7. März 1933 Letzte Ausgabe "Weltbühne" erscheint
Diese Zeitschrift nimmt kein Blatt vor den Mund und wird dafür von ihren Fans gefeiert. Jeden Dienstag rechnet die "Weltbühne" mit der aktuellen Politik ab, deckt auf, prangert an. Bis die neuen Machthaber der NSDAP die Druckerpressen anhalten und die "Weltbühne" verbieten. Autor: Simon Demmelhuber
07. März
Freitag, 07. März 2025
Autor(in): Simon Demmelhuber
Sprecher(in): Berenike Beschle
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Ziegelrot kommt sie daher, die kleine, aufsässige, angriffslustig kluge Wochenschrift der Jahre zwischen Kaiserreich und Nazidiktatur. Ziegelrot steckt sie jeden Dienstag in den Briefkästen ihrer paar Tausend Abonnenten: 40 Seiten im Schulheftformat, kaum Werbung, keine Bilder, nur Texte: Reportagen, Kommentare, Analysen, Gedichte, Glossen, Satiren, verfasst von Kurt Tucholsky, Walter Mehring, Erich Kästner, Carl von Ossietzky und vielen mehr, deren Namen heute noch leuchten.
Jeden Dienstag ist Weltbühnentag. Jeden Dienstag ist Kehraus und Levitenlesen, jeden Dienstag wird abgerechnet mit den Missständen, Fehlwüchsen und Lumpereien der aus dem Krieg in eine ungeliebte Demokratie gestolperten Weimarer Republik.
Klartext schreiben
Wer für die "Weltbühne schreibt", stellt sich. Bekennt Farbe für ein liberales, radikal pazifistisches, parlamentarisches Deutschland. Für ein Deutschland, das dem Nationalismus, dem Militarismus, dem Großtun der wilhelminischen Ära abschwört; für ein Deutschland, das Aussöhnung und Freundschaft mit seinen Nachbarn sucht.
Woche für Woche prangert das Blatt an, was diese Vision zu verdunkeln droht. Die Weltbühne deckt akribisch recherchierte Mauscheleien zwischen Hochfinanz, Industrie und Staatsorganen auf, berichtet über Willkürjustiz und Fememorde, geißelt das Erstarken antidemokratischer Kräfte, warnt früh, hellsichtig und unermüdlich vor dem Aufstieg der NSDAP.
Aufdecken und anprangern
Gegen alle, die wie Hitler rassistisch blöken und geistig schon wieder Kampfstiefel tragen, führt die Zeitschrift zwei schneidend scharfe Waffen ins Feld: Aufklärung und entlarvendes Gelächter. Der Spott, mit dem sie den Phrasen und Posen die heiße Luft ablässt, blickt oft tiefer und schmerzt mehr als jedes Argument. Die Bloßgestellten heulen auf, fordern Vergeltung: "Macht die Giftküche dicht! Sperrt die Hetzbude zu. Schlagt die Volksverräter, wo ihr sie trefft! "
Aber noch schützt die Verfassung von Weimar das offene Wort und die Freiheit der Presse. Dann wird Hitler Reichskanzler. Dann brennt der Reichstag. Dann erlässt Paul von Hindenburg Anfang 1933 eine "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat". Jetzt ist Zugriff möglich! Jetzt kann die Polizei gefährliche Blätter einstellen, nach eigenem Ermessen, ganz einfach per Verwaltungsakt.
Erstaunlicherweise bleibt die "Weltbühne" zunächst unbehelligt. Am Dienstag, dem 7. März 1933, erscheint das 10. Heft des 29. Jahrgangs wie gewohnt. Dass es die letzte Ausgabe ist, ahnt niemand. Erst fast eine Woche später wird das Blatt verboten. Da ist die nächste Nummer schon fertig zum Versand, muss aber in der Druckerei eingestampft und vernichtet werden.
Ein Erzfeind der NSDAP ist erledigt, ein Gegner ausgeschaltet, ein Menetekel mundtot gemacht. Völlig legal, mit Ansage und Vorsatz. So, wie es Joseph Goebbels 1928 dreist ankündigt:
"Wir gehen in den Reichstag, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Abgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen."
Aus der Geschichte lernen – vielleicht wäre das gar keine so schlechte Idee!