Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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07. November 1968 Zwölf Monate Gefängnis für Beate Klarsfeld

Sie wollte auf die NSDAP-Vergangenheit von Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger aufmerksam machen, so verpasste Beate Klarsfeld ihm öffentlich eine Ohrfeige. Am 7. November 1968 wurde sie zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.

Stand: 07.11.2011 | Archiv

07.11.1968: Zwölf Monate Gefängnis für Beate Klarsfeld

07 November

Montag, 07. November 2011

Autor(in): Gabriele Bondy

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Die Bezeichnung „Nazi-Jägerin“ lehnt sie ab. Dieser Begriff, so Beate Klarsfeld in einem Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk, sei ja in einer Zeit geprägt worden, als man davon ausging, dass Nazi-Verbrecher weit entfernt unter dem Schutz ausländischer Diktatoren lebten. Tatsache aber war, dass sie auch völlig unbehelligt mitten in Deutschland wohnten, so wie der ehemalige Gestapo-Chef Kurt Lischka, der in Paris für die Deportation von 76.000 Menschen verantwortlich war. Der fühlte sich in Köln so sicher, dass er an seiner Haustür sogar ein Namensschild mit seinem richtigen Namen angebracht hatte. Dass Lischka, Klaus Barbie, der „Schlächter von Lyon“ und andere berüchtigte Nazigrößen dann doch noch gefasst und hinter Gitter gebracht werden konnten, ist Beate Klarsfeld zu verdanken.

Doch was war der Anstoß für ihr riskantes Engagement? Als die junge Berlinerin Anfang der 1960er-Jahre als Au pair-Mädchen nach Paris kam, traf und heiratete sie dort den Mann, der seine Eltern in Auschwitz verloren hatte und der sie über die gravierenden Folgen des Holocausts aufklärte. Ein Thema, über das damals in Deutschland kaum geredet wurde. Für Beate und Serge Klarsfeld wurde es zum Lebensinhalt. Nachdem Kurt Georg Kiesinger 1966 zum dritten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt worden war, veröffentlichte die Deutsch-Französin zahlreiche Artikel über die bislang unbekannte Nazi-Vergangenheit des Regierungschefs. Da die Dokumente, die sie an deutsche Behörden gesandt hatte, ihrer Meinung nach im Papierkorb gelandet waren, beschloss das Ehepaar Klarsfeld eine spektakulärer Aktion.

Am 7. November 1968 gelang es Beate Klarsfeld, mit einer Pressekarte am Bundesparteitag der CDU in der Berliner Kongresshalle teilzunehmen und unbemerkt von den Sicherheitskräften auf die Bühne zu gelangen, auf der Kiesinger gerade eine Rede hielt. Sie beschimpfte den Kanzler als Nazi und verpasste ihm eine Ohrfeige. Der Tumult lässt sich vorstellen. Noch am gleichen Tage wurde ein Schnellverfahren eingeleitet, in dem sie zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Diese Strafe wurde allerdings später auf vier Monate reduziert und zur Bewährung ausgesetzt.

Mit ihrer Ohrfeige für Kiesinger erlangte die Klarsfeld im wahrsten Sinne des Wortes „auf einen Schlag“ Berühmtheit. Günter Grass meldete sich in der FAZ zu Wort, Heinrich Böll sandte rote Rosen. Und der Philosoph Karl Jaspers und seine Ehefrau gaben aus Protest gegen den politisch und menschlich untragbaren Bundeskanzler ihre deutschen Pässe ab und zogen in die Schweiz.

Ihre Aktionen, so Beate Klarsfeld, seien nie als „Rachefeldzüge“ geplant gewesen, sondern sollten das Bestreben nach Gerechtigkeit und dem Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus dienen. Natürlich brachte sich Beate Klarsfeld mit ihren mutigen Unternehmungen oft selbst in Gefahr. Schließlich agierte sie auch in Ländern, wo Diktaturen herrschten und Folter, Haft und sogar die Todesstrafe drohten. Aber auch in Paris lauerte die Gefahr für die ganze Familie. Es gab Morddrohungen, das Auto explodierte und wie durch ein Wunder kam niemand durch die Paketbombe, die ihnen ins Haus geschickt worden war, ums Leben.

Begonnen hatte alles mit einer Ohrfeige. Eine Ohrfeige ist ein Akt, der als Körperverletzung und mindestens als Beleidigung juristisch geahndet werden kann. In früheren Zeiten galt sie aber auch als Gedächtnisstütze, um die Erinnerung an ein gravierendes Ereignis wach zu halten. Inwieweit sie diese Bedeutung auch für Kurt Georg Kiesinger besaß, bleibt dahingestellt. Der hatte nämlich seine öffentliche Bloßstellung zunächst als Bagatelle betrachte und erst auf Anraten seiner Entourage Strafanzeige gestellt.


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