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Valentins Komik Kontraste

Stand: 31.05.2004 | Archiv

Karl Valentin in der Garderobe (undatierte Aufnahme) | Bild: picture-alliance/dpa

Der keine 50 Kilogramm leichte und sehr große Valentin sticht aus seiner Umwelt heraus - schon optisch. Bereits 1908 - zu Beginn seiner Karriere - beherzigt er als "Skelettgigerl" den Rat des Mentors Ludwig Greiner, seine Magerkeit zum Markenzeichen zu machen. Valentin verstärkt diese Wirkung meist noch durch Hilfsmittel: Schminke, eine überlange Nase, Röhrenhose und übergroße Schuhe. Dieses einem Clown nicht unähnliche Outfit war die beste Versicherung gegen jeden Anflug von Erhabenheit.

Don Quijote und Sancho Pansa

Valentin entgeht schon rein äußerlich dem Verdacht, bürgerliche Werte zu verkörpern. Diese zu vertreten, ist oft genug die Aufgabe von Karlstadt. Sie übernimmt die scheinbar seriösen Rollen von scheinbar honorigen Mitgliedern der Gesellschaft: Kapellmeister, Bäckermeister, Arzt - Valentin jeweils den kauzigen, streitlustigen Widerpart. Der Gegensatz zwischen den beiden Kontrahenten könnte allein optisch kaum größer sein als zwischen der Bohnenstange Valentin und der kleinen, rundlichen Karlstadt. Die beiden wurden ja auch hinlänglich mit Don Quijote und Sancho Pansa verglichen.

Und wie bei Cervantes geht es auch bei Valentin wenig erhaben zu. Speziell der Respekt vor den ganz letzten Werten wie Ehre oder das "Leben" fehlt bei ihm komplett. In "Eine Schlamperei" will der zum Tod verurteilte Valentin partout keine Demut angesichts des letzten Stündleins zeigen, sondern erweist sich noch auf dem Richtplatz als aktenkundiger Spiegelfechter:

Eine Schlamperei

Valentin ist eigentlich zum Tod durch Enthauptung verurteilt. Da der Henker wegen Schlamperei aber das Beil nicht findet, will der Richter auf Tod durch den Strang umdisponieren. Valentin aber kennt auch noch auf dem Richtplatz seine Paragrafen:

"Ausgeschlossen! In meinem Urteil hab ich es schwarz auf weiß: Enthauptung. Ich bestehe darauf, daß ich geköpft werde, und zwar sofort. Jetzt bin ich schon amal da, und Abschied hab ich auch schon genommen von meinen Angehörigen - also los!! Runter mit'n Kopf! Scheißt's net so lang rum."

"Ritter Unkenstein" modern

Bei Valentin kann es schon vorkommen, dass um ein Leben nicht viel Aufhebens gemacht wird. Er ist wohl einer der wenigen, bei dem man auch während einer Hinrichtung lacht. Nichts zu lachen gibt es allerdings für die Tochter des "Ritter Unkenstein".

Erdung gegen Erhabenheit

In diesem Dreiakter von 1939 will der gleichnamige Burgherr das Mädchen töten, weil es vermeintlich ein Kind von dessen Todfeind hat: "Ich will sie tot sehen! Ich werde sie hängen lassen! An den Galgen mit ihr!!!" Der Recke Heinrich (Valentin) bremst ihn aber: "Ja, den Galgen haben wir nimmer, den ham ma letzten Winter zusammengeschnitten, wie's so kalt war, weil ma koa Brennholz ghabt habn." Der Chef, der zuvor noch in hochtrabendem Hochdeutsch von Ehre und Heldenmut gefaselt hatte, hat noch nicht kapiert, dass sein eigener Laden nicht läuft. Sein Angestellter macht ihn erst mit ernüchternd vorgetragenem Dialekt darauf aufmerksam, dass man eigentlich viel profanere Probleme habe. Valentin liefert das Kontrastprogramm, er ist gleichsam die erdende Gegenkraft zur Überspanntheit seines pathos-triefenden Patrons.

Baby-Attrape

Am Ende von "Ritter Unkenstein" streiten sich dessen Tochter und der Vater um das gemeinsame Kind. Valentin schlichtet, indem er die Baby-Attrappe einfach in der Mitte durchschneidet und jedem Elternteil die Hälfte reicht. "Gewalt gegen Kinder" - besonders verpönt wegen deren Schutzbedürftigkeit.

Doch genau diesen Kontrast nutzt Valentin - nicht um sich als Kinderhasser zu profilieren - sondern um zu demonstrieren, dass ihm für Tabubrüche nichts zu heilig ist.


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