15. Mai 1883 Erster Deutscher Wandertag in Fulda
Alljährlich gibt es das Treffen der Wanderfreunde aus ganz Deutschland. Kulturelles Begleitprogramm inklusive. Seit 1883. Autor: Thomas Grasberger
15. Mai
Montag, 15. Mai 2017
Autor(in): Thomas Grasberger
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Unlängst musste ein bayerischer Journalist auf schmerzhafte Weise erfahren, dass er nicht nur zwei linke Hände, sondern zu allem Überdruss auch zwei linke Beine hat. Er schnitt sich nämlich - Obacht, Zartbesaitete, jetzt bitte weghören! - er schnitt sich bei der Gartenarbeit die linke Achillessehne durch. "Tölpel", könnte man jetzt sagen. Nicht ganz zu Unrecht. Oder "Pechvogel!" Aber das wäre unfair, dem Schicksal gegenüber. Denn der Journalist hatte wahrlich Glück im Unglück, weil der operierende Chirurg - wie sagt man so schön! - ein Händchen hatte für sein Geschäft. Was auch kein Wunder war, denn der Medizinmann war gelernter Hand-Chirurg. "Fuß" könne er zur Not aber schon auch, versicherte er glaubhaft, wenige Minuten vor der OP!
Geh-Kunst
Und siehe da, der Arzt war kein Aufschneider, zumindest nicht im landläufigen Sinne. Die OP verlief zwar nicht unblutig, aber weitgehend reibungslos. Insgeheim hoffte unser bayerischer Journalist sogar, die filigrane Fingerfertigkeit des Handchirurgen könnte - quasi magisch - auf ihn überspringen. Etwa in der Kunst des Klavierspiels oder des Aktzeichnens. Beides war ihm bislang nicht in die Wiege gelegt. Und so sollte es leider auch bleiben. Klavier und Zeichnen kann er bis heute nicht, weder mit den Händen noch mit den Füßen. Was freilich nicht die Schuld des Handchirurgen war. Der gab sein Bestes. Und das Ergebnis konnte sich sehen lassen, denn der Journalist kann heute wieder einwandfrei laufen. Ja, man darf sogar sagen, er hat es zu etwas gebracht – in der Kunst des Gehens!
Wer jetzt Zweifel hegt an der Aussage, Gehen sei eine Kunst, der möge sich nur einmal junge Menschen in der Fußgängerzone anschauen. Oder ältere Nordic Walker im Englischen Garten. Zahlreich sind die Hinweise darauf, dass Gehen in Wahrheit ein verhindertes Fallen ist. Ganz anders bei unserem rund-erneuerten Journalisten! Strammen Schritts und trittsicher macht er sich auf den Weg und schafft spielerisch an die 25 Kilometer pro Tag. Droht ihm jemand mit Gartenarbeit oder ähnlichem, können es auch schon mal 30 Kilometer werden - und zwar ganz, ganz schnellen Schrittes.
Geh-Lust
Wer diese Vorgeschichte kennt, kann sich leicht ausmalen, dass unser Journalist seit jenem bedauerlichen Vorfall bei der Gartenarbeit neuerdings zweimal im Jahr Geburtstag feiert. Einmal den eigenen. Und dann den Tag seiner Wiedergeburt als Wanderer. Der Einfachheit halber hat er dafür den 15. Mai gewählt. Denn am 14. und 15. Mai 1883 fand erstmals der Deutsche Wandertag statt. Und zwar in Fulda, wo der Rhön-Klub dann auch gleich noch die Gründungsversammlung des Deutschen Wanderverbandes organisierte. Seither findet der Tag des Wanderns - mit einigen meist kriegsbedingten Unterbrechungen - alljährlich statt; jedes Mal in einer anderen Region, wo sich dann an die 20.000 bis 30.000 Geh-Lustige sechs Tage lang bei den unterschiedlichsten Wanderungen vergnügen. Und Kulturveranstaltungen gibt es selbstverständlich auch. Ob dazu jetzt unbedingt Klavierabende und Kurse in Aktzeichnen gehören müssten, darüber kann man natürlich trefflich streiten. Aber so ein Handchirurg, der auch "Fuß" kann? Das wär ja nun wirklich mal ein schöner Vortrag, fürs Rahmenprogramm des Deutschen Wandertags.