10. August 1897 Felix Hoffmann stellt Aspirin her
Als Naturheilmittel war die Salicylsäure schon lange bekannt. Nur leider war sie schlecht verträglich. Dann hatte Felix Hoffmann die entscheidende Idee. Autorin: Christiane Neukirch
10. August
Mittwoch, 10. August 2016
Autor(in): Christiane Neukirch
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
So viel war klar: Der Grizzly hatte Zahnweh. Das heißt: Er hatte es hinter sich, denn er war tot. Die Entzündung konnten die Jäger aber noch sehen. Und sie sahen noch etwas: Auf dem Zahn waren mehrere Schichten Weidenrinde - die eindeutig nicht auf Grizzlys sonstigem Speiseplan steht. Fazit: Der Bär hatte damit seine Zahnprobleme behandelt. Denn in der Weidenrinde steckt ein schmerzlindernder Wirkstoff, der Vorläufer von Aspirin.
Weidenrinde - gesunde Wirkung mit Brechreiz
Nicht nur Meister Petz wusste um dessen Wirkung. Schon um 2000 vor Christus stand die Weidenrinde im Arzneimittelverzeichnis der Sumerer; wenig später auch in medizinischen Texten der alten Ägypter. Sie hatten bereits erkannt, dass der Wirkstoff, die Salicylsäure, vielfältig verwendbar ist. Nicht nur gegen Schmerzen, sondern auch gegen Fieber und Entzündungen. Es gab nur ein Problem: Der Stoff war schwer verträglich. Er schmeckte so widerlich, dass man ihn kaum herunterbrachte, erzeugte Brechreiz und griff die Magenschleimhaut an.
So auch beim Vater eines jungen Chemikers, der Ende des 19. Jahrhunderts bei der Firma Bayer arbeitete. Der Vater nahm das Mittel gegen Rheumaschmerzen, litt aber unter den schweren Nebenwirkungen. Der Sohn - so will es die Legende - suchte nach Abhilfe: Wie wäre es, wenn man die Salicylsäure durch Zusätze so veredeln könnte, dass sich die Nebenwirkungen auf ein verträgliches Maß reduzieren?
Felix Hoffmann , so der Name des Sohns, war Mitglied einer besonderen Abteilung, die die Firma Bayer gerade frisch aufgebaut hatte: eine Gruppe Chemiker, die an der Entwicklung neuer Medikamente forschen sollte. Hoffmann saß also an der Quelle. Am 10. August 1897 mischte er der Salicylsäure Essigsäure bei - und hatte so Acetylsalicylsäure gewonnen. Was für ein Erfolgsrezept er da gefunden hatte, ahnte er noch nicht.
Heroin - noch besseres Wundermittel?
Ja, selbst die nahe Zukunft seiner Entdeckung war noch keineswegs gesichert: Aspirin, wie Bayer das Mittel später nannte, wäre beinahe wieder in der Versenkung verschwunden, noch ehe es das Firmengelände verlassen hatte. Der Leiter des Projekts, Arthur Eichengrün, schickte das Produkt an die Pharmakologische Abteilung, um es dort testen zu lassen. Das Ergebnis fiel ungemein positiv aus; doch der Chef der Pharmakologie sprach sich gegen eine klinische Studie aus, die nun hätte folgen müssen. Salicylsäure stand im Verdacht, Herzschwäche hervorzurufen; und das Risiko für die Probanden war ihm zu groß. Außerdem erreichte nur wenige Tage später die nächste Neukreation von Felix Hoffmann sein Labor: ein Medikament, das noch viel mehr versprach, ein Wundermittel gegen alle Malaisen dieser Welt - und, wie die Experten befanden, völlig risikofrei. Sie tauften den Heldentrank daher auf den Namen Heroin und verkauften es in aller Herren Länder.
Zum Glück für alle Beteiligten gab Projektleiter Eichengrün indes nicht auf, der Acetylsalicylsäure zum Durchbruch zu verhelfen. Er wandte sich an weitere Stellen, und schließlich gelang es ihm, eine klinische Studie durchzusetzen. Und so begann kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert die Produktion eines der erfolgreichsten Medikamente der Geschichte.
Die schlechte Nachricht für Bären: Bei Tieren ruft Aspirin teilweise schwere Nebenwirkungen hervor - also sei ihnen von der Einnahme eher abgeraten.