Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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6. Juli 1415 Jan Hus als Ketzer verbrannt

Die Kirche ist auf dem Tiefpunkt, als in Rom und Avignon zwei Päpste gleichzeitig herrschen wollen. Da verdammt Jan Hus den Klerus für seine Herrsch- und Geldsucht. Auf dem Konzil von Konstanz wird er am 6. Juli 1415 verbrannt.

Stand: 06.07.2011 | Archiv

06.07.1415: Jan Hus als Ketzer verbrannt

06 Juli

Mittwoch, 06. Juli 2011

Autor(in): Kirsten Zesewitz

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

"Verbrennt den Ketzer! Verbrennt ihn!" Hysterisches Gelächter erfüllt den Saal, in wildem Tumult wogen die roten Gewänder der Kardinäle durcheinander - und immer wieder der kreischende Ruf: "Verbrennt ihn!" Es ist ein makabres Schauspiel, das in diesen Julitagen des Jahres 1415 zu Konstanz gegeben wird. Eine Demonstration kirchlicher Gewalt und Menschenverachtung, wie sie nur zu jener Zeit möglich war, als die selbsternannten Stellvertreter Christi ihren Machtanspruch mittels brennender Holzhaufen durchzusetzen vermochten.

Wir sind bereits im zweiten Akt des beschämenden Dramas. Auftritt: Jan Hus, Priester und vormaliger Rektor der Universität Prag. Hatte er tatsächlich geglaubt, seine kirchenkritischen Thesen mit den Handlangern eines wankenden, um seine Macht fürchtenden Papsttums diskutieren zu können? Zwei - gleichermaßen korrupte und dekadente - Päpste zanken seit Jahren um den Stuhl Petri, der eine in Rom, der andere in Avignon. Darum hatte es eigentlich gehen sollen auf dem Konzil. Aber die Sache Hus ist für die Kurie eine willkommene Gelegenheit, von eigenen Missständen abzulenken, ein Exempel zu statuieren für all jene, die sich anmaßen, die Institution des Papsttums in Frage zu stellen. Denn genau das hatte Hus getan.

Rückblende - in den ersten Akt des Dramas. Schauplatz: die Bethlehemskirche zu Prag. Jan Hus ist ein beliebter Prediger, der Mann aus dem Dorf Husinec nimmt kein Blatt vor den Mund: Mit drastischen Worten prangert er den lasterhaften Lebenswandel des Klerus an: "O ihr Bösewichter, die ihr da glaubt, man könne mit Gott wie mit einer Schankwirtin umgehen, bei der man auf Rechnung säuft und die man bezahlt, um aufs neue zu saufen."

Hus ist empört über den Pomp des päpstlichen Hofstaats und die Pracht der Kardinalspaläste. Der kirchliche Ablasshandel, der als florierender Geschäftszweig die Kassen der Kurie füllt, ist ihm ein Gräuel. "O Eitelkeit der Eitelkeiten! Die Kirche glänzt an ihren Wänden und lässt die Armen darben, ihre Steine bedeckt sie mit Gold, ihre Kinder lässt sie nackt und bloß."

Welch ungeheuerliche Anmaßung! Jan Hus wagt es, den Klerus anzugreifen - und das nicht etwa hinter dicken Klostermauern - sondern für jedermann hör- und verstehbar, in einer Volkskirche und auf Tschechisch. "So ist denn kein Mensch gehalten, den päpstlichen Bullen zu glauben, es sei denn, dass sie mit der Schrift übereinstimmen und den sicheren Grund in ihr haben, (...) weil der Papst und seine Kurie aus Macht und Gewinnsucht täuschen können."

Das ist Häresie. Hus‘ Predigten werden zu einer ernsten Gefahr für den Klerus - die Räder der Inquisition geraten in Bewegung. Jan Hus wird nach Konstanz geladen. Hier beginnt des Dramas letzter Akt, mit dem Ziel, den Ketzer zu vernichten. Hus soll widerrufen. Als er sich weigert, folgen monatelange Verhöre und Folter. Für seine Richter steht das Urteil längst fest: Hus muss sterben. Und das möglichst öffentlich.

Schauplatz der gruseligen Zeremonie: der Dom zu Konstanz. Mit einem leeren Abendmahlskelch in Händen wird Jan Hus zum Altar geführt, seiner Kleider entledigt und geschoren. "Erzketzer" steht auf der mit Teufeln bemalten Papiermütze, die ihm der Bischof persönlich auf den Kopf setzt. Nach einem demütigenden Zug durch die Stadt wird Hus an ein Brett gefesselt, mit Pech übergossen und verbrannt.

An diesem 6. Juli 1415 offenbart die Kirche des späten Mittelalters ihre wohl hässlichste Fratze. Die beschämende Inszenierung klerikaler Macht kann aber nicht verhindern, dass sich Hus’ Thesen von nun an in ganz Europa ausbreiten.


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