Mica Kinderarbeit für Glimmer in Kosmetik und Autolack
In vielem, was glitzert, ist Glimmer drin - sogenanntes Mica. Mit Kosmetik zum Beispiel kaufen wir oft Produkte, für die Kinder in Indien unter Lebensgefahr den Glimmer schürfen.
Autolacke, Handys, Computer, Küchengeräte wie Toaster, Kosmetik vom Lidschatten bis zur Bodylotion, Kinderzahncreme - fast überall, wo Glimmer drinsteckt, sind es die 37 Mineralarten, die unter dem Namen "Mica" zusammengefasst werden. Dass in vielen dieser Produkte Kinderarbeit und skrupellose Ausbeutung stecken kann, ist wenigen bekannt. Es ist sehr schwierig bis unmöglich, beim Kauf von Produkten herauszufinden, woher der Glitzer stammt, der zum Beispiel bei Kosmetika auf der Liste der Inhaltsstoffe als Mica oder CI 77019 steht. Das berichtet die Kinderhilfsorganisation terre des hommes (tdh).
Mineral Mica
Der Großteil der weltweit gehandelten Menge an Mica stammt aus Indien, Madagaskar, China und Brasilien. Sowohl in Indien als auch auf Madagaskar wird Mica häufig von Kindern geschürft. In Indien müssen in zwei der ärmsten Bundesstaaten besonders viele Kinder mit den Eltern zusammen Mica abbauen. Barbara Küppers von terre des hommes zu den aktuellen Zahlen: "Es arbeiten etwa 32.000 Kinder in Mica-Minen in Bihar und Jharkhand."
In Indien graben Kinder zum Teil unter lebensgefährlichen Bedingungen den Glimmer, Eltern sind wegen fehlender Kinderbetreuungsstrukturen darauf angewiesen, schon die jüngsten mitzunehmen. "In den Abbaugebieten, 843 Dörfern in Bihar (Distrikte Nawada und Jamui) und Jharkhand (Distrikte Giridih und Koderma) arbeiten Kinder meist gemeinsam mit ihren Familien in Schächten, die sie selbst bis in eine Tiefe von 20 Metern graben. Jüngere Kinder sortieren die Ausbeute nach Größe, die Kleinsten sind vier Jahre alt. Immer wieder brechen Schächte ein, es kommt zu schweren Verletzungen und Todesfällen", schreibt terre des hommes im Juni 2022.
Was ist CI 77019
Deklariert werden muss Mica auf der Liste der Inhaltsstoffe von Kosmetik - mit Mica oder CI 77019. In anderen Branchen muss nicht angegeben werden, ob Mica in Baustoffen, Autoteilen oder elektronischen Geräten steckt und vor allem, wo es herkommt.
Mica welche Produkte
In diesen Produkten ist Mica oft enthalten:
- Fugenmasse
- Gipsplatten
- Kosmetik: Lidschatten, Lippenstift, Rouge, Body Glitter, Nagellack, Shampoo, Zahnpasta und verschiedene Produkte für Kinder, wie etwa Badeseife, Duschgel und Kinderzahnpasta
- In Plastik als Füllstoff und als Glimmer in schimmerndem Plastik
- Farben und Lacke für Autos, Flugzeuge und Boote
- Autos: Als Füllstoff und Isolator in Kabeln, Stoßstangen, Armaturenbrettern, Spiegelabdeckungen.
- Elektro- und Haushaltsgeräte (Halbleiter, Lithium-Ionen-Batterien, Platinen, Kabel): Handys, Computer, Bügeleisen, Kaffeemaschinen, Toaster, dimmbare Lichtschalter, elektrische Heizöfen.
- Ölindustrie: Füllstoff für die Wände von Bohrlöchern
Quelle: tdh
Responsible Mica Initiative
2017 wurde die Responsible Mica Initiative (RMI) gegründet, um die Lieferketten von Mica transparenter zu machen und um in diesem Sektor Kinderarbeit und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse bis 2030 ganz verschwinden zu lassen. Zu den 82 Mitgliedsunternehmen gehören neben terre des hommes Unternehmen wie BASF, BMW, Chanel, H&M, Merck, L'Oreal, Sephora und Shiseido.
Die RMI hat nicht nur große Unternehmen und die Behörden vor Ort miteinander ins Gespräch gebracht und kümmert sich um Schulbesuche der Kinder und die Gesundheitsvorsorge für betroffene Familien in 180 Dörfern, sondern: "In Jharkhand wurde das Sammeln von 'Dhibra', das heißt, Mica, das bisher illegal gesammelt wurde und nicht industriell abgebaut wird, erlaubt, es ist also nicht mehr illegal. In der Folge wird das Bergbauministerium Jharkhands den Sektor stärker regulieren, etwa im Hinblick auf Beendigung von Kinderarbeit. Der Aufbau von Kooperativen wird möglich und unter anderem von der RMI und dem Bergbauministerium unterstützt. Organisiert in Kooperativen wird es den Schürferinnen und Schürfern möglich, bessere Preise zu erzielen und grundlegenden Arbeitsschutz umzusetzen", so Barbara Küppers Anfrage von BAYERN 1.
Mica – was kann man tun
Mica-Produkte ganz meiden? Das wäre der falsche Weg, so die Kinderschutzorganisation. "terre des hommes empfiehlt keine Boykotte und auch nicht den Ersatz von natürlichem Mica durch synthetisches Mica – angenommen, ein solcher Boykott würde zu einem nennenswerten Rückgang der Nachfrage nach Mica führen, würden die Preise fallen und die Familien, die auf das Mica-Schürfen angewiesen sind, würden noch schlechter bezahlt oder gar ihren Verdienst ganz verlieren. Wir wollen stattdessen, dass Mica unter menschenwürdigen Bedingungen geschürft wird", sagt Barbara Küppers. Deswegen können Verbraucherinnen und Verbraucher nur eines tun: "Sie können bei Herstellern nachfragen, ob die wissen, wo das Mica in ihren Produkten herkommt und unter welchen Bedingungen es gewonnen wurde, ob das Unternehmen sich an der RMI beteiligt."
Lesen Sie auch: Titandioxid - Darum ist der weiße Farbstoff E171 verboten
Auch beim Kakao-Anbau werden oft Kinder ausgebeutet, hören Sie in unserem Besser leben Podcast, welche Schokolade man guten Gewissens kaufen kann. Unseren BAYERN 1 Nachhaltigkeits-Podcast können Sie in der ARD Audiothek kostenlos downloaden und abonnieren:
https://www.ardaudiothek.de/episode/besser-leben-der-bayern-1-nachhaltigkeitspodcast/welche-schokolade-kann-ich-mit-gutem-gewissen-kaufen/bayern-1/12121173/