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Bienensterben durch Pestizide Pflanzenschutzmittel machen Bienen zu schaffen

Pestizide sind in der Landwirtschaft nicht immer zu vermeiden. Doch es gibt Substanzen, die nicht nur Schädlinge, sondern auch ganze Bienenvölker vernichten. Einige Neonicotinoide sind jetzt nach einem langen Rechtsstreit verboten.

Stand: 18.05.2021 |Bildnachweis

Bienen fliegen in Bienenstock | Bild: picture-alliance/dpa

Die weltweit mit am häufigsten verwendeten Pestizide sind die sogenannten Neonicotinoide (auch: Neonikotinoide). Diese Insektizide sind jedoch umstritten. Sie werden zum Beispiel als Saatgutbeizmittel genutzt. Beim Wachsen der Pflanzen verteilt sich das Gift allerdings bis in die Pollen und den Nektar. Studien zufolge können Neonicotinoide bei Bienen die Fortpflanzung und Orientierung beeinträchtigen und sich so direkt auf ihre Überlebensfähigkeit auswirken.

Verbot der Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 6. Mai 2021 in letzter Instanz - und nach einem langjährigen Rechtsstreit - zugunsten der Bienen entschieden: Die EU-Teilverbote für einige Neonicotinoide bleiben bestehen, weil ernsthafte Zweifel an ihrer Unschädlichkeit festgestellt wurden: Die drei Insektizide Clothianidin (Bayer), Imidacloprid (Bayer) und Thiamethoxam (Syngenta) dürfen in der EU nicht mehr auf die Äcker gebracht werden - außer per Notfallzulassung. Diese könnte zum Beispiel benötigt werden, wenn gravierende Ernteausfälle drohen.

Laut EuGH gebe es ausreichende wissenschaftliche Hinweise, um diese Maßnahmen zu rechtfertigen. Dem Urteil war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem Chemiekonzern Bayer und der EU-Kommission vorausgegangen. Die EU-Kommission hatte die Nutzung der Substanzen Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam wegen der Risiken für die Bienen bereits 2013 begrenzt.

Der gerichtliche Kampf gegen Neonicotinoide

EFSA-Gutachten 2013: Hohes Risiko für Bienen durch Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat bereits im Januar 2013 ein Gutachten veröffentlicht, demzufolge Honigbienen durch Insektizide geschädigt werden können. Sie sehe ein "hohes, akutes Risiko" für Bienen durch die drei Stoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Daraufhin untersagte die EU-Kommission den Einsatz dieser speziellen Pflanzenschutzmittel für den Anbau von Mais, Sonnenblumen, Raps und Baumwolle ab 1. Dezember 2013 für zunächst zwei Jahre.

Umweltschützer fordern generelles Verbot von schädlichen Pestiziden

Zu dem von Umweltschützern geforderten vollständigen Verbot von Neonicotinoiden konnte sich die EU bislang nicht durchringen. Greenpeace zum Beispiel setzte sich dafür ein, mindestens sieben Pestizide der Firmen Syngenta, Bayer, BASF und anderer Hersteller zu verbieten: nämlich auch Fipronil, Chlorpyrifos, Cypermethrin und Deltamethrin. In ihrem Report "Bye bye Biene? Das Bienensterben und die Risiken für die Landwirtschaft in Europa" stufte Greenpeace sie alle als bienengefährlich ein. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erklärte: "Das Verbot war überfällig, reicht aber nicht aus". Alle für Bienen schädlichen Pestizide müssten generell vom Markt genommen werden.

Auch Pestizidwirkstoff Thiacloprid kann Bienen schaden

Nach einem Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 11. März 2015 darf die Firma Bayer den Pestizidwirkstoff Thiacloprid, eine Weiterentwicklung von Imidacloprid, der in den Bayer-Produkten "Schädlingsfrei Calypso" und "Zierpflanzenspray Lizetan" enthalten ist, nicht mehr als ungefährlich für Bienen bezeichnen. Studien des BUND haben ergeben, dass der Stoff, der zu den umstrittenen Neonicotinoiden gehört, als bienengefährlich eingestuft werden muss.

