Valentins Komik Absurdes Theater
Wahrscheinlichkeit ist eine Kategorie, auf die Valentin ziemlich wenig wert legt. So schickt er im "Verhexten Scheinwerfer" seinen Gehilfen (Karlstadt) in die Werkstatt, um den passenden Meterstab zu holen. Das scheint aber nicht ganz einfach zu sein: "'Und der Schlüssel liegt drin, ja wie bist du denn da rauskomma?' - 'Ja zuerst, bevor ich drin zugsperrt hab, bin i no schnell rausgsaust.'"
Bemerkenswert ist weniger die Unmöglichkeit der geschilderten Situation als die Selbstverständlichkeit, mit der sie akzeptiert wird. In Valentins Welt hat das Irreale enorm viel Platz. Ebenso normal erscheint im Einakter "Christbaumbrettl", dass Valentin in die heimische Stube hineinplatzt, obwohl er noch eine Sekunde zuvor von auswärts zuhause angerufen hat (und das Jahrzehnte vor Erfindung des Mobiltelefons).
Noch ein Beispiel: Im kleinen Dialog "Der Radfahrer" moniert ein Schutzmann an Valentins Fahrrad die Ladung Ziegelsteine auf dem Gepäckträger. Valentin ist um eine Erklärung nicht verlegen: "Damit ich bei Gegenwind leichter fahre, gestern in der Früh zum Beispiel ist so ein starker Wind gegangen, da hab ich die Steine nicht dabei gehabt, ich wollt nach Sendling nauf fahren, daweil bin ich nach Schwabing nunter kommen."
Tieferer Un(Sinn)
Absurdes, aber mit tieferem (Un)Sinn: Der Komiker deckt mit "unnormalem Unsinn den normalen auf", so Valentin-Forscher Helmut Schwimmer - zum Beispiel im "Christbaumbrettl": Die offenbar damals schon hektische Jagd nach der Weihnachtstanne entpuppt sich als Farce. Es ist nämlich der 24. Juni, der Kalender zeigt nur deshalb den 24. Dezember an, weil noch der alte an der Wand hängt. Jetzt wird Valentin auch klar, warum der Baum so günstig war.
Und "Der Radfahrer" kontert mit seinem "Schwachsinn" letztlich nur den des Amtsträgers: Der Polizist hat ihn nämlich aus folgendem Grund gestoppt: "Sie haben ja hier eine Hupe, ein Radfahrer muß doch eine Glocke haben. Hupen dürfen nur die Autos haben, weil die nicht hupen sollen."
Drehen im Kreis
Verständnisprobleme gibt es auch wegen der "Verfluchten Hobelmaschine": Eine Kundin erklärt in einem ellenlangen Monolog dem Schreiner (Valentin) ihre Bestellung. Wegen der laufenden Maschine hat der allerdings kein Wort verstanden. Die Kundin muss den gesamten Text bei abgestellter Maschine noch einmal vortragen - wieder ohne Erfolg: Valentin erklärt sich als Bauschreiner nicht zuständig und schickt sie zum Möbelschreiner.
Vergeblich sind auch die Bemühungen des Ehepaars Valentin und Karlstadt im Film "Der Umzug", ihr armseliges Hab und Gut auf einen Handkarren zu stapeln. Am Ende fällt der ganze Krempel wieder auf die Straße. Das erneute Aufladen geht mit exakt denselben Dialogen wie zu Beginn einher. Der tragikomische Film, in dem es für das verarmte Ehepaar keinen Ausweg gibt, wird an dieser Stelle langsam ausgeblendet.
Vorläufer von Ionesco und Beckett
Vergeblichkeit ist das Stichwort: Um die Sinnlosigkeit des Handelns zu unterstreichen, zwingt Valentin die Szenen in eine Kreisstruktur - ein wesentlicher Kunstgriff, der später auch für das Absurde Theater konstitutiv wurde.
Eugène Ionesco verwendete ihn in der Kahlen Sängerin", Samuel Beckett - bekennender Valentin-Fan - im "Spiel". Die Handlung ist bei Valentin aber nicht nur zuweilen sinnlos, in einigen Stücken fehlt sie ganz. Auch darin nimmt er das Absurde Theater vorweg.
So debattieren Eltern und Kinder in "Familiensorgen" über ein furchtbares Unglück, das offenbar über die Familie hereingebrochen ist. Doch nur sie kennt es. Dem Zuschauer wird es nicht mitgeteilt - wie er auch bei Beckett nicht erfährt, warum auf Godot gewartet wird.