Lungenkrebs Tumoren in der Lunge
Die Diagnose Lungenkrebs ist für viele noch immer verbunden mit dem baldigen Tod. Tatsächlich sind die Fünf-Jahres-Überlebensraten verglichen mit anderen Krebsarten nicht sonderlich hoch. Und doch gibt es Hoffnung durch gezieltere Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.
Experte:
Prof. Dr. med. Jürgen Behr, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V des LMU-Universitätsklinikums München und Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin/Pneumologie an der LMU, Co-Leiter des Comprehensive Pneumology Centers (CPC), Consultant Professor der Asklepios Fachkliniken München Gauting, Vorstand Stiftung AtemWeg
Die Diagnose Lungenkrebs ist für viele noch immer verbunden mit dem baldigen Tod. Tatsächlich sind die Fünf-Jahres-Überlebensraten verglichen mit anderen Krebsarten nicht sonderlich hoch. Und doch gibt es Hoffnung durch gezieltere Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten.
Dem Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. med. Jürgen Behr zugrunde, , Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V des LMU-Universitätsklinikums München und Lehrstuhlinhaber für Innere Medizin/Pneumologie an der LMU, Co-Leiter des Comprehensive Pneumology Centers (CPC), Consultant Professor der Asklepios Fachkliniken München Gauting, Vorstand Stiftung AtemWeg.
Früher hatten die überwiegende Zahl der Lungenkrebspatienten ihren Tumor relativ zentral im Bronchialsystem. Inzwischen gibt es viel mehr Tumoren, die sich mehr in der Peripherie der Lunge finden und weniger im Zentrum. Dafür existieren verschiedene Erklärungsversuche.
Wahrscheinlich haben sich im Laufe der Jahrzehnte die Rauchgewohnheiten verändert, aber auch die Zusammensetzungen der Zigaretten. Zudem ist es auch so, dass mit den heutigen Verfahren der Computertomografie die Tumore sehr viel genauer festgestellt werden können. Früher hat man deshalb eher von Bronchialkarzinom gesprochen, heute spricht man von Lungenkrebs.
Erkenntnis 1: Lungenkrebs ist nicht gleich Lungenkrebs
Es gibt nicht den einen Lungenkrebs, sondern ganz viele verschiedene Typen. Dazu muss zunächst die richtige Diagnose gestellt werden. Eine Raumforderung oder eine Weichteilvermehrung - wie es im medizinischen Fachjargon heißt - in der Lunge heißt noch nicht unbedingt, dass sich Lungenkrebs dahinter verbirgt. Dazu muss man eine Diagnose stellen.
Erkenntnis 2: Die genaue Diagnose hilft bei der Therapie
Die genaue Diagnose ist deshalb so wichtig, weil dadurch die Therapie und Behandlung positiv beeinflusst werden kann. Dazu muss man Tumorzellen oder Gewebestücke aus dieser Weichteilformation entnehmen. Das macht man typischerweise bronchoskopisch, d.h. im Rahmen einer Lungenspieglung. Das gewonnene Zell- bzw. Gewebematerial wird dann genau analysiert, wobei der exakte Zelltyp festgestellt wird. Abhängig von diesem Zelltyp werden dann weiterführende immunologische oder molekularpathologische Analysen durchgeführt, die für die weitere Therapie entscheidend sind.
Es gibt verschiedenste Mutationen im Erbgut der Tumorzellen, die für das ungebremste Wachstum dieser Zellen verantwortlich sind. Das heißt: Die Tumorzellen werden genetisch komplett analysiert. Für einige der Mutationen gibt es inzwischen gezielte Therapien, die dann zur Behandlung des Patienten eingesetzt werden.
Ursache Nr. 1: Rauchen
Hauptursache für Lungenkrebs ist nach wie vor das Zigarettenrauchen. Beim Rauchen von Zigaretten werden Karzinogene, also krebsauslösende Schadstoffe, eingeatmet. Diese Stoffe führen dazu, dass Zellen in ihrem Erbgut geschädigt werden, wobei auch Zellen entstehen, die unbegrenzt wachsen.
"Das ist ja das Wesen des Krebses, dass er die Grenzen des Wachstums nicht mehr kennt und sich immer weiter ausbreitet."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Dieses ungebremste Wachstum führt zu Weichteilvermehrungen im Lungengewebe, die dann die normalen Lungenzellen verdrängen bzw. sie kaputt machen und dann letztendlich zum Tod führen. Manchmal breiten sich diese Zellen auch im Körper aus, in der Leber, im Gehirn und irgendwann führen diese Metastasen dazu, dass der Mensch nicht mehr lebensfähig ist.
Warum können sich die Krebszellen ausbreiten?
Normalerweise bekämpft der Körper mit Abwehrzellen solche Krebszellen, die bei jedem Menschen vorkommen. Jeder Mensch hat aber auch Reparaturprozesse – das heißt: Mutationen, die grundsätzlich geeignet wären, eine Tumorzelle zu generieren, werden wieder repariert, oder das Immunsystem erkennt die veränderte Zelle und eliminiert sie. Der Mensch ist dadurch über Jahrzehnte oder auch lebenslang geschützt, eine Krebserkrankung zu entwickeln. Wenn aber durch schädliches Verhalten wie Zigarettenrauchen so viele Mutationen entstehen, dass die Reparatur- und Kompensationsmechanismen der Natur nicht mehr ausreichen, kommt irgendwann eine Zelle durch, dann entsteht Krebs.
