BR Fernsehen - Gesundheit!


3

Heilfasten Altes Wissen, neue Fakten

Menschen, die fasten, haben verschiedene Gründe dafür: Sie wollen entschlacken, abnehmen oder haben spirituelle Motive. Bei vielen Medizinern sind die gesundheitlichen Wirkungen des Fastens umstritten. Doch neueste Erkenntnisse belegen, dass das Fasten tatsächlich gesund sein kann. Was ist wirklich dran am Fasten?

Von: Bernd Thomas

Stand: 28.02.2011 | Archiv

Orangensaft | Bild: MEV/ Karl Holzhauser

Faschingszeit - fette Zeit. Schnell noch einmal zugebissen, denn bald ist Fastenzeit. Religiöse Fasten-Traditionen gibt es rund um die Welt seit tausenden von Jahren.

Fasten kann jeder - in der Gruppe am besten

Füssen im Allgäu: Im Franziskanerkloster ist immer zur Fastenzeit die örtliche Fastengruppe des Internisten Dr. Wolfgang May zu Gast. Mit dabei sind Ferdinand Schneider und Ursula Hechenberger. Was lässt sie freiwillig hungern?

"Bei mir war die Motivation, zur Ruhe zu kommen und meinen Alltag ein bisschen zu entschleunigen. Gleichzeitig hatte ich eine zeitlang Magenprobleme. Da dachte ich mir einfach, das ist zwar schon wieder ganz gut, aber das Fasten wäre noch eine schöne Abrundung."

Ursula Hechenberger

"Ich wollte einfach mal wieder wissen, was wirklich wichtig ist. Und für mich ist es heuer das sechste Mal, dass ich in der Gruppe faste."

Ferdinand Schneider

Internist und Fastenarzt Dr. Wolfgang May aus Schwangau, der die Gruppe ins Leben gerufen hat und medizinisch begleitet, betont den gesundheitlichen Vorteil des Fastens. Als Arzt mit evangelischem Hintergrund sieht er aber in der Zusammenarbeit mit dem Franziskanerkloster auch einen Aspekt der Ökumene.

Welche Voraussetzungen erfordert das Fasten?

"Wer mit dem Fasten beginnen will, sollte vorher zum Arzt gehen. Denn man muss beachten, dass man gesundheitlich stabil ist. Wenn jemand einen nicht eingestellten Blutzucker oder Bluthochdruck hat oder eine Erkrankung, bei der er schon bei normaler Ernährung Gewicht abnimmt, dann wäre das nicht geeignet. Und es muss natürlich so sein, dass das Fasten mit dem normalen Alltag vereinbar ist. Dass heißt, dass ich gesund bin und dass ich das letztlich dann auch durchhalten kann. Dazu muss ich den Alltag eventuell auch entsprechend gestalten können. Aber Vorsicht: Fasten ist keine Methode, um Gewicht abzunehmen."

Dr. Wolfgang May, Internist, Schwangau:

"Das Fasten in der Christenheit hat eine sehr lange Tradition. Christus hat gefastet, viele Kirchenväter haben gefastet und auch Franziskus hat gefastet. Und es gibt die Erfahrung, dass man auch die tieferen Schichten der Seele durch das Fasten erreicht und eine tiefere Gottesbeziehung."

Bruder Vinzent vom Franziskanerkloster in Füssen

Sinnlose oder wirksame Therapie?

Ursula Hechenberger räumt ihren Kühlschrank frei. Süße Sünden ade! Alles muss raus. Aber viele Mediziner halten trotzdem nichts vom Hungern auf Zeit: ungesund - nicht empfehlenswert! Stimmt das wirklich?

Das Immanuel Krankenhaus in Berlin Wannsee, Außenstelle der Berliner Charite. Prof. Dr. Andreas Michalsen, einer der bekanntesten Naturheilkundler Deutschlands lässt jeden zweiten Patienten fasten. Für ihn ist Fasten eine medizinisch wirksame Therapie, die wissenschaftlich gesichert ist.

"Im Vordergrund steht beim Fasten natürlich die Wirksamkeit bei Rheumatischen Erkrankungen, bei Schmerzerkrankungen. Da haben wir die besten Daten. Also mehrere, wie man heute sagt, „randomisierte“, kontrollierte Studien, die zeigen, dass es sehr, sehr günstig wirkt."

