Reinhard Knodt Brief an den Turmschreiber
Reinhard Knodt war Turmschreiber der Stadt Abenberg im Landkreis Roth. Einen Monat lebte und arbeitete er im Ostturm der Burg Abenberg. 2008 legte er eine kritische, verspielte, aber auch achtungsvolle Heimatbeschreibung vor.
Es wäre leicht, zu denken, das Städtchen Abenberg mit der stattlichen Burg sei ein sehr poetischer und inspirierender Aufenthalt für einen Dichter. "Ganz banal gesehen ist das eine Kleinstadt, depressiv, kein Laden, nichts offen, die Leute laufen halt rum, Schlafstadt, die Leute fahren zum Arbeiten nach Nürnberg", sagt hingegen der Nürnberger Philosoph und Autor Reinhard Knodt. Trotzdem steckt mehr hinter der Fassade: "Wenn man aber alles erkundet hat und alles weiß, auch die Geschichte, dann fängt das an zu leben. Das ist eine Art 'Turboverheimatlichung'. Man wird dann innerhalb von einem Monat wirklich Abenberger, das hätte man sonst nicht in Jahrhunderten geschafft."
Einblick in die fränkische Seele
Reinhard Knodt ist ein Quergänger, einer der nicht auf ausgetretenen Pfaden wandelt. Daher erzählt er in seinem Buch auch weniger über die Burg Abenberg und die anderen Sehenswürdigkeiten der Stadt. In seinem Buch philosophiert Knodt über den Franken im Allgemeinen und die Abenberger im Besonderen, berichtet von der Seligen Silla, der Stadtheiligen Abenbergs, und macht eine Nachtwanderung zum Dinkelsbühler Druidenstein. Er begibt sich auf Abenberger Feldforschung vom Golfplatz übers Neubaugebiet bis zum Stammtisch und gewinnt tiefe Einblicke in die fränkische Seele.
"Hier in Abenberg ist zum Beispiel alles immer entweder 'einwandfrei' oder 'sehr schön' oder 'schön' - in diesen Abstufungen, wobei 'schön' bereits bedeutet, dass es eben nicht schön ist. Die Franken reden so. Es gibt eine Unzahl lobender Ausdrücke und die Kritik muss dann aus der Art des Lobens und seiner Intonierung herausinterpretiert werden. Ansonsten kommt in Abenberg noch hinzu, dass hier alles berufsmäßig schöngeredet wird, von den Leitern der Tourismusämter, den Bürgermeistern, den Heimatvereinen, dem Zweckverband, so dass eben am Ende selbst das Allerhässlichste bestenfalls noch 'charakteristisch' genannt wird, während das wirklich Schöne praktisch in den Heiligenstand versetzt und den paradiesischen Sphären zugerechnet wird."
Buchzitat
Info und Bewertung
Reinhard Knodt: Brief an den Turmschreiber. Mitteilungen über Abenberg, Gott und die Welt, Abenberg 2008, Verlag des Landkreises Roth, 124 Seiten, 10,80 Euro, ISBN 978-3-9807896-2-2
Das mit interessanten Schwarzweiß-Fotos versehene und auch typographisch sehr schön gestaltete Buch von Reinhard Knodt ist eine anregende und unterhaltsame Lektüre.
Es ist doch immer wieder ein Genuss, wenn ein kluger Kopf sich Gedanken über seine Heimat macht und das dann in einem an Tucholsky und Henscheid geschulten Ton für uns aufschreibt.
"Zwei Weißbier später hatte ich eine längere Beweisführung gegenüber einer fröhlichen Runde, dass Irland und Franken viel gemeinsam hätten: das Bier, die etwa dreihundert Klöster, den Regen, den Buchenholzrauch aus den Kaminen und die Landschaft, die uns Franken über alle sonstigen bereits durch den technischen Fortschritt zerstörten Gegenden der Welt weit hinaushebt. Ich verstieg mich zu hohen Hymnen. Die Franken seien der letzte Hort einer lebenskräftigen Vernunft. Ihr scheinbar schüchterner, in Wirklichkeit aber hintergründiger Umgang miteinander sei bereits Weisheit. Ich muss sehr betrunken gewesen sein!"
Buchzitat