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Depressionen bei Jugendlichen

RESPEKT Depressionen bei Jugendlichen

Stand: 14.09.2022

Auf einen Blick

  • Psychische Krankheiten wie Depressionen werden oft bagatellisiert, die Betroffenen werden nicht wirklich ernst genommen.
  • Aufklärung ist entscheidend - wenn auch Nicht-Betroffene über Depressionen Bescheid wissen, können sie besser erkennen, wann Menschen Hilfe brauchen.
  • Frühes Erkennen und Behandeln einer Depression erhöht die Heilungschancen.
  • Mit verschiedenen Therapieformen und bei Bedarf auch Medikamenten können Depressionen behandelt werden.

Wer sich ein Bein bricht, geht zum Arzt und wird behandelt. Bei einer psychischen Krankheit wie einer Depression ist die Lage komplizierter. Allein das Erkennen der Depression gestaltet sich schwierig. Betroffene wissen oft lange nicht, was mit ihnen los ist. Da in unserer Gesellschaft die meisten Menschen zu wenig über diese Krankheit wissen, erkennt auch das Umfeld von Betroffenen oft viel zu spät, dass Handeln nötig wäre. Und selbst wenn eine Depression schließlich diagnostiziert wird, sind Therapieplätze meistens schwer zu bekommen und Kliniken und Beratungsstellen überlastet. Die Corona-Pandemie hat diese Situation noch verschlimmert. Kinder und Jugendliche waren mit Homeschooling und Isolierung überfordert und wurden krank. Wie bekommen Kinder und Jugendliche mit Depressionen besser Hilfe und wie können wir insgesamt mit dieser Krankheit besser umgehen?

Depressiv - nicht nur "ein bisschen traurig"

Definition

Video (2:16) Was ist eine Depression?

Traurig ist jeder mal. Das gehört zum Leben dazu und geht wieder vorbei. Das hat aber rein gar nichts mit der Krankheit Depression zu tun. Die Menschen, die daran leiden, sind dauerhaft niedergeschlagen, ihnen fehlt jeder Antrieb, alles erscheint sinnlos. Oft sind sie nicht mehr in der Lage, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Da eine Depression nicht einfach von alleine verschwindet, ist es wichtig, sich so schnell wie möglich behandeln zu lassen. Je nach Fall helfen eine Psychotherapie, antidepressive Medikamente oder eine Kombination, unbedingt unter ärztlicher Aufsicht.

Ausbrechen aus dem Teufelskreis

Depressionen müssen nicht den einen krassen Auslöser haben. Bei vielen passiert es schleichend, wie bei Sophia. Ihr fehlte in der Corona-Pandemie im Homeschooling die Struktur, das Lernen fiel ihr immer schwerer. Sie wurde schlechter in der Schule - was vorher eigentlich eine ihrer Stärken war. Sie nahm immer seltener am Schulunterricht teil, war immer öfter krank und kam schließlich in einen Zustand, wo sie wochenlang kaum noch aufstehen, geschweige denn einfache Sachen wie Zähne putzen oder duschen konnte. Eine Psychiaterin diagnostizierte eine leichte Depression.

Sophia beschreibt, dass sich bei ihr durch die Depression die ganze Wahrnehmung verändert hat. Sie fing an, alles schlimm zu finden. Bei einer schlechten Note war sie überzeugt, das alles sowieso niemals zu schaffen und später vermutlich obdachlos zu werden. Sie machte sich selber total fertig und dadurch wurde es immer noch schlimmer. Sie kam schließlich in eine Klinik und schaffte es mit Therapien und durch intensive Mitarbeit, dass es ihr heute wieder deutlich besser geht.

"Und es gibt halt auch verschiedene Therapien. [...] Ich hab da ganz neue Ansichten bekommen, weil ich dadurch eben besser verstanden habe, was eigentlich mit mir passiert ist und dass es aber nicht so sein muss. Und dass ich mich auch nicht für immer schlecht fühlen muss, sondern dass ich mich auch wieder besser fühlen kann."

