BR Fernsehen - Gesundheit!


5

Mit dem Medmobil unterwegs Medizinische Hilfe für Bedürftige

Eine gute und umfassende medizinische Versorgung ist hierzulande selbstverständlich. Doch nicht jeder kann sie in Anspruch nehmen. Trotz Krankenkassenpflicht haben rund 61.000 Menschen in Deutschland keine Versicherung. Betroffen sind in der Regel Menschen am Rande der Existenz. "Gesundheit!"-Reporter Fero Andersen begleitet einen Freisinger Arzt, der sich um die Gesundheit dieser Menschen kümmert.

Von: Agnieszka Schneider

Stand: 27.01.2025

Medmobil in Freising: Medizinische Hilfe für Bedürftige

"In Deutschland gibt es seit 2009 eine allgemeine Krankenversicherungspflicht für jeden. Und trotzdem gibt es viele Menschen, die sie sich nicht leisten können. Damit Bedürftige, wie zum Beispiel Obdachlose, trotzdem medizinisch versorgt werden können, gibt es tolle Projekte."

Gesundheit!-Reporter Fero Andersen

Rollende Praxis: das Medmobil

Der Freisinger Hausarzt Dr. Odo Weyerer bietet Obdachlosen und Bedürftigen ohne Krankenversicherung kostenlos medizinische Hilfe an. Mit seiner rollenden Praxis, die durch Spenden finanziert wurde, fährt er jede Woche durch die Domstadt.

"Ich betreue seit 2016 in der Wärmestube Obdachlose und Bedürftige. Wir haben uns dann überlegt, dass eigentlich die schweren Fälle oft gar nicht in der Wärmestube auftauchen. Und dass man da einen mobilen Dienst einführen sollte. Wir haben bisher im Schnitt pro Jahr etwa 200 Behandlungen."

Dr. med. Odo Weyerer, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Freising 

Seit 2021 fährt das Medmobil verschiedene Punkte in Freising an - zu Menschen am Rande der Gesellschaft. Eine der Anlaufstellen für die Bedürftigen ist die Freisinger Wärmestube. Jeden Mittwoch steuert Dr. Weyerer sie an.

Schmerzmittel und Beratung

Regelmäßig kommt der 69-jährige Mario Markano hierher. Er lebte bis vor kurzem auf der Straße. Nach einem Überfall wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, dort behandelt und mit Verdacht auf COPD entlassen. Er kämpft mit Lungenproblemen. Dr. Weyerer hört seine Lunge ab und gibt ihm Hinweise, wie er die Medikamente aus dem Krankenhaus langsam absetzen kann. Sollte es ihm schlechter gehen, rät ihm der Arzt, sofort wiederzukommen.

Der 59-jährige Pasquale Iannello hat seit einem Verkehrsunfall Schmerzen am Fuß. Dr. Weyerer bewegt sein Gelenk, um festzustellen, wo die Schmerzen am stärksten sind. Um eine genaue Diagnose zu stellen, müsste das Sprunggelenk geröntgt werden. Doch ohne Krankenversicherung findet sich keine Praxis, die das macht. Dr. Weyerer hilft bei Bedarf mit Schmerzmitteln.

Wenn Medikamente zu teuer sind

Mit dem Medmobil geht es als nächstes zum Freisinger Bahnhof. Wie jeder andere große Bahnhof ist er ein Hot-Spot für Menschen in existenziellen Schwierigkeiten und Obdachlose.

"Die Obdachlosen sind zum Teil chronisch krank, ein Großteil ist alkoholkrank. Viele sind aber auch drogensüchtig. Und viele haben Gicht oder Rheumaschmerzen - dadurch, dass sie im Freien nächtigen müssen. Sie sind oft gesundheitlich ganz schön angeschlagen."

Dr. med. Odo Weyerer, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Freising 

In die mobile Praxis am Bahnhof kommen nicht nur Deutsche. Auch ausländische Mitbürger, vorwiegend aus Osteuropa, die sich oft als Erntehelfer oder Hilfsarbeiter verdingt haben, werden medizinisch versorgt. Bei nasskaltem Wetter sind heute nur wenige Hilfsbedürftige gekommen. Alle haben Schmerzen, können sich aber Medikamente nicht leisten.

