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Mehr als nur Luftholen Gesundes Atmen und Atemnot

Atmen – das geht eigentlich ganz von allein, der Mensch muss seinen Körper dazu nicht steuern. Und doch kann er die Atmung gezielt beeinflussen. Atemnot kann allerdings ganz unterschiedliche Gründe haben – und hat nur selten etwas mit Sauerstoffmangel zu tun.

Von: Veronika Wawatschek

Stand: 07.05.2024 |Bildnachweis

Silhouette eines jungen Mannes, auf der graphisch seine oberen Atemwege und die Lungenflügel hervorgehoben sind. | Bild: picture-alliance/dpa

Atmen – das geht eigentlich ganz von allein, der Mensch muss seinen Körper dazu nicht steuern. Und doch kann er die Atmung gezielt beeinflussen. Atemnot kann allerdings ganz unterschiedliche Gründe haben – und hat nur selten etwas mit Sauerstoffmangel zu tun.

Experte:

Prof. Dr. med. Jürgen Behr, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V des LMU-Universitätsklinikums München und Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin/Pneumologie an der LMU, Chefarzt der Klinik für Pneumologie und Ärztlicher Direktor der Asklepios Fachkliniken München Gauting, Vorstand Stiftung AtemWeg

Etwa 50 Mal in der Minute holen Säuglinge in der Minute Luft, Erwachsene mit voll ausgebildeter Lunge nur etwa 15 Mal. Die Lunge versorgt uns durch die Atmung mit dem lebensnotwendigen Sauerstoff- und gibt das Kohlendioxid ab, welches durch Zell-Stoffwechsel anfällt. Ein Prozess, den der Mensch nicht lernen muss, den er aber – anders als das Kreislaufsystem – willentlich steuern kann. Atemnot kann psychisch bedingt sein, kann aber auch sehr unterschiedliche medizinische Ursachen haben. Sie herauszufinden ist der erste Schritt für eine gelungene Therapie der Atemnot.

Dem Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. med. Jürgen Behr zugrunde, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V des LMU-Universitätsklinikums München und Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin/Pneumologie an der LMU, Co-Leiter des Comprehensive Pneumology Centers (CPC), Consultant Professor der Asklepios Fachkliniken München Gauting, Vorstand Stiftung AtemWeg.

Das Atmen muss der Mensch nicht lernen, es ist ein Prozess, der automatisch funktioniert. Zwei Bereiche müssen dazu ideal ineinandergreifen.

Die Lunge hat die Fähigkeit, Sauerstoff aus der Umgebungsluft ins Blut zu bringen und umgekehrt Kohlendioxid, das dort im Rahmen des Stoffwechsels der Körperzellen anfällt, wieder abzugeben. Dazu muss die Lunge durch eine "Atempumpe" bewegt werden. Diese besteht aus Brustkorb und Zwerchfell, gestützt durch die Wirbelsäule und das Brustbein.

"Das alles bildet sozusagen den Käfig für die Lunge, der für die eigentlich mechanische Atmung zuständig ist."

Prof. Dr. Jürgen Behr

Damit die Luft über die Atemexkursionen in die Lunge befördert werden kann, müssen Muskel- und Skelettapparat optimal zusammenarbeiten. Man spricht auch von der "Atempumpe". In der Lunge selbst findet dann das eigentlich relevante, der Gasaustausch, statt.

Gesunde Atmung? Eigentlich automatisch!

Normalerweise arbeiten diese beiden Bereiche hervorragend zusammen. Atmung, Lunge und Atembewegungen sind perfekt aufeinander abgestimmt. Die Atmung ist so ausgelegt, dass nur die Einatmung Energie verbraucht. Die Lunge selbst ist elastisch und im Brustkorb aufgespannt. Die Ausatmung im Ruhezustand geschieht passiv.

"Bei einem Gesunden ist auch bei stärkster körperlicher Belastung nie die Atmung der begrenzende Faktor, sondern immer der Kreislauf."

Prof. Dr. Jürgen Behr

Der Hauptatemmuskel ist das Zwerchfell. Beim Einatmen tritt das Zwerchfell tiefer, die Lunge wird gedehnt, die elastischen Kräfte werden aufgebaut, die Luft kommt in die Lunge und wenn das Zwerchfell dann erschlafft, macht die Elastizität der Lunge selbst die Ausatmung.

