4. Juni 1929 Goldmacher Franz Tausend verhaftet
Franz Tausend, das Genie aus Obermenzing bei München, wickelte alle um den Finger. Den frühen Nationalsozialisten versprach er sogar, Gold zu machen. Am 4. Juni 1929 wurde er verhaftet.
04. Juni
Montag, 04. Juni 2012
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Luise Kinseher
Redaktion: Thomas Morawetz
Die moderne Chemie - alles Humbug. Metalle zum Beispiel: Sie sind in Wahrheit Lebewesen. Man braucht sie nur sorgsam zu hegen und zu pflegen, dann gedeihen sie wie von selbst. Viel schneller als im Erdinneren. Wer diese Kunst beherrscht, kann natürlich auch spielend Gold herstellen. Was die Alchemisten im Mittelalter nicht hinbekommen haben, das wird im Jahr 1922 Wirklichkeit. Kein Geringerer als Franz Seraph Tausend aus Obermenzing bei München hat den Stein der Weisen gefunden. All das verkündet der 38-Jährige in einer Broschüre, die er selbst verlegt.
Schlaues Bürschchen
Schon als Kind ist Franz Tausend ein schlaues Bürschchen. Hat ständig neue Ideen und kann andere mit seinem Charme um den Finger wickeln. Nur eine Ausbildung bringt der unstete Geist nicht zu Ende. Aber was soll’s - erfindet er doch ein Perpetuum mobile und löst auch gleich noch die Quadratur des Kreises. Einfach genial. Was Gelehrten seit Tausenden von Jahren Kopfzerbrechen bereitet - Franz Tausend löst es in ein paar Wochen. Mit Kleinigkeiten wie wissenschaftlichen Belegen für seine Behauptungen hält er sich nicht auf. Beantragt lieber den Chemie-Nobelpreis für seine Methode, Gold aus Blei herzustellen. Die Schwedische Akademie entscheidet sich im Jahr 1923 trotzdem für einen biederen Universitätsprofessor aus Graz.
Doch da stößt der Tausendsassa auf eine Zeitungsannonce, die ihm deutlich mehr Geld einbringen wird als die höchste wissenschaftliche Ehrung. Ein gewisser Rudolf Rienhardt möchte sich "an streng seriösem Großunternehmen" finanziell beteiligen, "chemische Industrie bevorzugt". Besser könnte er meinen zum Labor umgebauten Stall nicht beschreiben, findet Franz Tausend - und überzeugt Rienhardt. Was der verhinderte Nobelpreisträger erst später erfährt: Der Investor ist Nationalsozialist, im Bunde mit dem General Erich Ludendorff. Der hat sich mit dem Druck des "Völkischen Kuriers" hoch verschuldet und sucht dringend eine Geldquelle. Da kommt Tausends Gold gerade recht.
Goldesel für die Nazis
Das Trio versammelt eine Schar illustrer Geldgeber, um die Goldmacherei anzukurbeln. Allein der Industrielle Alfred Mannesmann investiert 600.000 Mark in eine eigens gegründete Gesellschaft. Insgesamt kommen mehrere Millionen zusammen. Drei Viertel gehen an Ludendorff, der sie nach eigenem Gutdünken für "vaterländische Zwecke" einsetzen darf. Schon bevor die Produktion beginnt, ist Tausend also zum Goldesel für die Nazis geworden. Für ihn selbst sind zwar nur fünf Prozent vom Gewinn vorgesehen. Trotzdem genug, um auf großem Fuß zu leben. Häufig auf dem eigenen Schloss in Südtirol.
Mit welchen Tricks es Franz Tausend geschafft hat, die Zuschauer bei seinen Vorführungen von der Goldmacherei zu überzeugen, ist bis heute nicht klar. Auch nicht, ob Ludendorff den Schwindel irgendwann durchschaut hat - jedenfalls zieht sich der General nach zwei Jahren steinreich aus dem Unternehmen zurück. Auch andere Nazi-Geldgeber werden skeptisch, als immer noch keine nennenswerten Goldmengen hergestellt werden. Der Wendepunkt ist ein Autounfall in Italien: Franz Tausend begeht Fahrerflucht, wird verhaftet und am 4. Juni 1929 nach München ausgeliefert. Dort wartet schon ein Betrugsprozess auf ihn. Als der charmante Hochstapler aus dem Gefängnis kommt, sind die Nazis an der Macht. Und dass manch einer seinen Reichtum einem angeblichen Goldmacher verdankt, ist längst vergessen. Franz Tausend schlägt sich weiter mit zwielichtigen Geschäften durch und stirbt 1942 im Gefängnis.