"Warum trotzdem auch Menschen an Lungenkrebs erkranken, die nie geraucht haben, entzieht sich der Kenntnis der Wissenschaft. Das können wir heute noch nicht genau beantworten."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Woher Lungenkrebs kommt – Ursache Nr. 2: Umweltgifte
Wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt ist außerdem, welche Rolle Umweltgifte wie Stickoxide oder Feinstaub bei der Entstehung von Lungenkrebs spielen.
"Es gibt Vermutungen und starke Hinweise darauf, dass hier Zusammenhänge bestehen. Aber einen direkten Beweis zu führen, das wäre auch wissenschaftlich sehr schwierig. Solche Entwicklungen ziehen sich oft über Jahrzehnte hin. Epidemiologen, die solche Untersuchungen durchführen, können in ihren Studien zeigen, dass solche Gifte ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringen."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
In der Vergangenheit wurde die Mehrzahl der Fälle in einem Stadium erkannt, in dem eine Heilung nicht mehr möglich war. Das liegt häufig daran, dass der Lungenkrebs oft kaum oder keine Symptome macht, obwohl er unter Umständen schon fortgeschritten ist.
Das einzige Symptom, das häufig genannt wird, ist Husten. Darunter leiden allerdings viele Menschen. Und bis man wegen Husten eine weitere Abklärung machen lässt, vergeht noch immer oft zu viel Zeit. Außerdem hat nicht jeder Lungenkrebspatient dieses Symptom. Die Symptome sind oft sehr verspätet oder verzögert und in einem Teil der Fälle auch falsch gedeutet, so dass man oft die Diagnose stellt, wenn keine Heilung mehr möglich ist. Auch bei den Patienten mit fortgeschrittener Lungenkrebserkrankung sind aber effiziente Therapien möglich, die für begrenzte Zeit eine Kontrolle des Tumors erlaubt, auch wenn er nicht vollständig eliminiert werden kann.
Empfehlung: Möglichst bald zur Abklärung und nicht rauchen
Erste Signale sollten ernst genommen werden: Anhaltender Husten über mehr als sechs Wochen sollte auf jeden Fall abgeklärt werden.
"Und man sollte natürlich möglichst gar nicht rauchen, das ist schon mal ein ganz guter Ansatz."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Diagnosemethoden
- Röntgen
Eine normale Röntgenaufnahme hat eine relativ niedrige Sensitivität, weshalb man damit man den Lungenkrebs tatsächlich nicht wesentlich früher erkennen kann.
- bildgebende Verfahren
Die Computertomografie der Lunge ist sicherlich das Verfahren der Wahl, um einen Lungenkrebs möglichst früh und sicher zu erkennen. Findet man in der CT einen auffälligen Befund, so wird je nach Größe des Herdes eine Kontrolluntersuchung oder eine weitere Abklärung, oft mit einer Bronchoskopie durchgeführt, um Gewebe aus den auffälligen Bereichen zu gewinnen und festzustellen, um was es sich genau handelt – bösartiger oder gutartiger Tumor oder Entzündung.
- Screening
Inzwischen gibt erstmals Studien, die zeigen, dass ein Screening auf Lungenkrebs mit einem Low-dosed-CT, also einem niedrig dosierten CT, tatsächlich einen Überlebensvorteil bringt. Deshalb überlegt man derzeit europaweit an mehreren Standorten, ob man Screening-Programme auflegt, um den Lungenkrebs bei Risikopatienten, die eine bestimmte Rauchvorgeschichte haben, frühzeitig zu erkennen.
"Das ist aber noch nicht in trockenen Tüchern, es gibt dazu noch viele Diskussionen, etwa zur Finanzierung."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Ein Gegenargument ist auch, dass jedes Screening auch Knoten findet, die kein Krebs sind, die aber dann untersucht werden müssen und zunächst verunsichern. Außerdem ist es in Deutschland nach wie vor so, dass ein Screening, also eine Röntgenuntersuchung, ohne spezifischen Anfangsverdacht nicht erlaubt ist. Das heißt: Man darf Röntgenstrahlen nicht ohne einen ausreichenden Grund am Menschen einsetzen.
"Wenn also ein Mensch völlig beschwerdefrei kommt, kann ich ihn nicht ohne weiteres röntgen. Es muss irgendein Symptom oder ein Verdacht vorliegen, der es rechtfertigt ionisierende Strahlen, also Röntgenstrahlen, am Patienten einzusetzen."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Das Auftreten einer Lungenkrebserkrankung ist immer ein gravierendes und oftmals auch ein die Lebenserwartung bestimmendes Ereignis - auch wenn man es früh erkennt. Wie geht es dann also weiter?