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen, Internist und Arzt für Naturheilkunde, Charite Berlin

Fasten in der Schmerztherapie

Dagmar Luft hat schweres Rheuma. Die Kältekammer hilft ihr. Aber zu ihrer Schmerztherapie gehört außerdem das Fasten - auch wenn sie nicht ganz auf andere, konventionelle Therapien verzichten kann.

"Ungefähr am vierten Fastentag beginnen die Schmerzen, etwas weniger zu werden und man hat auch ein ganz anderes Körpergefühl."

Dagmar Luft

"Aber nicht nur bei rheumatischen Erkrankungen setzen wir das Fasten ein. Es bewährt sich auch bei Stoffwechselerkrankungen, Bluthochdruck und Diabetes sehr."

Dr. med. Andreas Michalsen, Internist und Arzt für Naturheilkunde, Charite Berlin

Zu Beginn heißt es: abführen und den Darm entleeren. Auch für Manfred Daub. Er ist wegen Bluthochdruck und Diabetes im Immanuel Krankenhaus Berlin. Schon nach wenigen Tagen sind seine Blutwerte deutlich verändert. Sein Blutdruck hat sich am Ende der Fastentage sogar so normalisiert, dass er ein Medikament absetzen kann. Und auch seine Zuckerwerte sind deutlich besser geworden.

"Man fühlt sich einfach gut, wohl, energiereich - ich habe es auch nicht glauben wollen. Ich bin von Beruf Krankenpfleger und habe gedacht, na gut, nach drei Tage ohne Essen, dann stirbst Du!"

Manfred Daub

Welche Methode ist die beste?

Fasten ist keine Null-Diät. Manfred Daub fastet mit Saft, manche mit Buttermilch, andere mit Haferschleim. Ursula Hechenberger isst nur eine trockene Semmel pro Tag in Verbindung mit etwas Joghurt. Welche Methode ist die beste?

"Von der Wirksamkeit scheint es keine große Rolle zu spielen, welche Methode man anwendet. Wichtig ist, der Fastende muss sich dabei wohlfühlen. (…) Außerdem heißt Fasten nicht nur, nichts zu essen, sondern Fasten ist ein komplexes Programm. Unsere Patienten erhalten hier weitere Anwendungen und Ernährungsberatung und sie lernen zum Beispiel Entspannungstechniken."

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen, Internist und Arzt für Naturheilkunde, Charite Berlin

Fasten verändert den Stoffwechsel jeder einzelnen Körperzelle. Es wirkt fast wie eine Reset-Taste: ein Neustart für alle Körperprogramme. Und auch für den Geist: Die Wahrnehmung verändert sich. Eine intensive Erfahrung, die jeder selber machen muss.

Impulse aus der Grundlagenforschung

In den letzten Jahren gab es eine ganze Reihe wissenschaftlicher Arbeiten, die sich grundsätzlich mit dem Thema Fasten oder Caloric restriction auseinandergesetzt haben. Die Ergebnisse sind verblüffend. Der Darm ist aus der Haut hervorgegangen. Das ist, so der Wissenschaftler, der Grund dafür, dass noch heute nach jedem Essen eine Entzündungsreaktion ausgelöst wird. Nimmt der Darm Nährstoffe auf, werden weiße Blutkörperchen freigesetzt. Diese Reaktion begünstigt langfristig Erkrankungen. Fasten hilft und verlängert im Tierversuch sogar das Leben. - Ist das Prinzip übertragbar?

"Natürlich sind die Ergebnisse nicht eins zu eins übertragbar, aber wenn sich etwas durch alle Tierarten durchzieht, von der Hefe über den Regenwurm bis zu hoch entwickelten Säugetieren, dann ist der Rückschluss nahe liegend. Dann ist es sehr plausibel, dass dieses Prinzip auch beim menschlichen Organismus Anwendung findet."

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen, Internist und Arzt für Naturheilkunde, Charite Berlin

Aber was ist eigentlich mit den sogenannten Schlacken? Die gehören nun doch wirklich ins Reich der Fantasie, oder gibt es hier Neues aus der Wissenschaft?

