1. April 1899 Deutsch-Neuguinea wird reguläre Kolonie
Der 1. April 1899 bedeutete für die Papua-Bevölkerung den Anbruch einer neuen Zeit, denn Deutsch-Neuguinea wurde reguläre Kolonie des Deutschen Reichs. Bis heute ist es schwer, die Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung vor der Kolonisierung zu rekonstruieren.
01. April
Freitag, 01. April 2011
Autorin: Brigitte Kohn
Sprecher: Andreas Wimberger
Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung
"Ein Schiff fuhr auf dem Meer. Und wir saßen da und unsere Augen folgten dem Schiff und wir weinten und hatten Mitleid." So erzählt ein Mann aus Papua-Neuguinea von der Ankunft der Deutschen in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Einheimischen haben Mitleid, weil sie das Schiff für ein Gefährt aus der Unterwelt halten und die Weißen darauf für verstorbene Vorfahren, in der Hölle erbleicht. In Wirklichkeit sind es bloß deutsche Geschäftsleute, die nach Standorten für neue Handelsniederlassungen suchen. Der deutsche Kapitän verteilt Salz an die Insulaner und demonstriert gut gelaunt, wie ein Streichholz funktioniert.
"Es sind gute Menschen, keine Teufel. Ich glaube, sie fühlten Mitleid mit uns, deswegen sind sie gekommen und wollen uns gute Dinge geben."
Der Mann aus Papua-Neuguinea erzählt diese Geschichte Jahrzehnte nach dem Ereignis, er will dem weißen Forscher gefallen, der ihn befragt.
Natürlich sind die Geschäftsleute nicht aus Menschenliebe gekommen. Sie wollen vielmehr Anschluss an den Welthandel finden. Deutschland hat nur vier Schutzgebiete in Afrika, das ist wenig im Vergleich zu den großen Kolonialmächten England, Frankreich und Niederlande. Ein Südseegebiet wie Neuguinea, gelegen im Norden Australiens, käme als Erweiterung gerade recht. Südsee-Romantik ist in Deutschland sehr beliebt und exotische Produkte aus dieser Gegend wären es wohl auch, so hofft man. Reichskanzler Bismarck hat nichts dagegen, dass Kaufleute auf eigenes Risiko in die Welt ziehen und Land erwerben. Kolonien im engeren Sinn sind ihm zu teuer und zu krisenanfällig, aber solange die Verantwortung für die neuen Gebiete in den Händen der Handelsgesellschaften bleibt, erteilt er gern Schutzbriefe. Das verpflichtet zu ein bisschen Schutz und sonst zu nichts und spart dem Reich Kosten.
Aber das Konzept funktioniert nicht. Die Kaufleute kommen nicht zurecht, weder mit ihren Verwaltungsaufgaben noch mit den Einheimischen. Die Neuguinea-Kompagnie ist bald bankrott. Am 1. April 1899, Bismarck ist schon lange nicht mehr Reichskanzler, wird Deutsch-Neuguinea dann doch direkt dem Deutschen Reich unterstellt, als reguläre Kolonie. Für die indigene Bevölkerung bedeutet das den Anbruch einer neuen Zeit, die die alten Lebensweisen verändert und die Menschen tief verunsichert.
Obwohl Gouverneur Albert Hahl ja eigentlich viel menschlicher ist als seine offen rassistischen Kollegen in Afrika. Schließlich hat er ja eine einheimische Frau und mit ihr ein Kind. Er will effizient wirtschaften und setzt auf kooperative Einheimische, die er in die Verwaltung einbindet, für die er ein Schulwesen und medizinische Versorgung aufbaut und denen er die christliche Ethik schmackhaft machen will, nicht immer mit Erfolg. Ein Stammesführer entgegnet ihm einmal:
"Deine Worte mögen für die Weißen passen, das geht mich nichts an. Aber wir wollen den Feind erschlagen und verzehren, das ist unsere Art, bei dieser will ich bleiben."
Ein Stammesführer
Kannibalismus - gab es den in Neuguinea, oder übertrieben die Kolonisatoren, um ihr eigenes Handeln zu rechtfertigen? Die Forschung ist sich da nicht einig. Bis heute sehen wir große Teile der Welt durch die Brille der Kolonisatoren. Bis heute ist es schwer, das wahre Gesicht der indigenen Völker zu erkennen, weil es von Unterdrückung gezeichnet ist.