Helwig Arenz Der böse Nik
Nach Ewald und Sigrun hat nun auch der Jüngste der Arenz-Geschwister einen Roman vorgelegt: Sein Erstlingswerk heißt "Der böse Nik" – und gefällt den Kritikern.
"Dort, wo wir schliefen, hatten wir rostrotes Wasser, nur ein Klo ohne Tür, und die Heizung fiel aus, wenn es kalt wurde. Gabriel ließ uns da für lau wohnen. Wir mussten nur ein bisschen renovieren helfen als Gegenleistung. Doch die Ergebnisse waren mager. Keiner von uns war es gewohnt, eine Arbeit länger als fünfzehn Minuten konzentriert auszuführen. Also schoben wir weiterhin das alte Wellblech vor das Klo, wenn wir ungestört scheißen wollten, und klebten im Winter die Fenster zu."
Zitat aus: Der böse Nik / Helwig Arenz
Wer da im ebenso lakonischen wie derb-komischen Ton über sein Dasein in einem halb verfallenen Bauernhof berichtet ist Nik. Der ausgebuffte Kleinkriminelle lebt dort zusammen in einer vermüllten WG mit anderen Drogen- und Alkoholabhängigen.
Da ist sein Kumpel Tommie L., ein grenzdebiler Riesenkerl mit einem Kindergemüt, die drogenabhängige Sandrine, die von Nik nur "die Französin" genannt und schikaniert wird, die magersüchtige Lauri, deren Tochter teilweise im Heim aufwächst, und der selbsternannte Sozialpädagoge Gabriel, dem das Anwesen gehört, und der sich im Geiste eines staatskritischen Achtundsechzigers um die von der Gesellschaft Ausgestoßenen kümmert.
Die Idee zu seinem ersten Roman kam dem Fürther Helwig Arenz in seiner Zeit als Schauspieler am Theater in Hof. Dort lebte auch er in einer Wohngemeinschaft auf dem Lande in einem heruntergekommenen Bauernhaus. Das ist aber auch der einzige autobiographische Impuls, beteuert der Autor.
"Es war eine WG, aber es waren gänzlich andere Typen. Es waren berufstätige Leute. Da hat z.B. eine Psychologin gewohnt, die in einem Kinderheim gearbeitet hat. Das ist für mich ein unglaublich interessantes Milieu. Und gleichzeitig habe ich mich inspiriert von einer anderen Bekannten und Freundin, die sich mit forensischer Psychiatrie beschäftigt hat. Was passiert mit Menschen am Rande der Gesellschaft? Wie sind die? Was haben die für Chancen? Was ist überhaupt normal und was ist nicht normal? Was macht man mit solchen Leuten, die man eigentlich wegsperren müsste? Das hat mich alles brennend interessiert und daraus ist der Roman auch entstanden und beeinflusst worden."
Autor Helwig Arenz
Herausgekommen ist dabei kein politisch korrekter sozialkritischer Roman, sondern ein echtes Stück saftiger Literatur. Erzählt wird konsequent aus der Perspektive des verschlagenen und nicht sonderlich sympathischen Nik, der alle Bewohner dieser oberfränkischen WG, die ständig an Geldnot leiden, in seinem Sinne zu manipulieren versucht. Das artet in grotesk-komische Situationen aus, etwa wenn die Outlaws eine eigene Drogenküche ausprobieren, das Rauschgift dann aber nicht verkaufen können, weil sie alles selbst geschluckt haben.
Doch ist es ein Lachen, das dem Leser immer wieder im Halse stecken bleibt. Helwig Arenz, der sich als Schauspieler sehr gut in abgründige Charaktere einfühlen kann, hat mit dem bösen Nik einen gleichsam gewissenlosen wie einnehmenden Romanhelden erfunden, der entfernt an die erfolgreichen "Elling"-Romane von Ingvar Ambjörnsen oder an Wolfgang Herrndorfs Besteller "Tschick" erinnert, aber dennoch etwas ganz Eigenständiges ist. Dazu erlaubt Arenz sich bei aller Rollenprosa kleine Ausflüge ins Poetische. Denn Nik ist leidenschaftlich in Gabriels Freundin Lauri verliebt.
"Wochenlang schlichen wir beide auf Zehenspitzen nach oben und liebten uns, wenn wir die anderen endlich besoffen genug gemacht hatten. (…) Und wenn sie dann bei mir war, war es, als tauchten wir unter Wasser und sänken tiefer und tiefer, bis unsere Körper so fest aneinandergedrückt waren, als ob das Dazwischen ausgelöscht würde. Das Licht drang nur noch als Schimmern durch die Ritzen und Spalten zu uns in die Tiefe und fing sich in unseren Augen. Wir konnten uns ansehen, ohne Angst, ruhig und lang. Aber kein Wort konnte durch das Wasser dringen. Unsere Finger sprachen mit unserer Haut. Die Stille sprach. Das war Lauri."
Zitat aus: Der böse Nik / Helwig Arenz
Info & Bewertung
Helwig Arenz: Der böse Nik, Cadolzburg 2014, Ars Vivendi Verlag, 212 Seiten, 17,90 Euro, ISBN 978-3-86913-471-0
Der 33-jährige Helwig Arenz hat ein beeindruckendes Roman-Debüt hingelegt mit einer ebenso unterhaltsamen wie nachdenklich machenden Geschichte, die mit viel Drive erzählt wird. Anscheinend gibt es in der Fürther Familie Arenz so etwas wie ein Schreibgen. Denn neben dem Bestsellerautor Ewald Arenz und der Krimischriftstellerin Sigrun Arenz ist nun auch das jüngste der Geschwister zum ernstzunehmenden Literaten geworden.
"Es ist eher so, dass man das Gefühl hat: Oh je, das sind schon zwei hier in Franken und jetzt kommt noch ein dritter dazu. Aber das hat sich alles sehr schön entwickelt. Wir schreiben auch alle sehr unterschiedlich. Deswegen kommen wir uns auch nicht in die Quere, sondern haben ein gutes Miteinander. Man liest die Texte des Anderen und sagt, was man davon hält. So ist es auch ein reger Austausch. Und Ewald hat natürlich sehr viel Erfahrung. Ich kann ihn immer fragen, wenn ich etwas nicht weiß oder mir nicht sicher bin. Und er macht es inzwischen auch. Und das ist eigentlich sehr schön."
Autor Helwig Arenz
Stichwort: Helwig Arenz
1981 in Nürnberg geboren und in Fürth aufgewachsen, ist Helwig Arenz der jüngste von sechs Geschwistern. Nach einem Schauspielstudium in Linz arbeitete Helwig Arenz als Schauspieler in Hamburg, Wilhelmshafen, Memmingen, Hof und Fürth und hat derzeit ein festes Engagement am Theater Pfütze in Nürnberg. Bislang schrieb er dramatische Texte und Erzählungen. Für die Kurzgeschichte "Tom und Tierchen" wurde er 2013 mit dem Publikumspreis des Fränkischen Krimipreises ausgezeichnet. "Der böse Nik" ist Helwig Arenz erster Roman. Unter seinen Geschwistern haben sich bereits sein ältester Bruder Ewald Arenz als Romancier ("Der Duft von Schokolade") und seine Schwester Sigrun Arenz als Krimiautorin ("Das ist mein Blut") einen Namen gemacht.
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