So können sich Pestizide auf Bienen auswirken

Neonicotinoide können das Nervensystem der Bienen schädigen und ihre Kommunikation, Navigation und Pollensammelfähigkeit einschränken. Die Tiere unternehmen dann weniger Sammelflüge, weil sich ihre Orientierungsfähigkeit verschlechtert. Sie brauchen länger für ihre Rückkehr in den Bienenstock. Schon kleine Mengen von Pestiziden wirken sich auf das Nervensystem auch von Wildbienen und Hummeln aus. Das fand ein Team um den Neurobiologen Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin im März 2014 heraus.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen französische Forscher um den Projektleiter Mickaël Henry vom nationalen Institut für landwirtschaftliche Forschung (INRA) im Dezember 2015. Sein Team säte neonicotinoid-gebeizten Raps aus. Es stellte fest, dass Neonicotinoide unter realen Feld-Bedingungen eine erhöhte Sterblichkeit bei Arbeitsbienen bewirken. Dies wird im Stock aber ausgeglichen: Das Bienenvolk brütet dann mehr Arbeiterinnen aus, dafür aber weniger männliche Bienen, deren ausschließliche Aufgabe es ist, die Königin zu befruchten. Wenn es weniger männliche Bienen gibt, könnte das längerfristig zu einer genetischen Verarmung des Volks führen.

Langzeitstudien zeigen Bienensterben durch Neonicotinoide auf

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In Großbritannien zeigte eine großangelegte Studie im August 2016, wie stark Bienen von den Neonicotinoiden betroffen sind: Forscher um den Insektenkundler Ben Woodcock am britischen Zentrum für Ökologie und Hydrologie (NERC) untersuchten das Vorkommen von 62 verschiedenen Wildbienenarten von 1994 bis 2011. Seit der Zulassung der Pestizide 2002 haben viele Wildbienenvölker demnach massive Verluste erlitten. Die Zahl der Wildbienen, die sich auf mit Neonicotinoiden behandelten Raps spezialisiert haben, ist sogar um bis zu zwanzig Prozent zurückgegangen. Eine Studie aus den USA belegt ein ähnliches Ergebnis für Schmetterlinge: Seit 1995 sind in Nordkalifornien Neonicotinoide zugelassen - und seither schrumpft die Zahl der Schmetterlingsarten dort dramatisch.

Tierische Drogen: Bienen fliegen leider auf Neonicotinoide

Forscher aus Großbritannien und Irland fanden heraus, dass Bienen mit Neonicotinoiden behandelte Pflanzen nicht etwa meiden, sondern sie sogar bevorzugt ansteuern: In ihren Versuchen waren mit Neonicotinoiden versetzte Zuckerlösungen begehrter als reine Zuckerlösungen. Beim Sammeln von Nektar und Pollen könnten Bienen deshalb mehr von den Schadstoffen aufnehmen als bisher angenommen. "Neonicotinoide steuern im Nervensystem von Bienen die gleichen Mechanismen an wie Nikotin im Gehirn von Menschen", erläutert Studienleiterin Geraldine Wright von der Newcastle University im April 2015. "Die Tatsache, dass die Bienen eine Vorliebe für Neonicotinoid-belastete Nahrung haben, ist besorgniserregend. Es lässt vermuten, dass Neonicotinoide ähnlich wie Nikotin als Droge wirken und solche Nahrung besonders belohnend wirkt." Die Forscher folgern, dass die Neonicotinoid-Verwendung eingeschränkt werden müsse, um die Bienen zu schützen. Dass Insekten auf natürliches Nikotin fliegen, das in einigen Pflanzen enthalten ist, war schon länger bekannt.

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