Richtiges Atmen? Wie und Wozu?

Tipps zum richtigen Atmen können bei Erkrankungen der Atemorgane helfen. Gesunde Menschen brauchen fürs normale Leben keine Tipps zum richtigen Atmen. Allerdings können sie die Atmung als Vehikel nutzen, um im Rahmen von Yoga oder Konzentrationsübungen bestimmte Funktionen ihres Körpers zu verbessern oder auch innere Ruhe zu finden und sich zu entspannen. Gerade in unserer heutigen stressigen Zeit können sich solche Übungen positiv auf den Körper auswirken, auf die Lunge selbst haben sie keine Auswirkungen.

"Man kann nicht sagen, dass man durch richtiges Atmen etwas an der Lunge verbessert."

Prof. Dr. Jürgen Behr

Atmen und Psyche

Die Atmung ist eine lebenswichtige Körperfunktion, die wir im Gegensatz zum Kreislauf unter willkürlicher Kontrolle haben. Die Atmung lässt sich - anders als die Herzfunktion - willkürlich steigern, abflachen, vertiefen oder anhalten. Insofern lässt sich das Atemorgan willentlich nutzen, um gewisse Entspannungseffekte zu erzielen. Atmung hängt mit der Psyche zusammen und zeigt unsere momentane psychische Verfassung. Das wird auch sprachlich deutlich: "Mir stockt der Atem, wenn ich erschrecke oder Angst habe. Ich hyperventiliere, wenn ich in Erregung bin." Umgekehrt lassen sich deshalb durch besonders konzentriertes Atmen auch Auswirkungen auf die Psyche erzielen: Bei verschiedenen Entspannungsverfahren wie dem Autogenen Training oder Yoga ist die Atmung auch ein zentrales Mittel, um Entspannung zu erzeugen.

Warum Rauchen die Atmung stört, behindert oder schädigt

Beim Rauchen haben wir mehrere 100 teilweise krebserregende Substanzen im Zigarettenrauch, u.a. Feinstaub. Diese reizen die Lungenoberschicht, also die Grenzmembran zwischen Umwelt und Körper – eine extrem dünne Membran. An manchen Stellen hat sie nur ein Tausendstel Millimeter Dicke. Bei einer andauernden Reizung kommt es hier an dieser Membran zu einer Abwehrreaktion des Körpers, da kommen also Abwehrzellen in die Lunge hinein. Diese Abwehrzellen in der Lunge führen zu einer Entzündung. Die zerstört auf Dauer durch andauerndes Rauchen die Lungenstruktur, denn dadurch geht die Elastizität kaputt, die die Lunge für das gesunde Atmen braucht.

Was der Zigarettenrauch im Detail zerstört

Die Entzündung in der Lunge zerstört die elastischen Fasern und lassen die Lunge zu einem schlaffen Sack werden. Eigentlich sorgen diese elastischen Fasern dafür, dass die Bronchien bei der Ausatmung nicht zusammenfallen. Wenn aber diese elastischen Fasern kaputtgehen, kollabiert der Bronchius. Die Luft geht also nicht mehr aus der Lunge heraus. Nach kurzer Zeit ist dann die Lunge so voll Luft, dass die Atmung schwerfällt. Die Atempumpe, also die Atemmuskulatur, ist dann so aufgespannt, dass man nicht mehr atmen kann.

"Das wäre in etwa so, als ob Sie den Arm vollständig abgebogen haben im Ellbogen und sagen, jetzt will ich ihn noch weiter biegen. Da sind Sie mechanisch am Ende."

Prof. Dr. Jürgen Behr

Ähnlich verhält es sich bei Raucherlungen: Die Lunge kann die Luft nicht mehr ausreichend abgeben, bei jedem Atemzug bleibt Luft in der Lunge zurück – vor allem bei Anstrengung. Das führt zu einer Überblähung. Das Zwerchfell wird durch die überblähte Lunge nach unten gedrückt und kann gar nicht mehr weiter nach unten, sie ist dann einfach am Anschlag. Und dann kommt es zu Atemnot.