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Hermann Glaser Adolf Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf"

Der Publizist und ehemalige Nürnberger Kulturreferent Hermann Glaser hat sich schon häufig mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. In "Adolf Hitlers Hetzschrift" setzt er sich mit der Mentalität hinter "Mein Kampf" auseinander.

Von: Corinna Mielke

Stand: 11.08.2014 | Archiv

Buchcover: Adolf Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" | Bild: Allitera Verlag; Foto: BR-Studio Franken/Staudenmayer

Ende 2015 erlöschen die Urheberrechte an Hitlers politischer Programmschrift  "Mein Kampf", die nach Kriegsende auf den Freistaat Bayern übergegangen waren. Mehr noch im Ausland als in Deutschland kursiert die Frage, was passiert, sollte das Buch in Deutschland wieder in den Handel kommen.

Verboten bleibt auch nach 2015 die unkommentierte Veröffentlichung des Machwerks. Historiker erarbeiten aber derzeit eine kommentierte wissenschaftliche Ausgabe. Auch Nürnbergs legendärer ehemaliger Kulturreferent Hermann Glaser hat sich rechtzeitig um das Tsshema gekümmert – erneut, denn Glaser publiziert seit Jahrzehnten zu der Frage, wie es zu diesem "Dritten Reich" kommen konnte. Ein Thema, dem sich Nürnberg als ehemalige Stadt der Reichsparteitage mittlerweile offensiv stellt.

Elf Millionen Exemplare kursierten bis 1945, das Buch wurde in 16 Sprachen übersetzt. Es ist im Ausland erhältlich, in Deutschland verboten, oder es liegt sogar noch auf dem Dachboden in Omas Truhe. War "Mein Kampf" ein Bestseller? Stilistisch bestimmt nicht:  Das "in weiten Passagen von unerträglicher Banalität erfüllte Buch ist vor allem der hemmungslose Erguss eines hypertrophen Selbstbewusstseins" heißt es im renommierten Kindler-Lexikon der Weltliteratur. Hitler selbst wusste, - so belegt Hermann Glaser - dass er keine begnadete Schreibe hatte und wohl nicht mal im Völkischen Beobachter abgedruckt worden wäre, dem Parteiorgan der NSDAP.

Und dennoch: Die Ansichten und Parolen von Adolf Hitler, wie sie seit 1925 in "Mein Kampf" veröffentlicht waren, fanden in kurzer Zeit nicht nur in Nürnberg massenhafte Zustimmung. Wie das passieren konnte, treibt Hermann Glaser schon seit 40 Jahren um.

"Meine These ist, dass Hitler so erfolgreich war, weil Hitler schon vor Hitler in der deutschen Gesellschaft vorhanden war."

Hermann Glaser

Hitler fasste nur zusammen, was im Volk schon da war, so Glaser. Er war keineswegs so originell, wie er sich stilisieren wollte. Die Rassenlehre beispielsweise schnappte er in seiner Wiener Zeit in einschlägigen Traktätchen auf, die zunehmend Ende des 19. Jahrhunderts im Umlauf waren.

"Es ist wichtig, zu erklären, wo Hitler das herhatte."

Hermann Glaser

Der blonde Arier als edelste und reinste Rasse. Dass schon der Begriff "Arier" Unsinn war, kann Glaser belegen: "Arisch" ist eine Mitte des 19. Jahrhunderts verwendete Bezeichnung für eine indogermanische Sprachfamilie, und hat nichts mit Schädelform oder Augenfarbe zu tun. Doch die Wertungen, die Hitler dem wissenschaftlich haltlosen Begriff gab, entsprachen den Vorurteilen eines Teils der Bevölkerung.

Der geistige und der emotionale Boden in Deutschland war fruchtbar. Der Bildungsbürger war zum Untertan mutiert, zum Volksgenossen war's nicht weit. Oder zur Volksgenossin. Die Gartenlaube war das stilbildende Massenunterhaltungsblatt konservativer zunehmend nationalistischer Prägung. Die aufklärerischen Bildungs- und Erziehungsbemühungen um die Frauen und Mädchen waren dahin. Frauen wurden nur noch süß und dumm gezeichnet und bar aller Emanzipationsgelüste. In dieser massengängigen, süßen Leere konnte die Maiden-Welt des Nationalsozialismus Sinnerfüllung bieten.

Das Bild der Frau als Zuchttier, die Rasselehre, Judenhass, Kampf als Lebensprinzip, alle Hohlheiten finden sich weitschweifig dargelegt in Hitlers Machwerk. Für Hermann Glaser reichen Auszüge daraus, um Hitlers Grundgedanken zu erläutern und zu erklären, wieso es seiner Meinung nach zu dieser deutschen Zustimmungsdiktatur kam. Zeitgleich entsteht im Moment im Institut für Zeitgeschichte eine kritische Gesamtausgabe, in der jeder Seite Text aus "Mein Kampf" ein analysierender Kommentar auf der anderen Seite gegenüber steht. Alle anderen Schriften Hitlers sind bereits wissenschaftlich aufgearbeitet.

Und sollte "Mein Kampf " wieder verlegt werden: Die Welt wird nichts Neues erfahren, alle menschenverachtenden Ansichten sind schon in der Welt, wenn auch abgetaucht in den Nationalsozialistischen Untergrund. Einziges Mittel gegen das "ideologische Gift" nach Meinung von Glaser: zum Denken anregen, gegen den sich versteckt tradierenden Faschismus anschreiben.

"Die Immunisierung ist eine nach wie vor wichtige Aufgabe. Wer in der Demokratie schläft, erwacht in der Diktatur."

Hermann Glaser

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Hermann Glaser: Adolf Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf": Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte des Nationalsozialismus, München 2014, Allitera Verlag, 344 Seiten, 19,90 Euro, ISBN-13: 978-3-86906-622-6

Das Sachbuch "Adolf Hitlers Hetzschrift 'Mein Kampf'" bündelt die langjährigen Recherchen von Hermann Glaser im Bereich der deutschen Mentalitätsgeschichte. Glasers üppige Assoziationsketten sind nicht unbedingt leichte Urlaubslektüre. Für historisch Interessierte und Mittler aber ist Glasers Ansatz nach wie vor hochinteressant, sauber belegt und angesichts der erstarkenden braunen Aktivitäten gerade auch in Franken ein wichtiger Beitrag.


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Joachim Kreysler, Donnerstag, 18.Juni 2015, 20:21 Uhr

1. HERMANN GLASER ADOLF HITLERS HETZSCHRIFT "Mein Kampf"

Diese detaillierte Mentalitätsgeschichte des deutschen Faschismus ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zum historischen Verständnis des deutschen Kulturverlustes im neunzehnten Jahrhundert, der als Folge die breite Annahme der Hitlerschen germanischen Weltsicht und Rassentheorien möglich machte.
Glaser's Darstellung drängt geradezu danach, die verschiedenen Formen totalitärer kontemporärer Regimes, aber auch und besonders die neuen religiös motivierten "Faschismen" unserer Zeit genauer anzusehen. Der historische Background rechtsradikaler christlicher Sektenentwicklung in Nordamerika scheint völlig verschieden vom sozialpolitischen Kontext, der die Taliban Bewegung und gegenwärtig ISIS im Mittleren Osten erlaubte. Es ist wichtig, Glaser's Forschungsansatz auf diese Thematik zu übertragen.
Man sollte fragen, ob der "Spiesser" sich inzwischen als weltweites Phänomen entwickelt hat.

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