Die Überlebensrate insgesamt ist nach wie vor nicht sehr gut, das heißt: Je nach Stadium der Erkrankung gibt es Fünf-Jahres-Überlebensraten, die zwischen 15, 20 oder 60 Prozent liegen. Bei ganz frühen Stadien liegen sie vielleicht auch bei 70 bis 80 Prozent. Das liegt daran, dass 80 bis 90 Prozent der Lungenkrebspatienten rauchen. Das heißt, sie haben eine erhöhte Mutationslast im Körper. Und wenn Sie schon mal einen Tumor hatten, bedeutet das oft, dass Sie im weiteren Verlauf weitere Tumoren entwickeln. Das ist nicht auf die Lunge beschränkt. Beispielsweise werden Giftstoffe aus dem Zigarettenrauch auch im Urin ausgeschieden. Deshalb gibt es auch eine erhöhte Häufigkeit von Blasenkrebs zum Beispiel bei Rauchern.
Prognose und Therapie: abhängig von der Tumorart
Lungenkrebs ist nicht gleich Lungenkrebs und deshalb unterscheidet sich auch die Prognose je nach Zeitpunkt der Diagnose, Metastasierung und Mutation.
Lokal begrenzt? Operation!
Ist der Befund umschrieben, also lokal begrenzt, kann man eine Operation durchführen. Das wäre das erste Mittel der Wahl, wenn es möglich ist, den gesamten Tumor einschließlich der Lymphknoten zu entfernen. Dafür müsste der Tumor auf eine Lungenseite begrenzt sein. Er darf noch nicht gestreut haben. Es darf also noch keine Absiedelungen im restlichen Körper geben. Der gesamte Körper muss also untersucht werden (man nennt dies Staging) und nur, wenn dabei keine weiteren Tumormanifestationen vorliegen, ist die Operation das Mittel der Wahl.
Strahlen- und Chemotherapie, um zu heilen
Wenn das nicht möglich ist, kommt es auf die jeweilige Situation an. In einem Teil der Fälle kann man mit einer Kombination aus Strahlentherapie und Chemotherapie auch eine Heilung herbeiführen. Das ist aber nur dann möglich, wenn keine Fernmetastasen, also Absiedelungen außerhalb des Brustkorbs, vorhanden sind und wenn man alle vorhandenen Manifestationen mittels Strahlentherapie oder Chemotherapie erreichen kann. Auch das trifft nur auf einen kleinen Teil der Patienten zu.
Strahlen- und Chemotherapie zur Verbesserung der Prognose
Bei allen anderen Fällen ist es möglich, dass die Überlebensrate durch Chemotherapie oder durch Kombination von Chemotherapie und Bestrahlung zwar verbessert werden, aber keine Heilung herbeiführt werden kann. Das heißt: Ärztinnen und Ärzte können den Tumor nicht vollständig eliminieren, er wird also immer da sein und muss immer wieder mit unterschiedlichen Ansätzen behandelt werden.
"Da haben wir in den vergangenen Jahren riesige Fortschritte erzielt: Bei einem Teil der Patienten können wir mutierte Wachstumsrezeptoren blockieren, die dann nicht mehr feuern und damit das Wachstum der Zellen nicht mehr vorangeht oder sogar zurückgeht. Bei einem Teil der Patienten kann man eine sogenannte Immuntherapie machen."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Unterstützende Möglichkeiten
"Da muss man aufpassen, hier gibt es auch viel Scharlatanerie. Zum Beispiel gibt es Verfechter davon, dass man keinen Zucker essen solle. Andere empfehlen ganz viele Vitamine. Davor ist zu warnen, dafür gibt es keinerlei wissenschaftliche Evidenz."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Atemtechniken können dann helfen, wenn es zur Atemnot kommt. Am Krebs an sich ändern diese Techniken jedoch nichts.
Psychoonkologie und soziale Unterstützung
"Grundsätzlich ist es so, dass die Tumorerkrankung auch von der Psyche her bearbeitet werden soll. Das heißt: Wir als zertifiziertes Lungenkrebszentrum bieten unseren Patienten eine psychoontologische Betreuung an."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr
Die Psyche wird in erster Linie durch Gespräche unterstützt, manchmal auch mit Medikamenten, um eine bessere Verarbeitung dieser schweren Diagnose zu erzielen. Viele Patienten mit der Diagnose Lungenkrebs denken, dass sie jetzt ganz schnell sterben werden. Das heißt, hier gibt es große Ängste. Wenn diese nicht aufgefangen werden, kann das den Krankheitsverlauf durchaus negativ beeinflussen. Man weiß auch, dass eine sehr gute Betreuung und die Zuwendung im Alltag auch das Überleben der Patienten verbessert. Das bezieht dann die ganze Familie mit ein, etwa indem man positive Momente schafft, indem man sich abwechslungsreich und gut ernährt oder indem man das Wohlsein durch gute Ernährung fördert.
"Das ist eigentlich viel wichtiger, als irgendwelche Vitaminpräparate oder irgendwelche Dogmen, das sind oft nur Zeichen, die Defizite in der psychischen Betreuung, in der Interaktion, zu übertünchen."
Prof. Dr. med. Jürgen Behr