wenn man bestimmte Operationen nicht mehr in normalen Krankenhäusern durchführen ließe! Gesundheit geht diesen Thesen auf den Grund:
Es ist nur ein Mausklick und schon ist eine Klinik geschlossen und von der medizinischen Landkarte verschwunden. Der Simulator des GKV-Spitzenverbands macht es möglich. Diese drastische Darstellung soll belegen, dass sich durch die Schließung einer dreistelligen Zahl an Krankenhäusern in Deutschland nichts an der guten Grundversorgung der Menschen ändert!
Zu viele Krankenhäuser: GKV-Spitzenverband stellt Simulator online
Der GKV-Kliniksimulator zeigt die Entfernung von rund 80.000 Wohnbezirken zum nächsten Krankenhaus der Grundversorgung mit den Basisabteilungen Chirurgie und Innere Medizin. Gemessen wird die durchschnittliche Fahrzeit mit einem PKW bis zum nächstgelegenen Krankenhaus. Lässt man per Mausklick eine Klinik sterben, so berechnet der Simulator die neuen Fahrzeiten und wie viele Menschen davon betroffen wären.
"Die Auswertungen zeigen, dass sich bei der Mehrzahl der Krankenhäuser im Fall einer Schließung keine nennenswerte Verlängerung der Erreichbarkeit ergibt. […] Ein klarer Hinweis darauf, dass nicht jede Klinik für die gute Versorgung der Menschen notwendig ist."
Wulf-Dietrich Leber, Abteilungsleiter Krankenhäuser des GKV-Spitzenverbandes
Kritiker, wie Siegfried Hasenbein von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, sehen den Simulator kritisch.
"Dieser Simulator der GKV ist meines Erachtens ein Ärgernis. Dieses Thema, welches Krankenhaus ich wo brauche, ist ein sehr ernstes und da spielen sehr viele Aspekte eine Rolle. Und die Art, wie man mit dem Simulator rangeht, halte ich für sehr bedenklich, weil es sehr oberflächlich und eindimensional ist. Also, man könnte fast sagen verantwortungslos!"
Siegfried Hasenbein, Bayerischen Krankenhausgesellschaft
Ähnlich sieht es Christian Schmitz, Vorstand der Arber-Land-Kliniken in Viechtach und Zwiesel, im Bayerischen Wald.
Würde man beispielsweise das Krankenhaus in Viechtach schließen, so müssten 22.154 Menschen in der Region länger als eine halbe Stunde bis zum nächsten Krankenhaus fahren.
"Dementsprechend hätte das für uns katastrophale Auswirkungen! Sicherlich auch für die Lebensqualität im Landkreis und die entsprechende stationäre Versorgung."
Christian Schmitz, Vorstand der Arber-Land-Kliniken
Krankenhäuser nicht schließen, aber verkleinern?
Das ist das Ergebnis einer Studie des Berliner Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Der „Faktencheck“ ergibt, dass man 140 Todesfälle im Jahr hätte vermeiden können, wenn Hüftoperationen nur in Häusern mit ausreichender Erfahrung durchgeführt worden wären. Die Logik, die dahinter steckt: Je öfter ein Arzt eine bestimmte Operation durchführt, desto mehr Erfahrung hat er und desto besser sind die zu erwartenden Ergebnisse.
In der Orthopädischen Fachklinik in Schwarzach sind solche Hüftoperationen Standard.
"Es gibt aber sicherlich einen Zusammenhang zwischen steigenden Fallzahlen und Qualität. Das entspricht auch unserer Erfahrung. Also diese Klinik ist jetzt seit 40 Jahren eine rein Orthopädische Fachklinik. Wir sammeln Erfahrung, wir sammeln Routine und umso öfter ich einen Eingriff mache, umso routinierter werde ich."
Michael Trotz, Geschäftsführender Verwaltungsleiter
Laut Studie gibt es aber auch Häuser in Deutschland, die solche Eingriffe weniger als 50-mal im Jahr durchführen. Noch dramatischer sind die Fallzahlen bei der heiklen Prostata-Entfernung: Hier gibt es sogar Kliniken, die weniger als fünf solcher Operationen im Jahr durchführen!
Denkt man den Vorschlag der Bertelsmann Stiftung zu Ende, würde das das Aus für die Grundversorger-Krankenhäuser bedeuten, glaubt Christian Schmitz.
"Es wird aus unserer Sicht nicht funktionieren, dass man im Endeffekt nur die Pflicht macht, weil sich das finanziell nicht rechnet. Man muss manchmal auch Leistungen machen, die höherwertige Differenzierung bedeuten. Da musst du auch die entsprechenden Fachärzte bereitstellen, aber für uns wäre es auch wirtschaftlich eine Katastrophe, wenn uns manche Bereiche, zum Beispiel die Endoprothetik oder Ähnliches wegbrechen würden. Dann könnten wir sicher nicht mehr kostendeckend arbeiten!"
Christian Schmitz, Vorstand der Arber-Land-Kliniken
Und das will wohl kaum einer!