Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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10. Dezember 1930 Verbot für Bunuels "Das goldene Zeitalter"

Selten hatte ein Kinofilm eine solch explosive Wirkung! Luis Bunuel, ein junger Spanier in Paris, zeigt im Herbst 1930 im avantgardistischen "Studio 28" ein rätselhaftes, provozierendes Werk: "Das goldene Zeitalter". Am 10. Dezember 1930 wird der Film verboten.

Stand: 10.12.2010 | Archiv

10. Dezember 1930: Verbot für Bunuels "Das goldene Zeitalter"

10 Dezember

Freitag, 10. Dezember 2010

Autor(in): Joseph Berlinger

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Der Film schlägt ein wie eine Bombe. "Das goldene Zeitalter" von Luis Bunuel ist ein Skandal. Seit der Uraufführung im Herbst 1930 im Pariser "Studio 28" lässt der Streifen irritierte Zuschauer zurück. Die Vorstellungen verlaufen dennoch ruhig. Bis Anfang Dezember. Da tauchen Jugendgruppen nationalistischer und antisemitischer Organisationen auf. Sie übergießen die Leinwand mit Tinte, demolieren Stühle und zerschneiden mit Rasiermessern die an der Wand hängenden Bilder von Picasso, Dalí, Miró, Man Ray und Tanguy.

Auch diese Surrealisten wollen randalieren - aber durch Kunst. Sie wollen zeigen, was das Bürgertum verdrängt: Unbewusstes, Unterbewusstes, Visionäres, Wahnhaftes. Träume von wüster Sexualität und Tod. Bunuels Film "Das goldene Zeitalter" ist eine Abrechnung mit den bürgerlichen Werten und Institutionen. Ein Liebespaar streift die Fesseln ab, wirft die Konventionen über Bord und folgt nur seiner Begierde. Inmitten einer feinen Gesellschaft wälzt das Paar sich am Boden. Einzige Hoffnung in dieser Welt ist die Triebkraft der Liebe. Die Ordnungsmacht Katholische Kirche, die den spanischen Jesuitenschüler Luis Bunuel terrorisiert hat, erhält in dem Film die späte Quittung. Vier lebendige Bischöfe verwandeln sich in Skelette. Und eine Jesusgestalt verlässt eine ausschweifende Orgie als Mörder.

Die Provokation gelingt. In verstörenden Bilderfolgen demontiert der Regisseur die lineare, logische Erzählform und herkömmliche Ästhetik.

Schon mit seinem ersten surrealistischen Film "Ein andalusischer Hund" hat Bunuel das Sehen revolutioniert. Und, zusammen mit Co-Autor Salvador Dalí, die spektakulärste Szene der frühen Filmgeschichte geschaffen: Ein Mann zerschneidet mit einem Rasiermesser das Auge einer Frau. "Augen"fälliger kann man sie nicht demonstrieren, die Botschaft der Surrealisten, die da lautet: Ein neues Zeitalter muss kommen, das Zeitalter neuer Perspektiven! Nicht nach außen ist zu schauen, sondern nach innen!                                                                                                                                

"Das goldene Zeitalter" wird in der rechten Presse vernichtet. "Das Vaterland", schreibt der "Figaro", "die Familie, die Religion werden durch den Dreck gezogen ... Bolschewismus, ... der darauf abzielt, uns zu verderben." Am 10. Dezember 1930 wird der Film verboten. Im Programmheft haben die Surrealisten, Breton, Aragon, Dalí, Eluard, Tzara ein Manifest veröffentlicht: "Das goldene Zeitalter" sei eine Ergänzung zu den alarmierenden Börsennachrichten. In einer Welt der Bankenkräche und der wachsenden Arbeitslosigkeit drohe die Kriegsgefahr. Eine solche Welt, sagen die Surrealisten, muss verändert werden!

Was sich verändert, sind die Surrealisten. Sie werden zu Sektierern und verraten durch kleinliche Streitereien ihre eigenen Ideale. Sie verhalten sich wie die von ihnen verachteten Bürger.

Das Aufführungsverbot von Bunuels Film in Frankreich wird erst 1981 aufgehoben.


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