17. Februar 1933 Ende der Alkoholprohibition in den USA
Das Alkoholverbot war scharf gemeint und lasch überwacht. Nach rund 14 Jahren Prohibition hatten die USA ein gut organisiertes Verbrechen und immer noch Lust auf Hochprozentiges. Am 17. Februar 1933 machte der Blain Act Schluss mit der Durststrecke.
17. Februar
Mittwoch, 17. Februar 2010
Autor(in): Justina Schreiber
Redaktion: Thomas Morawetz
Ein Netz von Schmuggelwegen, Flotten präparierter Lastwagen und Schiffe, bestochene Beamte, Abertausende illegaler Kneipen. In den fast 14 Jahren der amerikanischen Alkoholprohibition konnten Gangsterbosse wie Al Capone sagenhafte Gewinne einstreichen. Weil organisierte Banden die Schwarzmärkte kontrollierten, kam es in manchen Vierteln Chicagos oder New Yorks fast täglich zu Schießereien zwischen rivalisierenden Gruppen. Auf wirklich brave Bürger muss die Bilanz des staatlichen Kontroll-Versuchs ernüchternd gewirkt haben: Dem zwar deutlich gesunkenen Prozentsatz an Leberzirrhosen mit tödlichem Ausgang stand eine dramatisch erhöhte Zahl schwerer Verbrechen gegenüber. Einmal abgesehen von dem daniederliegenden legalen Brauereiwesen, gab es also Gründe genug, dass ein John James Blaine, seines Zeichens Senator des Bundesstaat Wisconsin, breite Unterstützung fand, als er energisch für eine Aufhebung der Prohibition warb.
Am 17. Februar 1933 verabschiedete der US-Senat den nach ihm benannten Blaine Act, einen Gesetzesvorschlag, den der Congress kurz darauf als Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung ratifizierte. Damit war das seit 1919 landesweit geltende Handelsverbot aufgehoben; von nun an blieb es wieder den einzelnen Bundesstaaten überlassen, wie sie den Umgang mit „John Barleycorn“, zu Deutsch: Hans Gerstenkorn und seinen weniger gehaltvollen Konsorten regeln wollten.
Das an sich „noble Experiment“ eines nationalen Verzichtes war gescheitert. Mit daran schuld: Der Laissez-faire-Stil von drei aufeinander folgenden Präsidenten, die sich kaum um soziale und wirtschaftliche Belange kümmerten. Folge: In den Jahren zwischen 1919 und 1933 führte trotz oder gar wegen des Verbotes „König Alkohol“ das Regiment. Familienväter setzten ihren kargen Lohn Woche für Woche in schlechten Fusel um. Das Thema beschäftigte die Leute über Gebühr. Man schimpfte über hochrangige Politiker, die „trocken“ taten und „nass“ lebten. Methodistische Prediger wetterten gegen den Sittenverfall. Auf der anderen Seite des ideologischen Grabens standen Künstler und Literaten wie F. „Scotch“ Fitzgerald, die den Spirituosenkonsum als Ausdruck lässiger Lebensart verklärten. Hier die respektlosen Flapper, junge Frauen mit Kurzhaarfrisuren, die in aller Öffentlichkeit hochprozentige Cocktails kippten.
Dort besorgte Mütter und Ehefrauen, die sich in Abstinenzler-Vereinen zusammentaten: „Eine Armee von Schul-Tanten und ausgemergelten alten Jungfern mit Brillen und Kompotthüten“ nennt sie einer der Trinker in Upton Sinclairs Roman „The Wet Parade“ von 1931.
Wie überhaupt der erklärtermaßen „trocken“ lebende, sozialkritische Schriftsteller, ein von vielen angefeindeter „Nestbeschmutzer“, das ganze Desaster ironisch beschrieb: Das Alkoholverbot schränke das Recht auf persönliche Freiheit derart empfindlich ein, dass es ein wahrer Gentleman nicht gutheißen konnte. Hinzu kam: Zum Heer der Enthaltsamkeitsapostel gehörten auch die gefürchteten Suffragetten. Den so genannten Blaustrümpfen ging es von Anfang an um beides: um weniger männliche Schnapsleichen und um größeren weiblichen Einfluss. Fast zeitgleich mit der Prohibition wurde in den USA das allgemeine Frauenwahlrecht eingeführt. Das war nun wirklich mehr als ein Gentleman verkraften konnte. Sigmund Freud steuerte aus Wien einen tröstlichen Kommentar zur „Frauenherrschaft“ in Übersee bei. Wer den Alkohol verdamme und Gottesfurcht predige, gewinne nichts. Weil ein Narkotikum nämlich nur das andere ersetzt.