Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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10. November 1619 Descartes träumt seinen philosophischen Durchbruch

Manchem sind Träume Schäume, andere machen sich mannigfach Gedanken, was eine mögliche Traumdeutung anbelangt. René Descartes zum Beispiel. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 10.11.2015 | Archiv

10.11.1619: Descartes träumt seinen philosophischen Durchbruch

10 November

Dienstag, 10. November 2105

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Träume kommen einem ja manchmal so real vor, dass man nach dem Aufwachen ein paar Sekunden braucht, um sich im wahren Leben wiederzufinden. Das hat auch dem Philosophen René Descartes zu schaffen gemacht. Wie kann man wissen, was wirklich ist, wenn die Sinne so täuschen? Die einzigen Gewissheiten fand Descartes in der Mathematik, und deshalb schätzte er auch Träume keineswegs gering. Ausdehnung, Gestalt, Quantität, Größe, Anzahl, Ort, mathematisch-geometrische Prinzipien also, das nimmt man alles auch in Träumen wahr, so bizarr die geträumten Dinge auch wirken mögen.

Traum-Rechner

Descartes war ein lebhafter Träumer, wie das bei mathematischen Geistern oft der Fall ist. Die wichtigsten Träume seines Lebens, gleich drei in einer Nacht, träumte er vom 10. auf den 11. November 1619. Da war er 23 Jahre alt und als Soldat im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges bei Ulm stationiert. Er bewohnte ein kuschelig warmes Kaminzimmer und hatte Zeit zum Nachdenken, denn militärisch war gerade nichts los. Ulm, damals ein bedeutendes Zentrum mathematischer Studien, bot interessante Begegnungsmöglichkeiten und zündende neue Einsichten. Denken war im 17. Jahrhundert ein riskantes Abenteuer, denn der Siegeszug der Naturwissenschaften begann und stellte das überlieferte Weltbild in Frage.

Komplexe Traumgeometrie

Der junge Descartes war also ziemlich in Aufruhr und träumte komplizierte Träume; greifen wir die wichtigsten Motive heraus: Er sieht sich schwankend durch die Straßen laufen, ohne rechte Kontrolle über seinen Körper, ein Unbekannter schenkt ihm eine Melone. Im zweiten Traum weckt ihn ein Donnerschlag, und das Zimmer ist voller Feuerfunken. Im dritten Traum nimmt er ein Wörterbuch und eine Gedichtsammlung zur Hand und sucht nach einem Gedicht mit dem Titel: "Welchem Lebensweg soll ich folgen? "

Als Descartes erwachte, wusste er das plötzlich. Philosoph wollte er werden, einen geistigen Umbruch herbeiführen, das Wissen auf mathematisch überprüfbare Grundlagen zurückführen, mit dichterischer Leidenschaft und Phantasie. Bücher und Donnerschlag sind in diesem Zusammenhang einleuchtend, aber die Melone? Descartes sah in ihr den Zauber der Einsamkeit verkörpert, die man zum Denken braucht. Ganze Heerscharen von Gelehrten haben die Mythologien sämtlicher Völker nach einem Zusammenhang zwischen Melone und Einsamkeit durchforstet und nichts gefunden. Egal: Für Descartes war die Deutung stimmig, er sah sich nachhaltig beflügelt, die Träume markieren seinen philosophischen Durchbruch.

Und der führte zu dem berühmten "Cogito ergo sum", ich denke, also bin ich. In Descartes‘ Philosophie entdeckt das menschliche Denken seine Macht und wird zum Mittelpunkt des Universums. Dieses Denken, das sich nun auf das Messbare und Überprüfbare richtet, öffnet die Tür zum technischen Zeitalter: mit all seinen Segnungen, aber auch mit Risiken, von denen Descartes nichts ahnte, noch nicht einmal im Traum.


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