Im Notfall ins Krankenhaus - auch ohne Krankenversicherung

Rund 61.000 Menschen in Deutschland haben keine Krankenversicherung. Einer von ihnen war Miguel Desdemostenes. Seit einem Schlaganfall hat er Sprachprobleme. Inzwischen ist er mit Dr. Weyerers Hilfe krankenversichert. Doch das ist eine Seltenheit.

"Ich habe allein im letzten Jahr vier Menschen ohne Krankenversicherung ins Krankenhaus fahren müssen, weil ihr Allgemeinzustand so schlecht war."

Dr. med. Odo Weyerer, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Freising 

Ärzte haben eine rechtliche und ethische Verpflichtung, in Notfällen und bei vitaler Bedrohung nach ihren Möglichkeiten Hilfe zu leisten. Dies gilt auch für Krankenhäuser, die die entstandenen Kosten über die Sozialämter abrechnen können.

Kleiner Praxisraum in Obdachlosenunterkunft

Als nächstes geht es mit dem Medmobil in eine Obdachlosenunterkunft. In den 25 Wohneinheiten der Notunterkunft leben jeweils bis zu fünf Personen. Dort hat Dr. Weyerer einen Behandlungsraum bekommen. In der kleinen Praxis sind auch etwas größere Untersuchungen möglich.

"Die Mitarbeiter hier in der Obdachlosenunterkunft hatten verfolgt, dass ich die Menschen bei minus 20 Grad mit meinem Medmobil draußen im Freien behandeln musste. Und da dieser Raum frei wurde, hatten wir die Idee, man könnte daraus einen Versorgungsraum machen."

Dr. med. Odo Weyerer, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Freising 

Ein gutes Netzwerk hilft dem Arzt bei der Behandlung Bedürftiger.

"Ich habe durch die Mitarbeiter der Stadt Freising, der Caritas, Diakonie oder dem katholischen Männerfürsorgeverein viele Menschen, die zusammenarbeiten, die verschiedene Bereiche abdecken. Durch das gemeinsame Netz der Unterstützung ist eine bessere Versorgung möglich."

Dr. med. Odo Weyerer, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Freising 

Niedrigschwellige Unterstützung

Der Finne Gierts Graudins hat bei einem Zimmerbrand das linke Auge verloren. Jetzt hat er ein künstliches Auge. Eine bakterielle Infektion hat sich eingeschlichen, schnelle Hilfe ist gefragt. Er bekommt von Dr. Weyerer Augentropfen.

Das Medmobil fährt zurück in die Wärmestube. Dort geht es jetzt um das Miteinander. Denn Dr. Weyerer versteht sich nicht nur als Arzt. Er steht den Hilfebedürftigen auch mit Rat und Tat zur Seite. Heute hilft er sogar bei der Essensausgabe.

Welchen Stellenwert das Medmobil für die Menschen und deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft hat, weiß Vivian Rasemann vom Ambulanten Fachdienst Wohnen.

"Mit Dr. Weyerer erleben wir eine niedrigschwellige Unterstützung. Die Menschen wieder dem medizinischen System zuzuführen, ist sehr schwierig. Die gehen nicht einfach mal wieder zum Hausarzt. Und dadurch, dass Dr. Weyerer mit seinem Medmobil rausfährt, zu den Menschen hinfährt und mit ihnen ins Gespräch kommt, kann er einfach viel erreichen. Er kann sie medizinisch versorgen. Und das ist häufig der Schlüssel und der Anfang, um wieder an den verschiedenen anderen Problematiken zu arbeiten."

Vivian Rasemann, Ambulanter Fachdienst Wohnen, Freising 

Viele Menschen helfen mit

Ohen die Ehrenamtlichen wäre ein Projekt wie das Medmobil nicht finanzierbar.

"Ich habe viele Helfer. Und es ist auch in der Bevölkerung ein breiter Wille da, uns zu unterstützen. In der Politik sehe ich große Probleme, weil die Situation schwierig ist und es in Zukunft wohl noch deutlich mehr Bedarf geben wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Ersatz für die Ehrenamtlichen irgendwie finanzierbar wäre."

Dr. med. Odo Weyerer, Facharzt für Innere und Allgemeinmedizin, Freising 

Nicht zuletzt deshalb sind Projekte wie das Medmobil in Freising so wichtig für die Gesellschaft.

"Es braucht schon ein sehr großes Herz, um sich für andere Menschen so zu engagieren wie Herr Dr. Weyerer und die anderen Ehrenamtlichen das zum Beispiel hier in Freising machen. Vielen Dank!"

Gesundheit!-Reporter Fero Andersen


5