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Joel F. Harrington Die Ehre des Scharfrichters

45 Jahre lang hat der Nürnberger Franz Schmidt über seine Arbeit als Henker im ausgehenden 16. Jahrhundert Tagebuch geführt - übers Foltern, Verhören und Hinrichten. Der amerikanische Historiker Joel F. Harrington hat sich nun der blutigen Thematik angenommen.

Von: Dirk Kruse

Stand: 23.04.2014 | Archiv

Buchcover: Die Ehre des Scharfrichters | Bild: Siedler-Verlag; Bild: BR

"4. Juni 1583: Georg Praun von Nürnberg, ein dieb, auß gnadten zu Nürnberg mit dem schwerdt gericht."

Zitat aus dem Buch: Die Ehre des Scharfrichters

Buchtipp: Die Ehre des Scharfrichters

Trockener und lapidarer wie es Scharfrichter Franz Schmidt in seinem 45 Jahre lang geführten Henkertagebuch eintrug, kann man es kaum formulieren. Doch schrieb das kein Sadist nieder, der sich seiner rund 400 durchgeführten Hinrichtungen und zahlreichen Prügelstrafen rühmte und alles mit blutigen Details ausschmückte. Hier legte ein von der Reichsstadt Nürnberg gut bezahlter Handwerker der Strafjustiz, ein Experte fürs fachgerechte Töten und Foltern, sachlich Rechenschaft über seine berufliche Tätigkeit ab. Emotionen bei der Niederschrift dieses Katalog des Strafens, Tötens und Verstümmelns gestattet sich Franz Schmidt eher selten. Was nicht heißt, dass dieser Scharfrichter ohne Mitleid war oder gar Spaß am Töten hatte, erklärt der Buchautor und Historiker Joel F. Harrington.

"Meiner Meinung nach hatte er keine besondere Lust zu töten und auch nicht zu foltern. Aber das weiß man niemals mit Sicherheit. Er wurde zu dieser Profession durch Geburt bestimmt. Er hatte keine Wahl. Sein Vater Heinrich Schmidt, ein Förster aus Hof, wurde durch den Markgrafen Albrecht Alcibiades dazu gezwungen Henker zu sein. Also hatte auch sein Sohn Franz Schmidt keine andere Wahl mehr. Doch später im Leben, als Franz Schmidt siebzig Jahre alt war, schrieb er, dass seine richtige Bestimmung nicht Henker sei, sondern Arzt."

Joel F. Harrington, Buchautor und Historiker

Interview

Autor Joel F. Harrington "Ich war begeistert vom Scharfrichter Schmidt"

Wenn Franz Schmidt schon die ungeliebte Tätigkeit des Henkers erlernen und ausüben musste, dann wollte er es so gut und anständig und gottesfürchtig wie möglich tun. Nur so hoffte er, die Familienehre wieder herzustellen und seinen eigenen Kindern dieses Schicksal zu ersparen. Eine fast unlösbare Aufgabe, denn der Beruf des Henkers war stigmatisiert, schreibt Harrington.

"Seit dem Mittelalter wurden Scharfrichter allgemein als käufliche, kaltblütige Killer verachtet und folglich vom Leben der angesehenen Gesellschaft vollkommen ausgeschlossen. Meistens waren sie gezwungen außerhalb der Stadtmauern oder in der Nähe eines unreinen Ortes innerhalb der Stadt zu leben, in der Regel des Schlachthauses oder eines Siechenhauses. Auch von Rechts wegen waren sie ausgegrenzt: Kein Scharfrichter oder Familienmitglied eines solchen konnte das Bürgerrecht erlangen, Mitglied einer Zunft werden, ein öffentliches Amt übernehmen, als Vormund oder Zeuge vor Gericht auftreten und noch nicht mal ein gültiges Testament aufsetzen. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts genossen diese Ausgestoßenen keinen gesetzlichen Schutz vor dem Zorn des Pöbels, wenn eine Hinrichtung einmal misslang. Es kam also durchaus vor, dass Scharfrichter von den aufgebrachten Zuschauern gesteinigt wurden."

Joel F. Harrington, Buchautor und Historiker

Ein Henker durfte keine Kirche betreten, keine Badehäuser, Schankräume oder öffentliche Gebäude. Jeder anständige Bürger, der mit einem Scharfrichter gesellschaftlichen Kontakt pflegte wurde ebenfalls geächtet.

Das erging auch Franz Schmidt anfangs in Nürnberg so, wo er das Henkerhaus auf dem Trödelmarkt bezog und im Dienste des Rats der Stadt Angeklagte unter Folter verhörte und zum Tode verurteilte Mörder und Diebe auf dem Rabenstein hinrichtete.

"Es gab viele verschiedene Arten von Hinrichtungen. Man kennt das Hängen mit dem Strang und das Köpfen mit dem Schwert. Das waren die beiden häufigsten Tötungsarten. Aber außerdem musste er mindestens dreißigmal mit dem Rad hinrichten – eine sehr blutige und grausame Art des Tötens. Sehr selten musste er auch jemanden im Wasser ertränken oder auf dem Scheiterhaufen verbrennen."

Joel F. Harrington, Buchautor und Historiker

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Joel F. Harrington: Die Ehre des Scharfrichters. Meister Frantz oder ein Henkersleben im 16. Jahrhundert, München 2014, Siedler Verlag, 400 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 24,99 Euro, ISBN 978-3-8275-0021-2

Der amerikanische Historiker Joel F. Harrington, der drei Jahre lang in Franken gearbeitet und recherchiert hat, räumt nicht nur mit sämtlichen Henkerklischees der Schauerromantik auf. Mit großem Einfühlungsvermögen und immenser Sachkenntnis macht er die Epoche des 15. Jahrhunderts, ihre Menschen und ihre Anschauungen zu Recht und Ordnung wieder anschaulich.

"Die Ehre des Scharfrichters" ist ein ebenso lesenswertes wie gut geschriebenes Buch über ein uns fernes, manchmal gar nicht so fernes Jahrhundert. Ein Buch über Verbrechen und Strafe, Recht und Gerechtigkeit, und einen Henker und Heiler, der trotz seines blutigen Berufes ein Ehrenmann war.

"Die ritualisierte Gewalt, die der Scharfrichter im Namen der Gemeinschaft ausübte, rächte erstens die Opfer, setzte zweitens der Gefahr ein Ende, die von dem betreffenden Verbrecher ausging, statuierte drittens ein abschreckendes Exempel und verhinderte viertens weitere Gewalt vonseiten wütender Verwandten oder eines Lynchmobs. Ohne die vom Henker gewissenhaft und öffentlich inszenierte, häufig grausame Durchsetzung der zivilen Autorität wäre das 'Schwert der Gerechtigkeit' eine leere Metapher geblieben."

Joel F. Harrington, Buchautor und Historiker

Grundlage: Hinrichtungen und Leibstrafen

Geschichte für Alle (Hg.): Hinrichtungen und Leibstrafen. Das Tagebuch des Nürnberger Henkers Franz Schmidt, Nürnberg 2013, Sandberg Verlag, 14,80 Euro, ISBN 978-3-930699-82-7


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