Thomas Klupp Paradiso
Das hoch gelobte und erfolgreiche Debüt des 1977 in Erlangen geborenen und in der Oberpfalz aufgewachsenen Thomas Klupp heißt "Paradiso" - ein rasantes Roadmovie in Romanform, das seinen Protagonisten per Anhalter von Berlin nach München schickt.
Alex Böhm, oberpfälzischer Filmstudent in Potsdam, Mitte zwanzig, ist einer, der die Menschen anlächelt, ein sensibler und aufmerksamer Typ. Das denken die meisten Menschen, die ihm begegnen, und das denkt anfangs auch der Leser dieses rasanten Roadmovies in Romanform, das seinen Protagonisten per Anhalter von Berlin nach München schickt. Doch da er auch die Gedanken des wild drauflos schwadronierenden Erzählers lesen kann, merkt er schon bald: Alex Böhm ist ein kaltblütiger Ehrgeizling, ein verlogenes Arschloch, einer, der - wie er zugibt - nicht mit sich selbst befreundet sein möchte.
"Sie möchte mit mir noch was trinken gehen, wenn ich Lust habe. Ganz nett sagt sie das, beinahe schüchtern, und ich lächele sie an und sage, dass ich sie exakt dasselbe fragen wollte. So hart lüge ich wirklich selten. Mein Gesicht ist wie eingefroren, während ich lächle, so dass ich fast einen Krampf im Kiefer bekomme, aber Patrizia bemerkt das nicht. Sie fädelt den Wagen in den Verkehr ein, fährt haargenau fünfzig, wie es in geschlossenen Ortschaften vorgeschrieben ist, und sagt, dass sie Weiden eine ziemlich schöne Stadt findet. Ich nicke, obwohl die Randgebiete das Hässlichste sind, was Architekten je entworfen haben."
Paradiso, Thomas Klupp
Der Autor muss das wissen, denn wie sein Protagonist wuchs Thomas Klupp in Weiden auf. In dieser Stadt kippt die urkomische Geschichte, die unterhaltsam von Pubertätsnöten und Studentenleben erzählt dann ins Tragische. Auf einer Party am Baggersee Paradiso knallt sich Alex mit Alkohol und Drogen reichlich zu, schläft mit seiner Ex-Freundin Leni, die noch gar nicht weiß, dass sie seine Ex-Freundin ist und schlägt seinen besten Freund Simon halb tot. Thomas Klupp hat einen bitterbösen Schelmenroman geschrieben.
"Meine Absicht mit dem ganzen Text ist es nämlich zu zeigen, was für gefährliche Potenziale in Opportunisten, in eigentlich ganz witzigen Typen, in Mitläufern, in so Leuten, die jedem gefallen wollen, was für ein gefährliches Potenzial in diesen Menschen liegt."
Thomas Klupp
Info und Bewertung:
Thomas Kraft: Jakob Wassermann. München 2008, dtv premium, 260 Seiten, einige Abbildungen, 14.90 Euro, ISBN 978-3-423-24705-4
Mit Paradiso ist Thomas Klupp das grotesk komische Portrait eines Mitglieds der heutigen Spaßgeneration gelungen.
Der Autor holt Salingers "Fänger im Roggen" in die Jetztzeit und stattet ihn mit dem schwarzen Humor eines Gerhard Polt aus, bei dem einem das Lachen im Halse steckenbleibt.
Ein schwungvolles Lesevergnügen, das einen auch nachdenklich stimmt.