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Kilian Leypold Krähen gegen Ratten

Schon mit seinem ersten Jugendroman hat der Nürnberger Kilian Leypold für Furore gesorgt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen für seinen zweiten Jugendroman "Krähen gegen Ratten. Der Bandenkrieg von Murz und Matze".

Von: Dirk Kruse

Stand: 17.09.2014 | Archiv

Das Buch "Krähen gegen Ratten" von Kilian Leypold | Bild: Carl Hanser Verlag / Foto: BR-Studio Franken

Mit seinem ersten Jugendroman erntete der fränkische Autor Kilian Leypold schon großen Erfolg beim jungen Lesepublikum. Nun hat er seinen zweiten Jugendroman veröffentlicht. Wieder eine Geschichte, die unter Zwölfjährigen spielt, doch diesmal sind sie keine Freunde, sondern erbitterte Feinde. "Krähen gegen Ratten. Der Bandenkrieg von Murz und Matze", heißt der Roman.

"'Schau an, was wir da haben!', knurrte ihm jemand ins Ohr. 'Eine Krähe, die im Dreck wühlt.' Murz riss die Augen auf. Über sich sah er ein stählernes Brillengestell und dahinter die wässerigen Glotzaugen und das teigige Gesicht von Matze Becher, dem Anführer der Ratten. Matze war ein fetter Koloss von der anderen Seite. Hinter seinen kurzen rotblonden Haaren sah Murz jetzt auch die lauernden Gesichter der restlichen Ratten. Dunkle Augen, verkniffene Münder, schmal wie Münzschlitze. Murz war nie klar, ob das verwaschene Grau und Blau ihrer schlabbrigen Klamotten Absicht war oder ob sie sich nichts anderes leisten konnten."

Buchzitat

Eine Begegnung unter Zwölfjährigen, die für Murz von der Bande der Krähen nicht gut ausgeht. Matze und seine Bande der Ratten zwingen Murz sich bis auf die Unterhose auszuziehen, jagen ihn durch ein mannshohes Brennnesselfeld und klauen sein Fahrrad. Danach herrscht Krieg zwischen den beiden Banden, die beide an derselben Straße wohnen. Doch trennt die Mettenstraße soziale Welten. Auf der Seite der Krähen liegen die Eigentumswohnungen und Reihenhäuser,  auf der Seite der Ratten die Sozialwohnungen. Ein gänzlich realistischer Schauplatz. Denn der in Nürnberg aufgewachsene Autor Kilian Leypold, lebt seit einigen Jahren in der Münchener Mettenstraße und hat dort Beobachtungen für seinen Roman gemacht.

"Die Kinder spielen nie miteinander über diese Straßengrenze, sondern drüben auf der einen Seite spielen die einen Kinder. Da schauen auch die Häuser ganz anders aus. Da sind überall Satellitenschüsseln draußen. Da ist eine ganz andere Mischung von Leuten und Nationalitäten. Es ist lauter und bunter. Die Kinder von der Ratten-Seite spielen auf dem Gehsteig. Das machen die Kinder von der Krähenseite nie. Die spielen nie auf dem Gehsteig, die spielen immer hinten auf einem geschützten kleinen Spielplatz. Und einmal habe ich sogar erlebt, dass Kinder von drüben diesen Spielplatz überfallen haben, wo sich die Krähenkinder dann in einem Häuschen auf dem Spielplatz verschanzt haben. Da geht es mir auch um eine Reibung zwischen diesen sozialen Schichten."

Autor Kilian Leypold

Doch in diesem ebenso spannenden wie einfühlsamen wie humorvollen Kinder- und Jugendbuch geht es nicht nur um behütete Mittelstandskinder versus vernachlässigte Prekariatskinder. Es geht auch um einen unterschiedlichen Blick auf die Welt. Der eher kleine Murz ist ein Romantiker, der von Ritterabenteuern träumt und dem die sechsspurige Stadtautobahn zu einem großen Strom wird. Während der kräftige Matze, der von seinem alkoholkranken Vater regelmäßig verprügelt wird, einen Ausmesstick hat, weil die Berechenbarkeit der Zahlen ihm Halt gibt inmitten einer unberechenbaren Familiensituation. Und so werden in dieser Geschichte des Bandenkriegs ein Eichamt, das Ur-Kilo und eine wertvolle Siliziumkugel zu ebenso messbaren wie magischen Dingen. Denn wie schon in seinem ersten Kinderroman "Der Tiger unter der Stadt" liebt es Kilian Leypold, phantastisch anmutende Geschichten zu erzählen, die mitten in der Realität spielen.

