Vom Acker zur Artenvielfalt - Teil 1 Eine Blumenwiese entsteht
Als Kind ist Gaby Lindinger gemeinsam mit Bläulingen und Blutströpfchen durch Wiesen der Oberpfalz gestreift. Diese Insekten gibt’s heute kaum noch. Höchste Zeit etwas zu tun, findet die Gärtnerin. Auf einem Stück Acker will sie eine artenreiche Blumenwiese erschaffen!
Vom Maisacker zur Blumenwiese
Ein gutes Jahr Vorlauf hat es gebraucht, bis Gaby Lindinger im Frühjahr 2021 ein 400 Quadratmeter großes Stück Acker am Grundstücksrand ihres Gartens übernehmen konnte. In diesem Jahr hat die Gärtnerin bereits zahlreiche Pflanzen in Töpfen vorgezogen. Königskerzen, Natternkopf, Nachtkerze und Co. warten seit Monaten auf ihren zukünftigen Lebensraum. Doch der ist für viele Wildkräuter und Blumen nicht unbedingt ideal. Der Boden ist humusreich und fett. Seit Jahren immer gut mit Nährstoffen versorgt, damit der Mais gut wachsen kann.
Viele heimische Blütenpflanzen mögen lieber magere, durchlässige Standorte. Doch die gesamte Fläche abmagern, das geht nicht. Im Laufe der Jahre passiert das von alleine – davon ist Gaby Lindinger überzeugt. Auf einem Fünftel der Fläche setzt sie deshalb sogenannte heimische Initialpflanzen. Schlüsselblume, Nachtkerze und Natternkopf sollen hier noch in diesem Jahr blühen und sich dann selbst versamen. So der Plan. Damit der Plan aufgeht, war schon einiges an Vorarbeit nötig!
Fette Böden – ein Paradies für Sauerampfer, Quecke und Winde
Seit Wochen ist die Gärtnerin bereits auf der Fläche unterwegs, versucht so den Wuchs von Sauerampfer, Quecke und Winde von Anfang an zu unterbinden. Denn all diese Beikräuter sind im Boden in Massen vorhanden, nutzen nun die Gelegenheit zum Austreiben ohne Konkurrenz. Jedes Wurzelstück muss deshalb aus dem Boden, denn viele Wildblumen sind als Jungpflanzen nicht besonders durchsetzungsfähig – je sauberer und besser der Standort vorbereitet ist, desto höher die Chancen auf viele Blüten in den kommenden Jahren.
Zum Glück ahnt die Gärtnerin noch nicht, was auf sie zukommt. So viel sei schon einmal verraten, leicht ist es nicht einen Acker in eine Blühwiese zu verwandeln! Wir haben Gaby Lindinger das ganze Jahr über mit der Kamera begleitet, haben uns mit ihr über die ersten Blüten gefreut und waren enttäuscht von so manchem Rückschlag.
Aus der Kinderstube ins Beet
Gaby Lindinger zieht schon seit vielen Jahren immer wieder Wildblumen in Töpfen an. So kann sie Lücken in ihren Gartenbeeten und auch auf Grünstreifen in der Gemeinde Wörth immer wieder mit Blüten anreichern.
Die besten Arten dafür hat die Gärtnerin uns gerne verraten:
Saatgut aus Bayern für Bayern!
Den größten Teil des Ackers will die Gärtnerin aber mit einer speziellen Blumenwiesenmischung ansäen. Wildblumenspezialisten aus Bayern bieten dafür geeignete Mischungen speziell für Frisch- oder Fettwiesen an. Diese sollen sich im Laufe der Jahre in immer schönere Blütenwiesen verwandeln. Damit das klappt, kommt es auf die fachgerechte Aussaat an. Denn zu dicht gesät, bedrängen sich die Pflanzen gegenseitig. Zu wenig Samen bilden einen lückenhaften Bestand. Doch Wildblumensaatgut gleichmäßig zu verteilen ist schwieriger als es sich anhört. Das Saatgut vieler Arten ist staubfein. So wiegen 1000 Glockenblumen-Samen gerade einmal 0,1 Gramm. Deshalb hat sich Gaby Lindinger zum Aussäen Hilfe geholt. Und zwar von Helmut Hechtbauer. Der Naturgartenplaner hat schon viele Hektar Brachland in blühende Wiesen verwandelt.
Maisschrot und Sojaschrot als Aussaathilfen?
Bevor die Samen auf die Fläche dürfen, heißt es erst einmal mischen, dann abwiegen und dann nochmals mischen. Der Grund: Häufig entmischen sich die Samen durch das Rütteln und Schütteln während des Transports. Grobe, leichte Samen sind dann oben in der Packung, feine, glatte und schwere Samen unten. Für eine artenreiche Blühwiese mischt Helmut Hechtbauer deshalb die Samen noch einmal kräftig durch und wiegt dann die Menge für jeweils 100 Quadratmeter ab. 1-2 Gramm Saatgut soll auf jedem Quadratmeter landen, nicht mehr und nicht weniger. Damit das funktioniert, unterteilt er das Feld in 100 Quadratmeter große Parzellen, wiegt das Saatgut ab und streckt es dann mit Sojaschrot.
Dieses ist sehr unterschiedlich in der Körnung, genauso wie die Blumensamen, und ist deshalb ein gutes Hilfsmittel, um die Samen auf den Boden zu bringen. Auf 100 Gramm Saatgut gibt der Naturgärtner 900 Gramm Sojaschrot, schreitet dann kreuz und quer über die Fläche und verteilt das Saatgut gleichmäßig. Ein weiterer Vorteil der Schrotbeimischung. Vögel picken lieber den Körnerschrot und lassen das feinere Saatgut in Ruhe.
Nie den Bodenkontakt verlieren!
Damit die Samen wirklich keimen, brauchen sie einen guten Bodenkontakt, deshalb ziehen Gaby Lindinger und Helmut Hechtbauer abschließend eine Stahlwalze, die mit Wasser gefüllt ist, über das Feld. Die Walze drückt die Samen in den Boden. Beim nächsten Regen beginnen diese zu quellen und dann zu keimen. Zudem kann der Wind die Samen so nicht so leicht vertragen. Und dann heißt es für beide Gärtner abwarten und Geduld haben, denn Wildblumen brauchen in erster Linie viel Zeit zum Wachsen.
Langzeitprojekt
Wie die Wiese wächst und welche Probleme es dabei gibt, zeigen wir in den nächsten Monaten in Querbeet. Alle Folgen gibt es dann auch in der BR-Mediathek und auf unserem YouTube-Kanal!
Infos zu Teil 2, dem Totholzhaufen, gibt es hier:
Infos zu Teil 3, dem Wiesenkönig und Sensenkurs, gibt es hier: