4. August 1904 Alexandra David heiratet Philippe Néel
Was können eine Frau und ein Mann tun, die so gar nicht zueinander passen wollen? Heiraten! So wie Alexandra David, Opernsängerin, Esoterikerin und Weltreisende und Philippe Néel, Ingenieur und Lebemann. Autor: Xaver Frühbeis
04. August
Donnerstag, 04. August 2016
Autor(in): Xaver Frühbeis
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Das Leben ist schon sonderbar. Manchmal begegnen sich Menschen, die nicht im Geringsten zueinander passen. Und die heiraten dann. Nummer eins: Alexandra David. Ausgebildete Opernsängerin, weitgereist durch die Provinzen der musikalischen Welt, nebenher Journalistin und Fachfrau für Esoterik, Soziologie und die Philosophien des Fernen Ostens. Nummer zwei: Philippe Néel. Auch er Franzose, Chefingenieur im Eisenbahnbau, momentan verantwortlich für den Bau einer Bahnlinie von Tunesien nach Algerien. Ein Lebemann, groß, gutaussehend und mit einem Schnurrbärtchen. Außerdem hat er im Hafen von Tunis eine Yacht. Das zieht, auch bei Mademoiselle David, die in solchen Dingen wenig Erfahrung hat. Und so finden wir in ihrem Tagebuch im September 1901 die Eintragung: "Hirondelle, prima volta". "Hirondelle", auf deutsch "Die Schwalbe", so heißt die Yacht, und "prima volta" ist "das erste Mal". Mademoiselle war 33.
Ein Gedicht für alle
Es gab noch viele weitere Male, es gab viele Liebesschwüre, und weil Alexandra David gern auf Reisen ging, gab es auch viele andere Frauen auf der Yacht. Deren Briefe entdeckt sie eines Tags, schön ordentlich gesammelt, versteckt in einer Schrankschublade auf der "Hirondelle", und da sind nicht nur die Briefe der neuesten Damen, sondern auch die ihrer Vorgängerinnen, zusammen mit seinen Antworten. Er hat ihnen allen exakt dieselben Liebesgedichte geschrieben. Alexandra ist entsetzt, Philippe weiß zu seiner Entschuldigung nichts zu sagen, und ein halbes Jahr später - heiraten die beiden. Am 4. August 1904, auf dem französischen Konsulat in Tunis.
Wieso sie das tun? Ein Rätsel. Sie wissen es selbst nicht. Vielleicht fasziniert ihn ihr Intellekt, vielleicht fasziniert sie seine Genusswelt. Auf jeden Fall gehen sie gleich nach den Flitterwochen ihrer eigenen Wege. Philippe hat wieder in Afrika zu tun, Alexandra muss nach Paris, Vorträge halten, und danach - nach Indien. Eine Forschungsreise, die immer wieder ausgedehnt und verlängert wird, Asien ist einfach zu faszinierend. Die beiden werden sich kaum je wieder sehen. Ihre Ehe jedoch, die hält an.
Sie dauert 38 Jahre und besteht aus über 3.000 Briefen Alexandra an Philippe und aus Geldsendungen Philippe an Alexandra.
Wenn du mir bis Oktober kein Geld schickst, schreibt sie, gehe ich ins Gebirge und schieße mir eine Kugel in den Kopf. Philippe schickt immer rechtzeitig.
Weltreisende
Alexandra David Néel wird über hundert Jahre alt und eine weltberühmte Reisende. Sie durchwandert als bettelnde Pilgerin den Himalaya, sie lebt jahrelang alleine in einer Steinhütte auf 4.000 Metern Höhe, sie ist die erste Europäerin in der verbotenen Stadt Lhasa. Über ihre Reisen schreibt sie vielgelesene Bücher. Und Zuhause - Philippe bewahrt all ihre Briefe auf und schickt ihr Geld, und als er im Jahr 1941 stirbt, erfährt sie in China davon und weint. Er war ein guter Mann gewesen. Sie hatten nichts gemeinsam gehabt, außer einander.