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Heike Duken "Denn Familie sind wir trotzdem"

Die Nürnberger Psychotherapeutin Heike Duken hat ihren zweiten Roman veröffentlicht: "Denn Familie sind wir trotzdem“. Den Stoff dafür fand die Autorin in ihrer eigenen ungewöhnlichen Familiengeschichte und er führt uns von der Zeit des Nationalsozialismus bis ins Heute.

Von: Dirk Kruse

Stand: 11.08.2021 | Archiv

Buch Heike Duven: "Denn Familie sind wir trotzdem" | Bild: BR / Dirk Kruse

Mit Menschen und ihren familiären Beziehungen kennt sich die Psychotherapeutin Heike Duken, die in Nürnberg eine eigene Praxis betreibt, bestens aus. So gut, dass sie nicht nur Sachbücher schreibt, sondern seit einiger Zeit auch Romane. Vor zwei Jahren erschien der erste Familienroman von Heike Duken, der viele Leser gefunden hat. Er hieß "Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt" und wurde mit einem Stipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert. Jetzt ist ihr zweiter Roman erschienen "Denn Familie sind wir trotzdem".

Die Eltern von Paul und Gerd sind echte Abenteurer und dauernd auf Reisen in Mittel- und Südamerika. Deshalb wachsen die beiden Brüder in den 1920er- und 30er-Jahren bei ihrem Onkel Johann in Nürnberg auf. Doch der bekannte Kinderarzt ist ein Nazi der ersten Stunde und obendrein ein Sadist. Mit Gewalt erzieht er seine Neffen zu kleinen Soldaten. Während Paul an dem Drill Gefallen findet, sträubt Gerd sich dagegen.

"Der Onkel schlägt mit dem Weidenast auf den Gerd ein, und bei jedem Schlag gibt es erst ein Pfeifen, und dann knallt es. Der Gerd schreit wie am Spieß, dann weint er und bettelt: 'Nicht, Onkel, nicht.'
Das nützt ihm nichts, der Onkel wird bloß noch wütender, wenn Gerd so bettelt. Er ist eben eine Memme. Er kann kein Soldat werden […] wenn Deutschland wieder groß ist.
Der Onkel hört nicht auf, bis eine Frau mit einem Kind an der Hand die Böschung herunterkommt und ruft: 'Herr Doktor, Sie bringen ihn ja um!'"

Zitat aus dem Roman 'Denn Familie sind wir trotzdem'

Buchtipp: Heike Duken: "Denn Familie sind wir trotzdem"

Paul nimmt sich vor hart wie Stahl zu werden. Er wird sich später freiwillig zur Waffen-SS melden und den Krieg überleben, während der friedfertige Gerd durch eine Intrige des Onkels an die Ostfront geschickt wird, wo er 1942 fällt.

Das Vorbild für die Figur des Paul Fux ist der eigene Vater von Heike Duken. Der war auch ein überzeugter Nazi und Mitglied der Waffen-SS. Doch da er starb als die Autorin noch ein kleines Kind war, konnte sie nie mit ihm darüber reden. Erst Jahrzehnte später recherchierte Heike Duken das Leben ihres Vaters und ihres Großonkels, der als Kinderarzt am Euthanasieprogramm der Nazis und an der Ermordung Dutzender Kinder beteiligt war. An das Schreiben eines Romans dachte die Nürnberger Autorin und Psychotherapeutin anfangs noch nicht.

"Ich hatte viel herausbekommen über die Kindheit meines Vaters, die nicht einfach war. Und ich habe eine Kurzgeschichte geschrieben, um mich da mal so einzufühlen. Ich wollte dem Jungen hinterherspüren, der er mal war. Daraus ist dann ein Roman entstanden. Ich habe dann noch eine Szene geschrieben und noch eine. Und dann fügte sich eines zum anderen und ich habe bemerkt, dass es schon 50 Seiten sind. Und wenn man über die magischen 50 Seiten mal hinaus ist, dann kann es ein längeres Ding werden."

Heike Duken, Autorin

Warum wird einer zum Nationalsozialisten? Und was richten seine Verbrechen im Krieg und sein Schweigen darüber in seiner Familie an? Das sind die Hauptfragen, die Heike Duken in ihrem zweiten Roman "Denn Familie sind wir trotzdem" über mehrere Generationen hinweg erzählt.

"Der Roman diente mir auch dazu Lücken zu schließen, die unerzählt sind und unerzählt bleiben werden. Aber vieles von dem, was ich herausgefunden habe, habe ich verarbeitet. Etwa, was den Onkel betrifft, die Kindheit dieser Jungen, die englische Großmutter, die die Welt bereist und ihre Kinder zurücklässt. Und dann fängt aber auch viel Fiktion an. Ich habe den Faden weitergesponnen und habe meiner Kreativität freien Lauf gelassen. Da habe ich auch viel erfunden."

Heike Duken, Autorin

Da ist noch Pauls aufsässige Tochter Ina, die mit 19 zur Friedensarbeit in einen Kibbuz nach Israel geht, von einem Bewohner dort schwanger wird und in Deutschland als alleinerziehende Mutter am Rande der Armut lebt. Und da ist wiederum Inas zornige Tochter Floh, die sich handgreiflich in der Antifa engagiert, mit ihrer Mutter dauernd streitet, aber ihren Opa Paul liebt. Sie fährt sogar hochschwanger mit dem alten, kranken Mann nach Russland, wo er das Grab seines Bruders Gerd sucht. Und da ist ganz zum Ende des Romans Flohs 15-jährige Tochter Samy, die über Facebook von ihrer israelischen Cousine ausfindig gemacht wird. Erzählt wird das alles nicht episch breit, sondern in kurzen, eindringlichen und prägnanten Szenen, die ein charakteristisches Licht auf die einzelnen Figuren werfen.

"Ich denke und schreibe in einzelnen Szenen, eigentlich fast wie Filmszenen. Das komponiere ich dann immer wieder neu zusammen. Ich habe das tatsächlich auf so Karten stehen. Und dann werden die immer wieder neu geordnet. Und dann sehe ich auch: Wo fehlt ein Stück? Wo fehlt noch eine Szene? Welche Figur kommt noch zu kurz? Wo muss ich noch etwas deutlicher machen? Und so komponiere ich das, wobei ich das Ende und den Anfang wusste."

Heike Duken, Autorin

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Heike Duken: "Denn Familie sind wir trotzdem", Roman, München 2021, Limes Verlag, 308 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-8090-2729-4

"Denn Familie sind wir trotzdem" ist ein beeindruckender Roman über familiäre Abgründe und ihre seelischen Folgen. Wahrlich kein neues Thema, aber eines, das hier literarisch überzeugt. Filmisch geschnitten, mit spannenden Perspektivwechseln und rasanten Zeitsprüngen, einfühlsam geschrieben und stilistisch ambitioniert – kurzum ein Familienroman, der einen unglaublichen Sog beim Lesen entfaltet.


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