Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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16. Dezember 1773 Boston Tea Party

Tee für die Fische: Am 16. Dezember 1773 kippen aufgebrachte Amerikaner mehr als 300 Kisten Tee in das Hafenbecken von Boston. Ein Aufstand gegen die Steuerpolitik der britischen Kolonialmacht.

Stand: 16.12.2013 | Archiv

16.12.1773: Boston Tea Party

16 Dezember

Montag, 16. Dezember 2013

Autor(in): Andreas Miekisch

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Bilder sagen bekanntlich manchmal mehr als tausend Worte. Dass das auch für Gerüche gelten kann, wird dagegen weit weniger häufig beschworen. Am ehesten denkt man dabei noch an Patrick Süßkinds "Parfum" oder daran, wie einem vielleicht einmal ein Flakon auf den Boden gefallen ist und der Raum sich in ein duftendes Paradies verwandelt hat.

Überfall im Indianer-Kostüm

Es ist nicht überliefert, wie es am 16. Dezember 1773 in Boston gerochen hat, als etwa 60 aufgebrachte Amerikaner drei Schiffe der British East India Company stürmten und 342 Kisten Tee ins Hafenbecken warfen - immerhin 45 Tonnen, die den verdutzten Fischen im Hafen recht übel zugesetzt haben mögen. Die Aktion war der Höhepunkt einer zehn Jahre langen Auseinandersetzung zwischen den späteren Gründervätern der USA und der damaligen Noch-Kolonialmacht Großbritannien.

London brauchte dringend Geld, weil die Militärausgaben zur Verwaltung der Kolonien sprunghaft gestiegen waren. Dieses Geld wollte man sich nun in Form einer Teesteuer von den Kolonien zurückholen. Dabei konnten die Engländer, nicht nur in Bezug auf die Finanzen, sondern auch was die Ware Tee selbst anging, kaum legitime Ansprüche ins Feld führen: Sie selbst hatten ihre erste Teepflanze den Chinesen geraubt, anbauen ließen sie ihn in Sklavenarbeit von Indern, aber verdienen wollten sie daran allein - ihre mächtige East India Company hatte praktisch ein Handelsmonopol auf Tee.

Dennoch sahen die amerikanischen Rebellen sich damals durchaus noch als Untertanen des britischen Königs, mit dem sie es sich nicht unbedingt dauerhaft verscherzen wollten. So schien es ein geschickter Schachzug, bei er Erstürmung der Schiffe eine falsche Fährte zu legen weshalb sich ein großer Teil der
Boots-Stürmer ernsthaft als Mohawk-Indianer verkleidete.

Vergessen und verklären

Ein Quäntchen Ironie mag auch dabei gewesen sein, denn obwohl die amerikanischen Siedler nach der Tea Party englische Waren strikt boykottierten, konnten sie nicht-englischen Tee weiter unter der britischen Qualitätsbezeichnung "Indian tea" verkaufen - sie machten sich einfach zu Nutze, dass das Wort für "Inder" und "Indianer" im Englischen dasselbe ist.

Derartige Spitzfindigkeiten sind heute längst vergessen. Während die Engländer ihre Erinnerung an die Tea-Party aber - verständlicherweise - auch ganz allgemein nicht mehr als nötig strapazieren, erlebt deren Mythos auf der anderen Seite des Atlantiks eine viel beachtete Wiedergeburt. Seit 2009 tritt die
ultra-konservative Tea-Party-Bewegung innerhalb der Republikanischen Partei selbstbewusst auf und profitiert von der verklärenden Erinnerung an die seinerzeit im Wasser treibenden Teeballen. Die heutigen Tea-Party-Anhänger vergessen dabei allerdings gern, dass der damalige Kopf der Bewegung, ein gewisser Samuel Adams, vor den Protesten noch Steuereintreiber für die verhasste englische Krone war.


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