Franken - Zeitgeschichte


3

20 Jahre geflutet Der ewig umstrittene Main-Donau-Kanal

1992 wurde der letzte Bauabschnitt des Main-Donau-Kanals geflutet. Über seinen Nutzen gab es jahrzehntelang heftigen Streit. Und bis heute sind sich Kritiker und Befürworter uneins, ob sich das Milliardenprojekt gelohnt hat.

Von: Ralf Fischer

Stand: 30.07.2012 | Archiv

Der Kanal zwischen Main und Donau sei das dümmste Projekt seit dem Turmbau zu Babel, meinte der frühere SPD-Bundesverkehrsminister Volker Hauff. Und löste damit einen bis heute währenden Streit über ökonomischen Nutzen des 171 Kilometer langen Kanals zwischen Bamberg und Kehlheim aus.

1969 hieß es noch, es würden 18 Millionen Tonnen pro Jahr auf dem Kanal befördert werden. 1971 prognostizierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung plötzlich nur noch 3,7 Millionen Tonnen. Das ifo-Institut rechnete später mit 5,5 Millionen und als der Kanal 1992 eröffnet wurde, schätzte Bayerns Wirtschaftsminister August Lang den Gütertransport wieder auf acht bis zehn Millionen Tonnen pro Jahr.

Gütermenge schrumpft seit Jahren

Der Kanal | Bild: BR/ Ralf Fischer zum Quiz Wissen Sie's? Das Quiz zum Main-Donau-Kanal

Vor 20 Jahren wurde der letzte Abschnitt des Rhein-Main-Donau-Kanals geflutet. Sein Bau dauerte 30 Jahre und wurde von Korruptionsvorwürfen und Öko-Protesten begleitet - testen Sie Ihr Wissen darüber [mehr]

Und heute? Laut der Statistik der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd werden auf dem Main-Donau-Kanal jährlich im Schnitt 6,5 Millionen Güter bewegt. Angesichts der unzähligen Prognosen aus der Vergangenheit, ist es kaum ein Wunder, dass die Bewertung des Kanals 2012 immer noch sehr unterschiedlich ausfällt: Die Befürworter beziehen sich auf die ifo-Schätzungen, die Kanalgegner auf die mutigen Prognosen der ersten Tage. Hubert Weiger vom Bund Naturschutz meint zum Beispiel: „Den gewaltigen Opfern der Natur stehen keine auch nur ansatzweisen ökonomischen Vorteile und Gewinne gegenüber.“ Die entgegengesetzte Position vertritt Guido Zander, Amtsleiter des Wasser- und Schifffahrtsamts Nürnberg: „Das Resümee ist, dass sich die Erwartungen bis jetzt erfüllt haben. Ich will auch behaupten, dass sie sich mehr als erfüllt haben.“

Der Kanal in Zahlen

Am 31.07.1992 wurde das letzte Teilstück des Main-Donau-Kanals bei Beilngries im Altmühltal nach 30jähriger Bauzeit geflutet. Der Bau der Verbindung zwischen Kehlheim und Bamberg kostete 4,7 Milliarden D-Mark. Mit dem Kanal ist eine europäische Wasserstraße entstanden, die über 3500 Kilometer hinweg das Schwarze Meer mit der Nordsee verbindet. Der Main-Donau-Kanal ist 171 Kilometer lang und führt die Schiffe in 16 Schleusen über den Fränkischen Jura (insgesamt 243 Höhenmeter).

Interview zum Skandalkanal

Dieter Hildebrandt "Wir haben nichts zurück zu nehmen"

Tatsächlich schrumpft die Menge der transportierten Güter auf dem Kanal seit mehreren Jahren. 2011 wurden nur noch 5,3 Millionen Tonnen bewegt. Eigentlich sind der Kanal und seine Häfen für die doppelte Verkehrsmenge gebaut. In Nürnberg legen im Schnitt pro Tag nicht mal zwei Schiffe an. Laut Joachim Zimmermann, Geschäftsführer der Bayernhafen Gruppe, hat das mehrere Gründe: Die Wirtschaftskrise lähmt seit 2007 den Handel mit Ländern wie Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Außerdem stagniere die Nachfrage nach den für die Binnenschifffahrt wichtigen Massengütern wie beispielsweise Kohle. „Dass Kohlekraftwerke abgestellt werden, war in den 60er Jahren nicht absehbar“, sagt Zimmermann. Das Hauptproblem sehen Betreiber und Befürworter des Kanals allerdings in dem fehlenden Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen: Schiffe mit einer Abladetiefe von 2,5 Metern können dort nur an 165 Tagen im Jahr fahren. Das wirke sich negativ auf den Verkehr im Main-Donau-Kanal aus.

Bei Dietfurt trockneten Niedermoore aus

In den Tälern von Altmühl, Sulz und Ottmaring hat der Main-Donau-Kanal die Landschaft deutlich verändert. Die Niedermoore nahe Dietfurt an der Altmühl sind ausgetrocknet. „Ich bin als Jugendliche noch durch dieses Gelände geritten.  Man konnte auch zu Fuß gar nicht rein, weil es wirklich Wildnis war“, erinnert sich die Biologin Marlene Gmelch aus Dietfurt. Heute sind die Flächen kurzgemähte Wiesen – Vogelarten, wie die Bekassine oder der Kiebitz, sind verschwunden. Den Touristen gefällt es trotzdem – auch weil sie den Unterschied zwischen früher und heute nicht kennen, meint Marlene Gmelch: „Wenn ich wieder eine Grünlandfläche mehr hab, dann ist das für einen Wanderer, für den Radfahrer und den Schiffstouristen wunderschön grün. Wenn man aber kennt, was vorher da war, dann erkennt man erst den Verlust."


3