Nataša Dragnić Der Wind war es
Seit 22 Jahren lebt, arbeitet und schreibt die gebürtige Kroatin Nataša Dragnić in Erlangen. Nun ist ihr dritter Roman erschienen: "Der Wind war es", ein Roman über erfüllte und unerfüllte Liebe. Dirk Kruse hat ihn gelesen.
Die Liebe ist das Hauptthema in den Romanen der Erlanger Autorin Nataša Dragnić. In ihrem internationalen Bestseller "Jeden Tag, jede Stunde" war es die Liebe zweier Menschen, die füreinander bestimmt sind, aber zueinander nicht kommen können. In ihrem zweiten, ebenfalls sehr erfolgreichen Roman "Immer wieder das Meer" waren es drei Schwestern, die denselben Mann liebten. Und in ihrem druckfrischen dritten Roman "Der Wind war es" sind es gleich mehrere erfüllte und unerfüllte Liebesgeschichten.
"Ich denke, dass es nichts anderes gibt. Ob wir von der Liebe zwischen Geschlechtern sprechen, oder Geschwistern, oder Eltern. Die Liebe ist immer da und Grundlage für alles, was wir im Leben schaffen oder nicht schaffen. Und vor allem kommt noch die Liebe zu uns selbst dazu."
Nataša Dragnić
In der Spannung der Urgewalten Meer und Wind
Das Meer ist die andere thematische Konstante, die sich durch Nataša Dragnićs drei Romane zieht – mal ist es Protagonist, mal malerische Kulisse. In "Der Wind war es" kommt neben dem Wasser aber noch das titelgebende Element Wind hinzu. Hier in Form eines veritablen Sturmes.
"Er kam nachts. Er schlich sich nicht heran, er kam mit Wucht und Krach, sodass nicht nur das kleine Haus auf dem Felsen bebte – der Felsen selbst erzitterte und stöhnte ergriffen und grollend: Es hörte sich an, als würde er am eigenen Echo ersticken. Die Nacht verlor ihre Dunkelheit und wurde grau, in allen Nuancen grau. Es donnerte und blitzte, der Himmel brüllte das Meer an und das Meer dröhnte zurück, dort, wo sie aneinander gerieten, verschwand die Welt im Nichts. Wie von einem schwarzen Loch verschluckt."
Zitat aus dem Roman 'Der Wind war es'
Es ist der Jugo, der da in einem verlassenen Winkel an der kroatischen Küste stürmt und eine Gruppe von deutschen Urlaubern mächtig durcheinanderwirbelt.
"So wie man die Charaktere am Anfang vor dem Sturm kennenlernt, bleiben sie nicht. Sie sind nach dem Sturm verändert. Das ist der Sinn dieser Naturgewalt, die über sie gefallen ist."
Nataša Dragnić
Elf Protagonisten kämpfen mit der Liebe
Auch das ist ein Novum bei Nataša Dragnić: Sie hat die Anzahl ihrer Protagonisten massiv erhöht. Es geht um elf Menschen und einen Hund, die allesamt den gleichen Erzählraum erhalten. Ein Trupp junger Laienschauspieler will in dem einsamen Ferienhaus am Meer ein Theaterstück proben. Doch dann zeigt sich, dass nicht nur der Sturm, sondern auch die Liebe eine Naturgewalt ist. Und einer aus der Gruppe wird sterben.
"Was für diesen Roman wichtig ist, ist dass der Leser keine Hintergrundinformationen hat. Der Leser erfährt ganz wenig von den Figuren. Das habe ich absichtlich so gemacht. Nur dieser Moment, dieser Augenblick ist wichtig. Was davor war, wie sie groß geworden sind, aus welchen Umgebungen sie kommen, was die Eltern machen, was sie waren, ist eigentlich alles unwichtig."
Nataša Dragnić
Wie Nataša Dragnić, die ihre Romane auf Deutsch schreibt, obwohl sie unsere Sprache erst mit 16 Jahren erlernt hat, den Sturm auch zur erzählerischen Methode macht, ist beeindruckend. Immer wieder wirbelt sie ihre Figurenkonstellationen durcheinander, ohne dass der Leser dabei den Überblick verliert. Die Figuren sind plastisch und ohne psychologischen Ballast geschildert.
"Das zu schreiben war für mich auch eine große Herausforderung. Die unterschiedlichen Personen alle im Kopf zu behalten, die alle gleich wichtig sind. Man muss von einem zum anderen springen, sozusagen in die Haut hineinkriechen. Und ich habe dann meinen Agenten als den Ersten Leser gefragt: Hat das funktioniert? Kamst du klar mit den elf Personen und konntest du sie auseinanderhalten? Da hat er gesagt: Das war mir nicht so wichtig. Ich hatte keine Probleme damit, denn ich hatte meine Lieblinge, auf die ich mehr aufgepasst habe als auf die anderen. Wahrscheinlich findet dann jeder Leser Figuren, die ihn mehr interessieren als die anderen."
Nataša Dragnić
Ungewöhnliche Sprachbilder
Info und Bewertung
Nataša Dragnić: Der Wind war es, Cadolzburg 2016, Ars Vivendi Verlag, 216 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-86913-622-6
Auch glaubwürdige, knappe Dialoge, was mit zum Schwersten in der Literatur gehört, kann die Autorin schreiben. Allerdings überschreitet Nataša Dragnić hier manchmal die Grenzen zum Kitsch, was man den beiden Vorgängerromanen eher nicht vorwerfen kann. Und ihr Hang zu ungewöhnlichen Sprachbildern und Neologismen schießt mitunter ins Kraut. "Der Wind war es" ist etwas schwächer als "Jeden Tag, jede Stunde" und "Immer wieder das Meer". Dennoch ist der Roman ein durchaus ambitioniertes und lesenswertes Stück Unterhaltungsliteratur.
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