Sophia, Schülerin

Depressionen erkennen und etwas dagegen unternehmen

Entscheidend ist das frühe Erkennen einer Depression, um schnell etwas unternehmen zu können. Bei Kindern und Jugendlichen besteht die Gefahr, dass die Symptome einer Depression der Pubertät zugeschrieben und deshalb nicht so ernst genommen werden. Überhaupt findet wenig Aufklärung statt. Filmemacher Luca Zug und seine Mitstreiter:innen wollen mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit Depression: Sie haben einen Film gemacht über Depressionen und eine Petition im Bayerischen Landtag eingereicht, die Schulen zu besserer Aufklärung verpflichten soll. Zentrale Forderungen der Petition sind: verpflichtende Aufklärungsveranstaltungen für alle Schülerinnen und Schüler und Informationsveranstaltungen und Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer.

Hilfe in der Schule

In den Schulen sind Schulpsycholog:innen vor Ort, um Schülerinnen und Schülern bei Bedarf helfen zu können. Sie beraten die Kinder und Jugendlichen, bauen eine Verbindung auf, sind dauerhaft ansprechbar. Wenn der Verdacht auf eine Depression oder schwerwiegende depressive Phase entsteht, dürfen Schulpsycholog:innen aber nicht selbst therapieren, sie bieten sozusagen eine Überleitung zu Spezialist:innen.

"Dann ist meine Aufgabe als Schulpsychologe, mit dem Schüler, mit der Schülerin so zu arbeiten, man nennt den Begriff 'therapiefähig' oder 'therapiebereit' zu machen, dass der sagt: Ich gehe dorthin. Ich suche mir Hilfe bei einem Therapeuten, einem Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Ganz häufig ist es auch so, dass ich die Schüler dort auch mal hin begleite oder den Erstkontakt, die Brücke baue."

Stojan Janowicz, Schulpsychologe

Zahlen und Fakten

Video (3:17): Depressionen - wo gibt's Hilfe?

Wo gibt's Hilfe?

  • Notfallnummer 112: bei einer akuten Krise und in lebensbedrohlichen Situationen.
  • "Nummer gegen Kummer" 116 111 (bundesweit, kostenlos): Beratung für Kinder und Jugendliche, anonym.
  • "Info-Telefon Depression" 0800-33 44 533 (bundesweit, kostenlos): Infos zum Thema Depression und zu Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige.
  • 116 117: Ärztlicher Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigungen und Terminvermittlung
  • Auch Hausärzt:innen und Krankenkassen unterstützen bei der Suche nach psychotherapeutischer Hilfe.
  • Online-Tool "IFightDepression": internetbasiertes Selbstmanagement-Programm für Menschen mit leichteren Depressionsformen

Zahlen und Fakten: Quellen (pdf)

Quellen "Depressionen - wo gibt's Hilfe?" Format: PDF Größe: 100,6 KB

Früherkennung für bessere Heilungschancen

Eine Depression hat meistens mehrere Ursachen. Genetische Faktoren können eine Rolle spielen, soziale Einflüsse wie Stress, Mobbing, Streit, oder auch Substanz-Missbrauch, also Alkohol oder zum Beispiel das Nehmen von Drogen. Je früher Betroffene sich Hilfe holen und stabilisiert werden können, desto besser ist die Prognose, die Depression zu heilen. Gerade Kinder und Jugendliche haben noch viele Ressourcen und Fähigkeiten, mit Belastungen umzugehen. Im Weg stehen oft die langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz. In nicht-akuten Fällen warten Patient:innen schon mal bis zu einem halben Jahr. Dabei ist es für die Betroffenen oft schon eine große Erleichterung, eine Diagnose zu bekommen, zu verstehen, was mit ihnen passiert und welche Therapiemöglichkeiten es für sie gibt.

"Ich hätte keine Angst, die Diagnose zu stellen. Ich hätte eher Angst, dass es so eine große Stigmatisierung in der Gesellschaft noch gibt, dass die Patienten sich nicht trauen, zu kommen."

