Bierland Bayern Gullivers Bierfahrt durch die Statistik
Soviel vorweg: Bayern hat immer noch den größten Durst und die meisten Brauereien. Doch dem Bundestrend "weniger Rausch" kann sich auch der Freistaat nicht entziehen. Der Bierfreund trinkt sich unterdessen wie Gulliver durch ein Land von Brauriesen und Löschzwergen.
Thema
Prost Bayern: Am 23. April feiert Bayerns populärstes Gesetz 500. Geburtstag. Unsere Serie stellt das "Bierland Bayern" in allen seinen Facetten vor. Zum Start: Zahlen & Fakten zum Wirtschaftsfaktor Bier.
Bayern hat Bock auf Bier: 18,4 Millionen Hektoliter im letzten Jahr. Während im Rest Deutschlands der Bierkonsum seit der Wiedervereinigung um ein Viertel auf 107 Liter pro Kopf und Jahr gesunken ist, beziffert der Bayerische Brauerbund den weißblauen Absatz auf bis zu 140 Liter. Damit trinken die Bayern ähnlich viel Bier wie die tschechischen Nachbarn - seit längerem Biertrinkeuropameister - und mehr als viermal so viel wie die Noagerlzuzla aus den Weinländern Italien und Frankreich.
Rekorde und Insolvenzen
Logische Folge: Bayern hat auch die mit Abstand meisten Brauereien - mehr als die anderen West-Bundesländer zusammen. Nicht nur die großen Münchner Oktoberfest-Lieferanten, sondern viele kleine und mittelständische Betriebe.
Besonders in Franken schätzt man regional Gebrautes. Während im Rest des Freistaats eine Brauerei statistisch gesehen 20.000 Bayern versorgt, hat das Städtchen Bad Staffelstein nach Adam Riese (einem gebürtigen Staffelsteiner) eine Bebrauungsquote 1 : 1100, also zehn Braustätten für 11.000 Einwohner. In Aufseß nahe Bayreuth produzieren vier Biersieder für 1.312 Einwohner, was die Gemeinde ins Guinness-Buch der Rekorde brachte.
Die schlechte Nachricht für Bierfreunde: Bayernweit geht die Kurve nach unten. Mindestens 150 bayerische Brauereien haben seit der Wiedervereinigung zugesperrt. Und während in vielen Bundesländern inzwischen wieder mehr Brauereien neu auf- als dichtmachen, scheint in Bayern die Talsohle noch nicht erreicht. Hart trifft es hier wie dort den Mittelstand.
Die Mitte bricht weg
Die Hälfte der deutschen Braustätten, nämlich 677, sind inzwischen Braugasthäuser und "Mikro Breweries" mit einem Ausstoß von maximal 1.000 Hektolitern pro Jahr. In der produzierten Gesamtmenge geht ihr Anteil von 0,22 Prozent unter. Auf der anderen Seite fließen 60 Prozent des in Deutschland gebrauten Bieren aus den Sudkesseln von nur 27 Brautitanen mit einer Produktion über 1.000.000 Hektoliter. In Sachen Bier entwickelt sich Deutschland - wie bereits viele seiner Nachbarn - zu einem Land der Riesen und der Zwerge.
In Bayern ist die Verteilung ausgeglichener. Doch auch hier dominieren Großbrauereien.
Die bierreichen 7 von A-Z
- Augustiner
- Erdinger Weißbräu
- Kulmbacher
- Oettinger
- Paulaner Gruppe
- Spaten-Löwenbräu-Franziskaner
- Tucherbräu
Nordbayern trinkt erfolgreich anders
Klein, fein, mein – so könnte man die Bierkultur in Nordbayern beschreiben. Das kommt an. Mit einem Umsatzplus von sechs Prozent haben sich die Brauereien in Franken und der Oberpfalz zuletzt noch besser geschlagen als die altbayerisch-schwäbische Konkurrenz. Doch noch immer behalten die Nordbayern ihr Bier am liebsten für sich. Nur rund drei Prozent des nordbayerischen Bieres sind für den Export bestimmt. Anders in Südbayern: Dort fließt ein Fünftel des Gerstensaftes außer Landes.
Trend 1: Immer öfter ohne
Mehr Wasser und Erfrischungsgetränke, weniger Bier und Schnaps - der Trend zur Nüchternheit ist seit Jahrzehnten ungebrochen. Deutschlandweit liegt der Pro-Kopf-Konsum von Bier auf dem Niveau der frühen 1960er-Jahre. Mit gemischten Gefühlen betrachtet der Bayerische Brauerbund die demografische Entwicklung in Bayern ...
"... schrumpfende Bevölkerung, steigender Anteil älterer Mitbürger, wachsender Anteil von Zuwanderern - auch aus anderen Teilen Deutschlands! - deren Bieraffinität hinter der bayerischen zurückbleibt ..."
BBB, Biermarkt 2015
Während bierhaltige Fun Drinks den bayerischen Markt nur kurz aufmischten, gewinnen Brauereien, die ihre Biere als isotonische Durstlöscher für Gesundheitsbewusste anpreisen, kontinuierlich Abnehmer. Seit die ersten "Leichten" und "Alkoholfreien" in den 1980er-Jahren auf den Markt kamen, bechern Bayerns Biertrinker bewusster. Gut zehn Prozent der Produktion haben heute wenig bis keinen Alkohol.
