Paul Maar Wie alles kam
Paul Maar ist einer der beliebtesten Kinderbuchautoren Deutschlands. Allein seine Sams-Bücher haben sich millionenfach verkauft. Mit 82 Jahren hat Paul Maar ein Buch für Erwachsene geschrieben: "Wie alles kam", der Roman seiner eigenen Kindheit in Franken.
Außerdem ist der 1937 in Schweinfurt geborene und heute in Bamberg lebende Paul Maar der meistgespielte lebende Bühnenautor Deutschlands. Kein Kinder- und Jugendtheater, das nicht seine Stücke im Repertoire hätte. Jetzt im Alter von 82 Jahren hat Paul Maar ein Buch für Erwachsene geschrieben. Es heißt "Wie alles kam" und ist der Roman seiner eigenen Kindheit in Franken.
In einem Vortrag an der Frankfurter Universität stellte Paul Maar vor 25 Jahren die These auf, dass es zwei Arten von Kinderbuchautoren gäbe: Die einen hatten eine sehr glückliche Kindheit und lassen diese Glücksmomente ihrer verlorenen Kindheit immer wieder auferstehen. So etwa Astrid Lindgren.
Die anderen hatten eine unglückliche Kindheit und versuchen sich im Erwachsenenalter die Kindheit zu imaginieren, die sie nie hatten. Dazu zählt Paul Maar sich selbst. Jetzt erstmals seine Kindheit ungeschminkt zu erzählen und sich an alles zu erinnern, war für Paul Maar ein großer Kraftakt.
"Das war schmerzhaft zum Teil, weil Erinnerungen, die ich ein bisschen verdrängt hatte, von denen ich nicht dachte, dass es sie überhaupt gibt, die kamen nun hoch. Ich musste sie hochholen. Ich grub immer tiefer in meiner Vergangenheit, in meiner Kindheit und stellte fest: Naja, so toll war die Kindheit nicht."
Paul Maar
Geboren wurde Paul Maar 1937 in Schweinfurt. Seine Mutter stirbt kurz nach der Geburt. Der Vater heiratet drei Jahre später erneut und Paul bekommt eine Stiefmutter. Anders als im Märchen liebt sie den Stiefsohn und Paul liebt seine Stiefmutter. Traumatisiert von den Bombennächten auf die fränkische Industriestadt ziehen Paul und seine Mutter zu den Großeltern ins Dorf Obertheres am Main – einer Idylle mitten im Krieg.
"Ich hatte eine sehr schöne frühe Kindheit und eine sehr schöne Kindheit in Obertheres bei meinen Stiefgroßeltern mit meiner Stiefmutter, die ich sehr geliebt habe. Das Ganze ist gekippt, als dann mein Vater frustriert aus der Gefangenschaft zurückzkam und wir umgezogen sind in die Industriestadt Schweinfurt. Absolut das Gegenteil dieser Dorfidylle. Ich habe mich da nicht zurechtgefunden und in der neuen Klasse keinen Anschluss bekommen. Und ich hatte einen Vater, der durch die Kriegseinwirkungen ein bisschen traumatisiert war und der seinen Frust losgekriegt hat, indem er seinen Sohn verhauen hat."
Paul Maar
Die schwierige Vater-Sohn-Beziehung ist das Leitmotiv dieser nicht chronologisch dargestellten Lebenserinnerungen. Paul Maar löst die Erzählung seiner Kindheit in einzelne Geschichten auf. Denn die Erinnerung sei nun mal kein breiter Strom, gespeist aus immer neuen Lebensmomenten, schreibt der Autor. Sie bilde höchstens Pfützen, die es zu verbinden gelte. Dieses poetische Prinzip macht aus der Autobiographie tatsächlich einen Roman.
"Es gibt Genreunterschiede. Die Autobiographie fängt an so ungefähr mit der Geburt, geht ganz kontinuierlich weiter und endet in der Jetztzeit. Ein Roman kann sich mehr erlauben. Der kann Nebenstränge einfügen, kann plötzlich umschwenken und meinen Bruder oder andere Figuren oder eine Großmutter in den Mittelpunkt stellen. Und manchmal auch ist ein kleines bisschen fiktiv."
Paul Maar
Fiktiv nicht im Faktischen, sondern in der Art des Erzählens. Die Erinnerungen sind wahr, aber ob ein Dialog vor über 70 Jahren wirklich so stattgefunden hat, wie Paul Maar ihn aufschreibt, dafür gibt der Autor keine Garantie.
Info & Bewertung
Paul Maar: Wie alles kam. Roman meiner Kindheit, Frankfurt 2020, S. Fischer Verlag, 302 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-10-397038-8
Stilistisch ist dieser Kindheitsroman recht einfach gehalten. Klare, kurze Sätze, so dass auch größere Kinder dieses Buch für Erwachsene lesen können. Wohltuend ist dabei, dass Paul Maar weder kommentiert noch psychologisiert, sondern einfach erzählt. So entstehen berührende Momente, etwa wenn der Vater dem Sohn die Flucht ins Lesen madig macht. Oder wenn er in einem Ausflug in die Gegenwart über seine große Liebe schreibt, Ehefrau Nele, die an Demenz erkrankt ist. Und im Gegensatz zu vielen unversöhnlichen Väterbüchern von Christoph Meckel bis Oskar Roehler, erzählt Paul Maar auch von den eigenen Fehlern im Umgang mit seinem ungeliebten Vater.
"Wie alles kam" ist ein leises, aber eindrückliches Buch. Man wünscht sich, dass der Autor noch häufiger für Erwachsene schreiben möge.
"Ich habe Gefallen daran gefunden und habe in meinen Unterlagen gekramt. Ich habe festgestellt, dass es schon zwei oder drei längere Erzählungen gibt, die ich irgendwann einmal geschrieben aber nie veröffentlicht habe. Und ich denke, das ist jetzt ins Unreine gesprochen, vielleicht könnte es mal ein Buch geben mit Kurzgeschichten."
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