Erster Amtsverzicht seit 719 Jahren Der bayerische Papst verlässt den Stuhl Petri
Ungläubig reagierten viele Christen auf die Nachricht von der Demission des Papstes. Darf er das? Wie geht es weiter? Am Ende überwiegt Respekt vor der Entscheidung. Rückblick auf einen historischen Tag in Rom, Bayern und der Welt.
Man musste schon Latein können, um zu erfassen, was der Papst da am Vormittag des Rosenmontag 2013 verkündete: Benedikt XVI. hatte in Rom das Konsistorium - die Vollversammlung der Kardinäle - zusammengerufen, um in der Sprache der katholischen Kirche zu erklären, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen zum 28. Februar um 20.00 Uhr offiziell vom Amt zurückziehen werde.
"Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben."
Papst Benedikt XVI. in seiner Demission
Giovanna Chirri versteht Latein wie ihre Muttersprache. Die Korrespondentin der italienischen Nachrichtenagentur Ansa begriff als erste, dass der Papst nicht wie angekündigt von bevorstehenden Heiligsprechungen, sondern von seiner eigenen Zukunft sprach. Um 11.46 Uhr sendete die Agentur eine Eilmeldung. Zur gleichen Zeit twitterte Chirri "mit weichen Knien", wie sie später erzählte, die unwahrscheinliche Neuigkeit: "B16 se e' dismesso" - Benedikt XVI. ist zurückgetreten". Wenig später schickte die Nachrichtenagentur dpa die Nachricht nach Anruf im Vatikan Richtung Deutschland - Beginn eines aufregenden Nachrichtentages.
+++ Zum Nachlesen: Der 11.2.2013 im Liveblog des BR +++
Reaktionen: Schockiert, betroffen, verständnisvoll
"Schockiert": Das war an diesem Tag das meistgebrauchte Adjektiv, das in den Stellungnahmen so unterschiedlicher Persönlichkeiten wie Kardinal Joachim Meisner, des italienischen Ministerpräsidenten Mario Monti und des Großimam der Universität Kairo auftauchte. Der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa konstatierte an sich sogar "epochales Erschrecken". Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken wurde von der Nachricht kalt erwischt - die Pressestelle in Bonn war wegen des Rosenmontags nicht besetzt, Anrufer wurden per Bandansage mit "Alaaf" begrüßt. Zum ersten Mal seit 719 Jahren wird der Papstthron nicht durch den Tod des Amtsinhabers, sondern durch dessen Rücktritt vakant. Die Frage, die viele Menschen umtrieb: Darf er das?
Darf ein Papst zurücktreten?
Nach dem Kirchenrecht - Kanon 332, Absatz 2 - kann ein Papst aus freiem Entschluss auf sein Amt verzichten. Ein Amtsverzicht führt dazu, dass der Apostolische Stuhl vorübergehend unbesetzt ist. Von einigen gewaltsam erzwungenen Abdankungen abgesehen gibt es dafür nur ein Vorbild: Im Jahr 1294 dankte der fünf Monate zuvor gewählte Papst Coelestin V. ab, weil er sich dem Amt nicht gewachsen fühlte. Er führte ein Leben als Einsiedlermöch, starb 1296 und wurde später heiliggesprochen.
Am Ende überwiegt in den Reaktionen der Respekt für Benedikts menschliche Entscheidung - bei den schockierten Anhängern des Papstes ebenso wie bei seinen erleichterten Kritikern. Auf dem Petersplatz versammelte sich eine Menschenmenge, um für den Papst zu beten. In Benedikts Geburtsort Marktl am Inn - und nicht nur dort - mischte sich etwas Wehmut ein: Dass der nächste Papst wieder aus Bayern stammt, steht nicht zu erwarten.
"Für diesen historisch höchst seltenen Entschluss sind großer Mut und Selbstreflexion nötig. Beides findet meinen außerordentlichen Respekt."
Bundespräsident Joachim Gauck
Wie geht es weiter?
Dass Joseph Kardinal Ratzinger, der Mann, der Papst war, jetzt als Pensionär zurück nach Bayern kommt, bezweifelt nicht nur sein Bruder Georg. Aus dem Vatikan ist zu hören, der 85-Jährige wolle sich in ein ehemaliges Kloster auf dem Boden des Vatikan zurückziehen. Bis dort alles hergerichtet ist, will der Papst in seiner Sommerresidenz in Castel Gandolfo bei Rom wohnen.
Vatikansprecher Federico Lombardi rechnet bis spätestens Ostern mit "weißem Rauch" und einem Nachfolger für Benedikt XVI..