Dr. Selina Kornbichler, Oberärztin an der Kinder- und Jugendpsychiatrie, LMU

Begriffe aus den Videos

  • Verhaltenstherapie = im Fokus: die aktuellen Probleme besprechen und Strategien erlernen, wie sich diese Probleme angehen lassen. Konkrete Handlungsanleitungen.
  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie = Neben der aktuellen Lebenssituation ist die Vergangenheit im Blick. Erinnerungen, Gefühle und Situationen, etwa aus der Kindheit. All das wird in einem Zusammenhang mit dem Jetzt betrachtet. Daraus ergeben sich oft Fährten für Lösungswege.
  • Psychoanalyse = Kindheitserfahrungen und die Eltern-Kind-Beziehung stehen im Fokus. Ein intensiver Prozess des Erinnerns, um belastende und traumatische Erfahrungen zu verarbeiten.
  • Ergotherapie = Therapie-Methode, in der mit kreativen und handwerklichen Techniken gearbeitet wird (Keramik, Holz, Mosaik etc.)
  • Transitions-Station = Station für Patient:innen ab 18 Jahren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, LMU
  • Komorbidität = eine oder mehrere Erkrankungen, die zu einer Grunderkrankung hinzukommen
  • ambulante Behandlung = einzelne Termine in einer Klinik/Ambulanz ohne Unterkunft bzw. Verpflegung etc. Danach geht's wieder nach Hause.
  • stationäre Behandlung = mehrtägiger Therapie-Aufenthalt in der Klinik inkl. Verpflegung, die Kinder und Jugendlichen schlafen dort.
  • teilstationäre Behandlung = umfangreiche Behandlung am Tag in der Klinik, ähnlich der stationären Behandlung, die Nacht wird zu Hause verbracht.
  • multifaktoriell bedingt = etwas entsteht aus mehreren verschiedenen Gründen
  • Substanz-Missbrauch = Substanzen wie zum Beispiel Drogen nehmen, obwohl sie einem nachweislich körperlich oder psychisch schaden
  • Eigengefährdung / Selbstgefährung = Handlungen, die bewusst oder unbewusst die eigene Gesundheit schädigen könnten (physisch oder psychisch)
  • Fremdgefährdung = bewusstes oder unbewusstes Handeln, mit dem die Gesundheit einer anderen Person gefährdet wird
  • akute Aufnahme = eine akut erkrankte Person wird sofort stationär aufgenommen
  • elektive Aufnahme = eine Patientin / ein Patient ist nicht akut erkrankt, die ambulante Behandlung reicht aber nicht mehr aus - eine Aufnahme wird geplant
  • Chronifizierungsrisiko = das Risiko, dass eine Krankheit dauerhaft wird
  • Resilienz = die Fähigkeit, mit Belastungen klarzukommen

Keine Angst vor dem "Monster Depression"

Eva Malchereck litt unter einer Depression und war deshalb einige Monate in einer Klinik. Aus vielen Notizen während ihrer Therapie dort ist ein Buch entstanden, "Zwischen Schwarz und Weiß ist ganz viel bunt", das man kostenlos im Internet runterladen kann. Mit dem Buch möchte sie anderen Mut machen und die Angst nehmen vor diesem "Monster". Sie hat aus ihrer Therapie einiges mitgenommen, worauf sie jetzt achtet: Yoga, Meditation, sie geht weiter ihren Hobbys nach, macht regelmäßig Pausen, auch wenn sie noch so in die Arbeit vertieft ist, und hat viel Kontakt zu Freund:innen.

"Ich bin auch sehr viel im Austausch mit meinem Umfeld, mit meinen Freundinnen vor allem. Dass man sich auch mit Leuten um einen rum (...) über sein Wohlbefinden unterhält. Und mir gibt es immer viel, wenn die mir dann auch von sich erzählen und nicht irgendwie nur so das Oberflächliche. [...] Also es ersetzt keine Therapie, mit Freunden zu quatschen, sage ich mal, aber es hilft schon."

Eva Malchereck, Texterin und Techno-DJ

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