Mehr schwere Infektionen als sonst Lungenentzündungen durch Mykoplasmen
Mykoplasmen sind Bakterien, die die Atemwege befallen und auch Lungenentzündungen auslösen können. In den vergangenen Wochen häufen sich die Infektionen und Erkrankungen besonders bei Kindern und Jugendlichen. Was das mit der Corona-Pandemie zu tun hat.
Seit 20 Jahren ist Nikos Konstantopoulos Kinderarzt – doch eine solche Infektionswelle mit Mykoplasmen hat er noch nie erlebt. Schon seit April sieht er zunehmend sehr viele kranke Kinder und Jugendliche, die sich mit Mykoplasmen infiziert haben.
"Die Symptome sind Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Fieber und ein trockener, langanhaltender Reizhusten. Bei kleinen Kinder aber auch Magen-Darm-Symptome wie Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen. In seltenen Fällen treten spezielle Hautausschläge auf oder ein Ausschlag am Mund haben."
Dr. med. Nikos Konstantopoulos, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, München
Oft trifft es ganze Familien, denn: die Inkubationszeit kann bis zu vier Wochen dauern. Das heißt: Wenn sich jemand infiziert, können die Symptome erst nach drei oder vier Wochen kommen. Deswegen verbreitet sich die Krankheit auch so stark.
Mykoplasmen können atypische Lungenentzündung auslösen
Konstantopoulos schätzt, dass etwa 30 Prozent der infizierten Kinder und Jugendlichen auch eine Mykoplasmen-Lungenentzündung entwickeln. Diese wird auch "atypische Lungenentzündung" genannt. Denn sie verläuft nicht wie andere Pneumonien, etwa ausgelöst durch Pneumokokken. Sie entwickelt sich langsamer und die Symptome sind nicht so stark ausgeprägt. Sie wird deswegen oft erst nicht erkannt. Mit einem Rachenabstrich und Röntgenbildern der Lunge lässt sich eine Mykoplasmen-Pneumonie sicher diagnostizieren.
Mehr schwere Infektionen als sonst
Mykoplasmen-Infektionen und auch atypische Lungenentzündungen verlaufen normalerweise milder. Aber im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München häufen sich in diesem Jahr deutlich schwerere Fälle, beobachtet der Kinderarzt und Mikrobiologe Johannes Hübner.
"Wir hatten letzte Woche vier oder fünf Fälle von größeren Kindern, die stationär wegen einer Mykoplasmen- Lungenentzündung lagen. Das hatten wir die Jahre vorher nicht. Mykoplasmen treten alle paar Jahre gehäufter auf. Dieses Jahr aber ist es deutlich mehr als das, was man kennt."
Prof. Dr. med. Johannes Hübner, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Dr. von Haunersches Kinderspital, München
"Nachholeffekt" nach Corona-Pandemie
Die Ursache? Nicht eindeutig geklärt, sagt Hübner. Aber: Er geht davon aus, dass es auch an den Schutzmaßnahmen während der Corona-Pandemie liegt. Diese Meinung vertritt auch der Pneumologe Jürgen Behr.
"Mit dem Nasen-Mund-Schutz haben wir viele Infektionen, auch mit Mykoplasmen, vermieden. Sodass jetzt das Immunsystem nicht mehr so gut auf die Mykoplasmen trainiert ist und dementsprechend eben mehr Infektionen auftreten."
Prof. Dr. med, Jürgen Behr, Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, LMU Klinikum München
Besonders gefährdet seien Menschen mit Vorerkrankungen und einem schwachen Immunsystem.
Auch Erwachsene können erkranken
In der Pneumologie des LMU Klinikums in Großhadern mussten deswegen auch erwachsene Patienten wegen einer atypischen Lungenentzündung stationär behandelt werden. So wie Christian Schober.
Christian Schober hat Asthma – Pneumologe Jürgen Behr geht deswegen davon aus, dass bei ihm die Mykoplasmen einen schwereren Verlauf ausgelöst haben. Sechs Tage bleibt der Grundschullehrer im Krankenhaus, bekommt Sauerstsoff und Antibiotika. Jetzt geht es dem 29-Jährigen wieder besser. Er inhaliert aber daheim weiterhin und benutzt einen Vernebler.
Behandlung mit bestimmten Antibiotika
Schwerere und hartnäckige Mykoplasmen-Infektionen sowie atypische Lungenentzündungen können gut mit bestimmten Antibiotika behandelt werden. Den Bakterien fehlt die Zellwand – genau dort, wo übliche Antibiotika wie Penicillin die Krankheitserreger angreifen. Darum werden speziellen Antibiotika eingesetzt, die etwa am Ribosom wirken.
Ausblick auf den Winter
Kinderarzt und Mikrobiologe Johannes Hübner geht davon aus, dass der "Peak", also die Erkrankungs-Spitze, bei den Mykoplasmen bereits überschritten ist und die Infektionszahlen sinken werden. Dagegen seien nun andere Erreger wie das RS-Virus auf dem Vormarsch. Bei RSV habe man dieses Jahr die Möglichkeit, einen Großteil der Säuglinge, die am meisten gefährdet sind, mit Antikörpern prophylaktisch zu schützen.
"Bei Influenza kann ich nur dazu plädieren, Kinder auch zu impfen, da es dort auch schwere Verläufe geben kann."
Prof. Dr. med. Johannes Hübner, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, Dr. von Haunersches Kinderspital, München
Doch auch Erwachsene können gefährdet sein, Risikogruppen sollten sich impfen lassen. Wie die Infektsaison diesen Winter verlaufen wird – das lässt sich nicht genau vorhersagen.