"Natürlich findet kein Mediziner im Körper das, was man bisher als Schlacken bezeichnet. Aber wir haben von der Grundlagenwissenschaft gelernt, dass es Eiweiße gibt, die - vor allem, wenn man sich schlecht ernährt - eine Verbindung mit Zucker eingehen und sich in den Geweben ablagern. Und nach den Daten einer japanischen Studie werden durch Fastentherapien diese verzuckerten Eiweiße tatsächlich vermehrt ausgeschieden. Diese Eiweiße sind also fast so etwas wie moderne Schlacken."

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen, Internist und Arzt für Naturheilkunde, Charite Berlin

Nach dem Fasten

Für Dagmar Luft ist das Fasten vorbei. Jetzt folgen die wichtigen Aufbautage, in denen sie sich langsam wieder an das normale Essen gewöhnt. Aber kommt dann nicht zu Hause der gefürchtete Jojo Effekt?

"Wir haben Daten von vielen tausenden Patienten aus den verschiedenen Kliniken, da kommt es zu keinem Jojo Effekt."

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen, Internist und Arzt für Naturheilkunde, Charite Berlin:

Fasten im Alltag

Zurück in Bayern! Ferdinand Schneider ist kerngesund und vom Fasten überzeugt. Urlaub nimmt er sich deshalb nicht. Aber als Geschäftsführer eines kleinen mittelständischen Unternehmens weiß er, worauf es ankommt.

"Normalerweise arbeite ich 12 bis 14 Stunden am Tag und während der Fastenwoche reduziere ich das erheblich, weil die Leistungsfähigkeit doch eingeschränkt ist!"

Ferdinand Schneider

Viel Trinken ist beim Fasten besonders wichtig. Mindestens zweieinhalb Liter müssen es sein. Ferdinand Schneider hilft das viele Trinken auch gegen möglichen Schwindel und Kopfweh. Das kann besonders zu Beginn des Fastens auftreten. Jeden Abend trifft sich die Gruppe dann im Franziskanerkloster Füssen. Gegenseitige Motivation, medizinische Informationen und Gymnastik - gemeinsam geht es leichter! Und besonders wichtig: Alle werden von Dr. Wolfgang May während der Fastenwoche medizinisch begleitet. Gerade für Anfänger ein absolutes Muss!

"Gesunder ist es - so wie es damals schon die katholische Kirche festgelegt hat - einmal im Jahr sinnvoll zu fasten. Normalerweise ist eine Woche sehr gut, wenn man fastet. Man kann dann auch noch, wenn man Gewicht abnehmen will oder andere gesundheitlich Aspekte verfolgt, das natürlich auf zwei, drei oder vier Wochen ausdehnen. Einen richtigen Kureffekt gibt es erst ab drei Wochen. Aber auch eine Woche ist schon sehr sinnvoll. Wobei man - da legen wir hier gerade im ambulanten Bereich Wert drauf - alles, was Stress verursacht, meiden sollte, um dem Körper Ruhe zu gönnen und um damit dann eben auch in dieser einen Woche einen guten Kureffekt zu erzielen."

Dr. Wolfgang May, Internist, Warngau

Gewicht abzunehmen ist kein Ziel für Ferdinand Schneider, aber ein schöner Nebeneffekt: Rund fünf bis sechs Kilo purzeln bei ihm in dieser Woche. Der Körper schaltet nach circa drei Tagen auf die eigenen Reserven um. So kann er am Ende der Fastentage auch ohne Hungergefühle mit seiner Familie am Esstisch sitzen!

"Der Körper kann viel besser mit Fasten umgehen als mit dauernd essen. Insofern, denke ich, ist es etwas Hervorragendes für die Prävention."

Prof. Dr. med. Andreas Michalsen, Internist und Arzt für Naturheilkunde, Charite Berlin

Übrigens: Fasten soll auch die Fruchtbarkeit steigern. Ursula Hechenberger könnte das bestätigen. Denn sie hat heute einen kleinen Sohn. Während der Stillzeit ist Fasten natürlich tabu. Sie wird dieses Jahr noch pausieren, aber Ferdinand Schneider freut sich schon auf die nächste Woche: "Ich bin hoch motiviert und sicher, ich halte auch dieses Mal durch!"


3