Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. Juni 1989 Tausende gegen Tempolimit auf der AVUS

Schnelle Autos brauchen gute Straßen. Schon 1909 war die Berliner AVUS ein ideales Rennwagen-Testgelände und später eine spritzige Stadtautobahn. Dann wurde Tempo 100 verordnet, und Tausende unglückliche Bleifüßler protestierten am 3. Juni 1989 dagegen.

Stand: 03.06.2011 | Archiv

Illustration des Kalenderblatts:Tausende gegen Tempolimit auf der AVUS | Bild: BR/ Franziska Pucher

03 Juni

Freitag, 03. Juni 2011

Autor(in): Armin Strohmeyr

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Als sich am 3. Juni 1989 Tausende Autos durch die Westberliner City schoben, ging es den Protestierenden um die Freiheit. So behauptete es der ADAC, der dazu aufgerufen hatte. Der Korso bewegte sich nicht zum Brandenburger Tor, dessen Öffnung zwei Jahre zuvor der amerikanische Präsident Reagan lauthals gefordert hatte. Vielmehr ging es den Bleifüßlern um die Bastion Westberliner Fahrtwindrausches: die AVUS. Auf diesem sechseinhalb Kilometer langen Abschnitt der Berliner Autobahn sollte nach dem Willen des rot-grünen Senats aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Lärmschutzes ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern eingeführt werden. Eine Zumutung, fanden viele. Denn die AVUS war ein Symbol des Autosports und ein Spiegel deutscher Geschichte.

Es begann in der Kaiserzeit: 1909 formierte sich die "Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße GmbH", aus deren Anfangsbuchstaben sich der Name "AVUS" ableitet. Durch den Grunewald sollte eine schnurgerade Straße mit Endkurven gezogen werden, um der Automobilindustrie ein Testterrain zu schaffen. Der Weltkrieg verzögerte den Bau. 1921 wurde die Strecke mit Hilfe des Industriellen Hugo Stinnes fertiggestellt und bei einem Volksfest übergeben.

Für die feierlaunigen Berliner blieb die AVUS ein Magnet, denn von Beginn an wurden hier Rennen ausgetragen. Fahrer wie Fritz von Opel, Manfred von Brauchitsch und Rudolf Caracciola feierten Triumphe. Die Autohersteller Opel, Alfa Romeo, Bugatti, Auto Union und Mercedes Benz demonstrierten ihre Pferdestärken, und die AVUS wurde ein Mythos. Das schätzten auch die Nationalsozialisten. Weniger goutierten sie die Siege ausländischer Fahrer. Doch der Rekord von vierhundert Stundenkilometern, den Hermann Lang 1937 mit dem berühmten Mercedes Silberpfeil aufstellte, wetzte die nationale Scharte aus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verkam die AVUS kurzzeitig. Pferdefuhrwerke rumpelten darüber, amerikanische Soldaten nutzten die Südkurve als Schießplatz. Wo es früher nach Benzin gerochen hatte, stank es nach Pferdeäpfeln und Munition. Das Wirtschaftswunder brachte die Autorennen zurück. Bis zu 350.000 Zuschauer strömten aus dem grauen Alltag hierher, und die AVUS stand auch für die deutsch-deutsche Einheit: Bis zum Mauerbau kamen zahlreiche Autobegeisterte aus der DDR, die mit ihren Ostmark dennoch Zuschauerkarten lösen konnten.

Auch im Alltag war die AVUS Rennstrecke - für Westberliner, die in ihrem Inseldasein ihren Wagen richtig ausfahren wollten. Und sie war Symbol für die Freiheit: Hinaus ging es über den Grenzübergang Dreilinden und die Transitstrecke Richtung Westdeutschland, und, zurückgekehrt nach Westberlin, wurde man nach der Zuckelfahrt über DDR-Pisten von tempotauglichem Asphalt begrüßt.

Kein Wunder also, dass sich der Protest gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung so breit formierte. Man sprach großmundig von "sozialistischer Gleichmacherei" und einem "Folterwerkzeug aus der Horrorkiste".

Doch für den ADAC war das Event ein Pyrrhussieg. Denn die Zeichen der Zeit standen auf Ökologie. Über tausend Mitglieder kündigten aus Protest gegen die Ideologie der "freien Fahrt für freie Bürger". Mediengrößen wie Günter Graß und Klaus Staeck riefen zum Boykott des Clubs auf. Das Tempolimit auf der AVUS blieb. Fünf Monate später fiel die Berliner Mauer, und man konnte Freiheit anders "erfahren", jedenfalls von ostdeutscher Seite. Die Straßen Westberlins waren plötzlich wieder verstopft - von stinkenden Trabbis. Sie knatterten weniger auf der AVUS als über den Ku’damm. An Raserei war weniger denn je zu denken.


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