Trend 2: Ein Weizen, bitte!
Auch der Präsident hat's schon probiert. Das Weizenbier ist auf Platz eins der bayerischen Biere. Über ein Drittel der Produktion entfällt mittlerweile auf diese Sorte. Weißbierliebe und Bayern – das gehört nicht nur in der Werbung zusammen, das ist eine Tatsache. Dann erst folgen das klassische Hell und weitere Sorten.
Auffallend sind die regionalen Unterschiede: Während in Südbayern die Hälfte der Bierproduktion auf Weißbier entfällt und nur drei Prozent auf Pils, wird in Nordbayern zu einem Drittel Pils gebraut. Weizenbier macht knapp ein Fünftel aus.
So beschreiben die Fachleute den Geschmack:
"Pils: Geschmack und Geruch weisen feine Hopfennoten auf, fruchtige oder malzige Aromakomponenten sind sehr im Hintergrund. Die Hopfenbittere ist regional unterschiedlich ausgeprägt: norddeutsche Pilsbiere haben meist eine kräftige, harte Bittere, während süddeutsche Pilsbiere eher eine abgerundete, weiche Bittere, begleitet von Hopfenaromen erkennen lassen. Der Körper ist schlank, man schmeckt neben den bitteren Hopfeneindrücken kaum Restsüße."
Verband Private Brauereine Bayern e.V., Bierwiki.org
"Weizen: Durch die Verwendung der obergärigen Hefe mit ihren höheren Gärtemperaturen entsteht im Gegensatz zur untergärigen Hefe ein wesentlich breiteres Spektrum an Aromastoffen. Es sind dies vor allem fruchtige Geruchs- und Geschmackseindrücke, die je nach Typ an Bananen, Zitrusfrüchte oder auch an Apfel oder Nelken erinnern. Die Bittere ist stark zurückgenommen. Die unfiltrierten Hefe-Weizenbiere sind durch ihren hohen Gehalt an Eiweiß- und Hefestoffen vollmundiger (...) Weiteres typisches Merkmal der Biere ist der vergleichsweise höhere Kohlensäuregehalt. Diese Kohlensäure erzeugt im Trunk eine Spritzigkeit, die hervorragend zu den eher fruchtigen Aromaeindrücken passt."
Quelle: Verband Private Brauereine Bayern e.V., Bierwiki.org
Trend 3: Craft Beer
Seit einigen Jahren bringt der aus den USA stammende "Craft Beer"-Trend neuen Schwung in die Szene. Kleinstbrauereien versprechen handwerklich gebraute Spezialbiere - und provozieren neues Nachdenken über das alte Reinheitsgebot.
Die neuen Brauer fühlen sich in ihrer Kreativität eingeschränkt. So dürfen beispielsweise im Barrique-Fass gelagerte Craft Biere in Deutschland nicht mit dem Zusatz "gebraut nach dem Reinheitsgebot" verkauft werden - von Zusatzstoffen wie Kräutern oder Fruchtessenzen ganz zu schweigen.
Viele fordern eine Öffnung der heiligen Trias aus Wasser, Hopfen und Gerstenmalz für neue, ebenso natürliche Aromen. Andere argumentieren, die Kunst liege doch genau darin, mit den gegebenen Mitteln außergewöhnliche Biere zu machen. Die Diskussion läuft. Ausgang: Offen.
Zoff ums Reinheitsgebot: Was Fans und Gegner zu sagen haben ...
Kommentieren
Biobiertrinker, Samstag, 09.April 2016, 09:59 Uhr
2. BIO BIER!
@Biertrinker: Sie haben vollkommen Recht! Ich trinke nur noch BIO Bier, es gibt sogar kleine Brauereien die das machen. Da stimmt dann das Reinheitsgebot.
Landwirtschaftsminister C. Schmidt trinkt nach seinen Aussagen - Bier mit Glyphosat.
Antwort von Franz, Samstag, 09.April, 11:30 Uhr
Zum Glück kann bei uns jeder entscheiden, was er trinkt. Wenn Ihnen das schmeckt, na denn Prost !
Antwort von In cervisia veritas, Samstag, 09.April, 11:32 Uhr
So siehts aus. Seidel ... ehm ... Daumen ganz weit nach oben.
Biertrinker, Freitag, 06.Februar 2015, 07:46 Uhr
1. Bier
Im Norden herb, im Süden fruchtig? Alles Industriebier und hat mit richtiger Braukunst nichts mehr zu tun. Massenware.
Antwort von tom, Samstag, 09.April, 06:57 Uhr
Dann trink halt Wasser!
Antwort von Andreas, Samstag, 09.April, 09:49 Uhr
Wenn ich Kunst will geh ich ins Theater. Und aus der Landsberger Straße in München schmeckt mir auch die Massenware.
Handwerkliches Bier gibt es übrigens auch noch von vielen kleinen Brauereien, es ist also für jeden was dabei und kein Grund zum Jammern.
Für besonders anspruchsvolle und die es ganz genau wissen wollen empfehle ich eine Mitgliedschaft bei den Biersommeliers.
Hier kann man sich ausbilden lassen was Geschmack und Herstellung betrifft.
Antwort von Franz, Samstag, 09.April, 11:32 Uhr
Liegt evtl daran, dass die Leute für richtige Braukunst nichts bezahlen wollen und sich an den Preisen fürs Industriebier orientieren.