"Ich schreibe für Kinder, weil ich diesen Blick von Kindern auf die Welt so großartig finde. Das interessiert mich. Aber ich bin natürlich kein Kind mehr und versuche mich an meine eigene Kindheit zu erinnern. Ich beobachte aber auch viele Kinder, denn so gut wie bei Astrid Lindgren, die ihre eigene Kindheit immer präsent hatte, ist mein Gedächtnis nicht. Ich finde den Kinderblick so toll, weil da so viel möglich ist. Einschränkungen, die wir als Erwachsene uns automatisch auferlegen, machen Kinder erstmal nicht. Deshalb kann ein total technischer Gegenstand aus dem Eichamt wie diese Kugel plötzlich ein magischer Gegenstand werden. Und das finde ich so schön."

Kilian Leypold

Info & Bewertung

Wertung: 4 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Kilian Leypold: Krähen gegen Ratten. Der Bandenkrieg von Murz und Matze, München 2014, Hanser Verlag, 256 Seiten, mit Illustrationen von Artem Kostyukevich, 14,90 Euro, ISBN 978-3-446-24631-7

Kilian Leypold, der literarisch ambitionierte und gleichzeitig gut lesbare Kinderromane in Anlehnung an den magischen Realismus schreibt, hat mit "Krähen gegen Ratten - Der Bandenkrieg von Murz und Matze" auch ein großes Buch der Freundschaft geschrieben.

Eines, in dem die Protagonisten und der Leser ganz unaufdringlich ein paar Vorurteile abbauen können.

"An diesem düsteren Abend Ende Oktober erkannte Murz etwas, das er vielleicht schon geahnt, über das er aber nie nachgedacht  hatte: Eine Bande war ein Versprechen – das hatte er schon immer gewusst –, nur war es nicht immer dasselbe. Das Versprechen der Krähen war Abenteuer; du verwandelst dich in einen schwarzen Vogel und fliegst aus der behüteten Welt der Kinderzimmer hinaus; die Bande war ein Spiel, wenn möglich gefährlich, manchmal verboten, aber immer ein Spiel. Das Versprechen der Ratten war Schutz. Ihr Käfig kein Gefängnis, sondern eine Zuflucht. Hierher kamen sie, wenn sie es zu Hause nicht mehr aushielten, und zwar nicht vor Langeweile. Und das Losungswort, damit die Gittertür sich öffnete, war eine Angst, einen Ekel, einen Schwachpunkt preiszugeben. Nur wer sich ausliefert, wird beschützt."

Buchzitat

Stichwort: Kilian Leypold

Der fränkische Autor Kilian Leypold erntete mit seinem ersten Jugendroman "Der Tiger unter der Stadt" 2010 viel Erfolg beim jungen Lesepublikum – und bei der Kritik: "Für mich ist dieser Erstling eines der berührendsten, mutigsten und innovativsten Kinderbücher der letzten Jahre“, urteilte ein Kritiker in der WELT. Leypold wurde 1968 in der Nürnberger Südstadt geboren und ist dort aufgewachsen. In Erlangen studierte er Slawistik und arbeitet als Hörspielautor und Reporter für den BR Kinderfunk in München.


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Florian, Donnerstag, 28.Januar 2016, 13:26 Uhr

1. Krähen gegen Ratten - ein tolles Kinderbuch

Ein tolles Buch! Ich (als Erwachsener) hatte es in 2 Tagen durch, so spannend war es. Eine tolle, phantasievolle Geschichte, für Kinder ab 12 (meiner Meinung nach) sehr empfehlenswert! Und wer in der Gegend um den Wintrichring / Botanischen Garten / Kapuzinerhölzl wohnt, für den ist es sowieso eine Pflichtlektüre! ;-)

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