Joachim Sartorius Für nichts und wieder alles
Schönheit und Vergänglichkeit sind die großen Themen des in Fürth geborenen Dichters Joachim Sartorius. Das zeigt sich auch im neuen Gedichtband des Mannes, der an vielen Orten in Afrika, Amerika und Europa gelebt hat.
Jeden Abend die große Beruhigung der Natur
der Himmel klart auf ein letztes Strahlen
die Eiche ein japanischer Caspar David
überirdische Stille der See ruht
Holunderduft von drüben Stille Ruhe
und doch überall um dich herum
ist Erregung
beseelt die einfachsten Dinge
dich Abgekühlten auch.
(Gedicht von Joachim Sartorius aus 'Für nichts und wieder alles')
Zwischen Sinn und Sinnlosigkeit
"Für nichts und wieder alles" hat Joachim Sartorius seinen Gedichtband nach langer Titelsuche sehr treffend genannt.
"Ich bin ausgegangen von der deutschen Wendung: Für nichts und wieder nichts. Und dann habe ich das abgeändert in: Für nichts und wieder alles. Denn ich dachte, das sei eigentlich ganz treffend für einen durchgehenden Strang meiner Gedichte. Zum einen die Sinnlosigkeit des Lebens. Mein Gott, wofür macht man das alles? Für nichts und wieder nichts. Und das man zum anderen in dieser ganzen Absurdität immer wieder ein Aufleuchten von Sinn verspürt: Das ist dann das alles. Und man kann sagen, in dem Titel ist alles dann auch das Gedicht."
Joachim Sartorius
Die Poesie als Hoffnungsschimmer gegen die Vergänglichkeit. Melancholisch sind die Gedichte des 70-Jährigen, dabei aber empfindsam und schön. Es sind sinnliche Sondierungen eines suchenden Sprachzauberers nach den ewigen Fragen.
Hast du von der japanischen Dattel gekostet?
Den Pelz auf den Pfirsichen gestreichelt?
Die Zunge um die Sprache gedreht?
Du wüsstest, wie du bist.
(Gedicht von Joachim Sartorius aus 'Für nichts und wieder alles')
Übersetzer fremder Kulturen
Sehr viel Welt steckt in den Gedichten des weitgereisten Joachim Sartorius, der in Tunesiens, im Kongo, in Kamerun, in Frankreich, in Großbritannien, den USA, der Türkei, auf Zypern und in verschiedenen Städten in Deutschland gelebt hat. Dort generiert er sich als stiller Beobachter und als Übersetzter fremder Kulturen, egal ob er nun von Alexandria, Nikosia oder Istanbul berichtet.
"Ich versuche keine Reisegedichte zu schreiben. Ich hätte gerne eine Durchdringung von konkreter Wahrnehmung und dann auch eine Verwandtschaft zu etwas, was noch nicht ausgedrückt ist. Das Wort metaphysisch ist jetzt sehr hoch gegriffen, aber dass das auch in Gefilde geht, die mit zu dem schwer zu Nennenden gehören."
Joachim Sartorius
Du achtetest darauf, im Schatten zu gehen.
Der Abend überraschte dich wieder,
mit Geranien, den Rosen der Armen, wie es heißt,
und den violett gezackten Bergen hinter der Grenze.
Warum nur dieses Elend mit der Erinnerung?
(Gedicht von Joachim Sartorius aus 'Für nichts und wieder alles')
Anziehend, intelligent und ästhetisch
"Es gibt immer wieder, denke ich, subjektive Moment, auch konkrete Wahrnehmungen. Aber es gibt auch, hoffe ich, etwas anderes. Ich denke, letztlich ist ein Dichter ein Erinnerer. Und er versucht aus Sprache und, wenn es gelingt, auch aus einer Form, die er mit der Sprache erreicht, so etwas zu schaffen wie eine Stele über der Asche eines wichtigen Lebensaugenblickes."
Joachim Sartorius
Poetischer kann man das Gedicht kaum definieren. Selbst im Interview ist Joachim Sartorius ganz ein Dichter. Allerdings ein hermetischer, dessen Verse anziehend, intelligent und ästhetisch, aber nicht immer leicht verständlich sind.
"Wenn ich schreibe, dann denke ich, wie jeder andere Dichter, nicht an das Publikum. Ich stelle mir nicht die Frage: Oh Gott, sollte ich dieses Zitat jetzt vielleicht doch nicht bringen oder versteht das keiner oder muss ich eine Fußnote machen? Also ein Gedicht zu schreiben erfordert eine gewisse innere Disposition, die sich leider nur sehr selten einstellt. Aber wenn man dann mal auf dem Weg ist, dann machen auch die Wörter selber Vorschläge. Und es geht dann eigentlich immer weiter. Und dann kommt das Reservoir der Bilder, das man in sich hat, dazu. Und das Ganze wird dann irgendwie ein Amalgam von sehr vielen inneren Bildern und äußeren Einflüssen. Und das ist dann sehr schwer zu entwirren und sollte auch gar nicht entwirrt werden."
Joachim Sartorius
Info und Bewertung:
Joachim Sartorius: Für nichts und wieder alles, Gedichte, Köln 2016, Kiepenheuer & Witsch Verlag, 92 Seiten, 15,00 Euro, ISBN 978-3-462-04822-3
Manchmal sollte man ein Gedicht eben nicht verstehen wollen, sondern das dichte Geflecht aus Anspielungen, Zitaten, Bildern und Wohlklang einfach nur genießen. Joachim Sartorius' neuer Gedichtband "Für nichts und wieder alles" gehört mit zum Besten, was die deutsche Gegenwartslyrik zu bieten hat.
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Barbara, Donnerstag, 18.August 2016, 15:24 Uhr
1. Der Name Sartorius heißt "Schneider"
Es gab eine Zeit, da wollten sich viele Leute nicht Maier, Müller, Schneider usw. nennen. Sie gaben sich stattdessen andere Namen, die eine "adelige Herkunft" vortäuschen sollten. Der Name "Sartorius" bedeutet soviel wie "Schneider". Wer Müller hieß, nannte sich "Molitor" usw.